Vigiles 2: Leichte Mädchen

Dirk van den Boom

„Leichte Mädchen“ ist der zweite Teil der Spin off Serie um den Tribun Ackermann, der als ehemaliges Mitglied des kleinen Kreuzers Saarbrücken in Rom eine Polizei nach preußischem Muster aufzubauen sucht.

 Im Hintergrund der ersten beiden Bände liefen die Ermittlungen zu einer bizarren Mordserie. In der Abreisezeit des Saarbrücken hat Ackermann nach einem perversen Frauenmörder Ausschau gehalten. Durch die Versetzung innerhalb der Zeiten konnte er in diesem Fall nicht mehr ermitteln. Am Ende von „Tod im Senat“ musste Ackermann erkennen, dass der Mörder anscheinend zur Mannschaft der „Saarbrücken“ gehört hat und mit in die Vergangenheit versetzt worden ist. Ackermann entschließt sich, alle noch lebenden Besatzungsmitglieder zu interviewen und herauszufinden, ob sie zum Tatzeitpunkt ein Alibi gehabt haben. Erschwert wird die Aufgabe durch die Tatsache, dass die Mannschaft der Saarbrücken für die letzte offizielle Fahrt des kleinen Kreuzers ordentlich mit neuen Gesichtern durchgemischt worden ist. In erster Linie lernt der Leser einige der aus der Hauptserie vertrauten „Kaiserkrieger“ Figuren wieder kennen. Einige haben sich lukrative Geschäftsbetriebe aufgebaut, andere hat es nicht so gut getroffen. Es sind vor allem Gespräche mit der Führungscrew der Saarbrücken und dem medizinischen Personal. Der Handlungsbogen wird im nächsten Roman der Serie „Urlaub auf Capri“ fortgeführt, der einzige Mann ohne richtiges Alibi müsste der Logik folgend von Beginn an als zu ehrenwert ausgeschlossen werden.

 Es ist einer von zwei roten Fäden, die Dirk van den Boom aus dem ersten Band übernommen hat. Der zweite Faden ist die Liebesgeschichte zwischen dem in seinem Beruf aufgehenden bei Frauen unerfahrenen Ackermann und der Betreiberin eines Standes mit Süßwaren, bei welcher Ackermann Stammkunde ist. Sie nimmt die Initiative in die Hand. Auch hier bleibt abzuwarten, ob es ihr gelingt, den beruflich entschlossenen, aber im Privatleben schüchternen Ackermann aufzutauen.

 Zumindest gelingt es Dirk van den Boom, mit dieser Besessenheit hinsichtlich des nicht gelösten Falls und im Umkehrschluss der Angst vor emotionaler Enttäuschung – dabei fürchtet er, die nicht schüchterne Römerin zu enttäuschen als selbst enttäuscht zu werden – aus Ackermann einen dreidimensionaleren Protagonisten zu machen, wobei hinsichtlich der Haupthandlung der Konflikt zwischen den elitären Ständen des alten Roms und den neuen Gesetzen des amtierenden Kaisers mit Vollmachten für die neue Polizeigarde sowie nachvollziehbare juristische Rechte/ Pflichten in den Hintergrund gedrängt wird. In diesem Punkt wirkte „Tod im Senat“ sehr viel ambitionierter und durch den direkten Konflikt zwischen Senatoren sowie der Polizei bauten sich entsprechende Drohpotentiale auf. „Leichte Mädchen“ verfügt über das gleiche Potential, nur wird es nicht gehoben. Diese Schwäche zeigt sich auch während der finalen Konfrontation, wo Ackermann nur indirekt den Täter stellen kann. Theoretisch müsste er genau auf die alten Mitteln zurückgreifen, mit denen die Römer vor allem entrechtete Sklaven zum Sprechen gebracht haben. Spannungstechnisch nicht unbedingt zufrieden stellend ist, dass Ackermann im Grunde aufgrund der Arroganz des römischen Adels beigestanden und der Fall quasi nebenbei aufgelöst wird. Auch „Tod im Senat“ litt unter dieser beiläufigen Auflösung, wobei der ganze Fall noch ein weniger komplexer erschienen ist.

So verlaufen einige der roten Fäden zu schnell im Nichts. Alleine die Idee, dass einer der wichtigsten Generäle im Begriff ist, eine Militärbasis zur Verteidigung Roms auf gerade überwiegend erworbenen Land zu errichten, während sein Sohn in einem Bordell erstochen wird, böte ausreichend politisches Potential.

 Die Ermittlungen entwickeln sich stringent, wenn auch etwas schleppend. Anscheinend steckt Ackermann im Gegensatz zum ersten Fall nicht unter dem Druck der Öffentlichkeit. Niemand will ihn scheitern sehen, seine potentielle Karriere als Leiter einer neuen Dienststelle ist nicht gefährdet. Die junge Prostituierte ist verschwunden. Sie könnte Zeuge des Falls sein.

 Dieser Handlungsarm entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen. So wird zum ersten Mal eine weibliche Polizisten – Flavia – quasi under Cover in ein Bordell eingeschleust, wo sie nicht nur die alltägliche Wäsche macht, sondern ihre Ohren spitzt. An einer anderen Stelle enden die Ermittlungen der Polizisten buchstäblich in einer Jauchegrube. Eine der spannungstechnisch am Besten aufgebauten Szenen.

 Die einzelnen Informationen werden zusammengeführt und deuten auf einen einzigen potentiellen Schuldigen. Wie bei einigen anderen Krimis ist die Summe der Indizien in der Theorie erdrückend, alleine beweisen können es die Polizisten nicht. Natürlich hat der Autor eine abschließende Wendung, ein letztes in diesem Fall nachdenklich stimmendes As im Ärmel.

 Die Mordermittlungen sind wie angesprochen solide, spannungstechnisch zufrieden stellend. Aber es fehlt das Momentum des Originellen, des Neuen. Im Rahmen eines „normalen“ Krimis mit nur wenigen erstaunlich erwachsenen sexuellen Anspielungen in erster Linie aus den Mündern der „leichten Mädchen“, die über ihre Freier sprechen unterhält Dirk van den Boom zufrieden stellend.

 Hinzu kommt, dass die Nebenfiguren beginnend mit dem aristokratischen General über Flavia als Wäschefrau; den arroganten Geldeintreiber mit politischen Ambitionen bis zur im Dienste einiger Senatoren stehenden Diebin/ Mörderin sehr viel dreidimensionaler beschrieben worden sind als in einigen anderen Dirk van den Boom Romanen. Auf der anderen Seite hält er sich hinsichtlich der Selbstzweifel seines modern denkenden, von Alpträumen geplagten Inspektor Ackermanns positiv zurück und versucht die Figur eher abgerundet, als zu stark konstruiert erscheinen zu lassen.

 Viel interessanter ist zusätzlich dieses Mal mangels des politischen Drucks der Hintergrund der Geschichte. Dank Ackermann kann der Leser noch mehr die Veränderung Roms durch die Zeitenwanderer nachvollziehen. Das beginnt bei Kaffeehäusern und endet beim Ausprobieren neuer Rezepte wie Apfelkuchen. Neben Kaffee und Alkohol haben die Zeitenwanderer der Medizin revolutioniert und beginnen eine neue Generation von moderner denkenden Römern auszubilden. Im Gegensatz zur Hauptserie „Kaiserkrieger“ mit ihren großen Themen hat der Saarbrücker Autor positiv in den „Vigiles“ Romanen mehr Raum, dieses sich wandelnde Rom aus einer fast subjektiven Perspektive zu beschreiben. Aber am Ende von „Leichte Mädchen“ wird die Erkenntnis bleiben, dass zumindest die alte Generation sich noch als echte Römer mit ihren Traditionen, ihre Pflichten, aber auch ihren menschenverachtenden Rechten sehen und dementsprechend auch handeln.

 Es sind diese Widersprüche beginnend auf der zwischenmenschlichen Ebene mit der beginnenden Beziehung zwischen Ackermann und Lucrezia, welche den Reiz nicht nur dieses Romans, sondern auch des ersten Teils ausmachen. Anscheinend hat sich Dirk van den Boom ein wenig mehr Zeit genommen, um die deutlich kompakteren „Vigiles“ Romane so plastisch zu gestalten.

 Auch wenn der eigentliche Kriminalroman zu einfach aufgebaut worden ist, verfügt „Leichte Mädchen“ hinsichtlich der Protagonisten und des angesprochenen Hintergrunds über einige Stärke, welche die leicht von der Hand zu gehende Lektüre empfehlenswert machen.

Kaiserkrieger Vigiles 2: Leichte Mädchen

  • Taschenbuch: 220 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (15. September 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864024021
  • ISBN-13: 978-3864024023