Planet des blauen Feuers

Karl- Ulrich Burgdorf

Karl- Ulrich Burgdorf bezeichnet die Neuauflage seines 1979 als Heftroman 211 in der „Zauberkreis Science Fiction“ unter Pseudonym erschienenen Bandes als Director´s Cut. Im Nachwort geht der Autor nicht nur auf die Inspiration und die Namensgebung ein, sondern verdeutlich mittels eines der erweiterten und überarbeiteten Passagen des Romans seine Vorgehensweise. Das Vorwort übernimmt wieder Rainer Schorm, wobei er sich eher ambivalent äußert.

“Planet des blauen Feuers“ ist basierend auf bekannten Versatzstücken der Science Fiction inklusiv einer Art Variation der Prime Directive aus der ersten „Star Trek“ Serie auch in der längeren Form ein angenehm zu lesender Roman. Nicht selten litten viele Heftromane unter der stark eingeschränkten Seitenzahl mit einem sehr langsamen, detaillierten Beginn, einem noch solide ausbalancierten  Mittelteil und einem sich hektisch überschlagendem Ende. Die längere Version ermöglicht es Karl- Ulrich Burgdorf, diese Schemata zu durchbrechen, auch wenn das Finale trotzdem ein wenig abrupt erscheint und durchaus einen sehr viel längeren Spannungswinkel vertragen hätte. Die fast belehrend erscheinenden letzten Worte erinnern an die Pulpabenteuer eines Erik Frank Russels oder mit Einschränkungen inklusiv des fehlenden subversiven Humors eines Lloyd Biggle jr. oder eines Leith Laumers, die auch gerne auf die Idee einer neutralen, die mögliche Kolonisation erdähnlicher Planeten kontrollierende Behörde inklusiv ihrer Agenten/ Beobachter oder nur Berichterstatter zum Anlass für farbenprächtige wie exotische Science Fiction genommen haben.

Rhineheart ist einer der Gutachter des Interstellaren Kolonialamts. Seine Aufgabe ist es, fremde aber bewohnbare Planeten für die Kolonisation freizugeben. Zu den wichtigsten Punkten gehört ohne Frage, ob eine Welt von möglicherweise intelligentem Leben oder Lebensformen bewohnt, welche aktuell oder in der näheren Zukunft einer Besiedelung im Wege stehen. Im Laufe des Romans wird allerdings klar, dass anscheinend nicht alle Gutachter ihre Aufgabe sehr genau nehmen und es auch Planeten gibt, von denen die freiwilligen Kolonisten am Liebsten wieder verschwinden.  Den Hintergrund dieses im Grunde von Beginn an zum Scheitern verurteilten Manövers erläutert Karl- Ulrich Burgdorf aber eher fragmentarisch und oberflächlich. Alleine das potentielle „Abschieden“ von Siedlern kann keine ausreichende Erklärung sein.

Bei seiner neuen Mission kann sich der Inspektor nur zwischen die Fronten setzen. Auffällig ist, dass an Bord des Raumschiffs  auf dem Flug zum nächsten Berichtsplaneten mit dem Schachgroßmeister und gleichzeitig Vorstand einer wichtigen Firma eine Persönlichkeit sitzt, die nicht auf den ersten Blick an jeder neuen Entdeckung einer möglicherweise besiedelbaren Welt ein persönliches Interesse haben sollte.   Das Interesse an den beiden in Frage kommenden Welten Umbard und Tyon ist anscheinend ungewöhnlich.

Karl- Ulrich Burgdorf entwickelt wie angesprochen das Szenario ruhig, aber konsequent. Zuerst führt er seinen Inspektor Rhineheart ein, der zur besonnenen wie ruhigen Art gehört Durch diese Figur wird auch die entsprechende Zukunft präsentiert. Die Macht der Behörde ist weitreichend, allerdings sollten ihre Entscheidungen nicht nur im Fall der beiden Doppelplaneten gut begründet sein.  Auch im Verlaufe der weiteren Handlung bewegt sich Karl- Ulrich Burgdorf ausschließlich auf Rhinehearts Handlungsebene. Diese Fokussierung hat Vor- und Nachteile. Der Spannungsbogen kann konsequenter vorangetrieben werden und der Leser hat gegenüber dem Protagonisten allerhöchstens einen theoretischen intellektuellen Wissensvorsprung, wenn er die einzelnen Facetten vorher zusammensetzt. Das ist für einen aufmerksamen Leser auch ohne weiteres möglich, da Karl- Ulrich Burgdorf teilweise seinen Protagonisten ein wenig zu lange philosophieren und mögliche Hintergründe erklären lässt.

Auf der anderen Seite muss der Inspektor dadurch unmittelbar oder mindestens mittelbar an dem Geschehen beteiligt sein oder wie in wenigen Szenen direkt weitere Informationen übermittelt bekommen. Das erfolgt nicht nur durch seine deduzierende Vorgehensweise, sondern auch durch einige Berichte, die er schließlich als Ergänzung seiner Unterlagen übermittelt bekommt. Verschiedene Handlungsebenen hätten ohne Frage den Spannungsbogen dramaturgisch besser gestalten können. Alleine einen kleinen Blick hinter die Kulissen der relativ schnell ausgemacht Gegenspieler wäre interessant gewesen.

Aus der alltäglichen Arbeit Rhinehearts heraus, die für den lesenden Sesselhelden sehr exotisch sein muss, entwickelt sich schließlich das Geheimnis des über ein blaues Feuer verfügenden Planeten. Zu den besten Sequenzen gehört abschließend die Anbindung an den Absturz eines der wenigen verfügbaren interstellaren Raumschiffe.

Zusätzlich kommt das Handycap, dass der Beobachter durch den Absturz des ihn vorher aufgenommenen Kolonistenraumschiffes IMMIGRANT verletzt worden ist. Auf der einen Seite muss er seiner Aufgabe allerdings ohne einen wirklichen zeitlichen Druck nachgehen, auf der anderen Seite sich von den Verletzungen erholen. Interessant ist, dass Karl- Ulrich Burgdorf am Ende des Romans den entsprechenden Bogen zurück zur IMMIGRANT schlägt und aufzeigt, dass die Aufnahme des Inspektors durch das Raumschiff schon viel früher hinsichtlich seiner Aufgabe in einer mittelbaren humanitären Katastrophe hätte enden können. Das zeigt die solide Grundplanung des Plots als Ganzes. Viele Heftromanautoren vor allem dieser Epoche haben in einigen Punkten eher den Handlungsverlauf improvisiert und irgendwie am Ende in einem furiosen, meistens von reiner Action geprägten Finale abgeschlossen.   

Auf dem Planeten selbst zeigt sich, dass Rhineheart möglicherweise tatsächlich auf sehr fremdes, exotisches, aber intelligentes Leben gestoßen ist. Damit wäre eine Besiedelung dieser Welt nicht mehr möglich. Anstatt dem Klischee des Außenseiters im Kampf gegen Alle zu folgen, differenziert Karl- Ulrich Burgdorf sehr überzeugend und auch nachvollziehbar. Auch wenn ganze Existenzen von dieser Entscheidung abhängen, zeichnet er auf dem neuen Planeten die Mitglieder der für die Besiedelung zuständigen Firmenangehörigen erstaunlich nuanciert. Natürlich muss es auch Schurken geben und einige kleinere Actionszenen schließen sich an, aber die wissenschaftliche Neugierde, die mögliche Sensation dominiert.

Neben dem blauen Feuer bietet der Autor einige kleinere Sensation wie das plötzlich verschwindende und wieder auftauchende Forschungsatom- U-Boot an. Nicht nur Rhineheart, sondern auch die Leser müssen angesichts dieser Ausgaben staunen. Raumfahrt ist bei Burgdorfs fünfhundert Jahre in der Zukunft spielenden Romanen immer harte Arbeit. Es gibt zwar interstellare Raumschiffe, aber sie sind selten und das Mieten oder auch nur Kaufen ist teuer. Die Plots spielen in der Phase der beginnenden Expansion, aber Burgdorf lässt seine Firmen auch wie Unternehmen/ Unternehmer agieren, die immer wieder den allgegenwärtigen Profit bei allen Herausforderungen im Auge behalten müssen.

Die fremden Wesen sind exotisch.  Es dauert länger, bis Burgdorf dem Leser das natürlich subjektive Gesamtbild präsentiert. In seinem Nachwort geht der Autor noch auf die Quelle der Inspiration ein, aber generell bemüht er sich, alle Klischees zu Umschiffen. Das abschließende Fazit mit dem langen Blick in die Vergangenheit wirkt allerdings ein wenig bemüht. Andere Autoren haben sich zu derartig geheimnisvollen Hinterlassenschaften ein wenig mehr einfallen lassen. Oder sie haben wie William Rotsler in „Ein Patron für die Künste“ generell auf weitergehende Erläuterungen technologischer Art verzichten und lassen den Effekt alleine auf den Leser einwirken.

„Planet des blauen Feuers“ ist unabhängig von der aus heutiger Sicht in Ehren gealterten Datenträgertechnik – da sie ein wichtiger Bestandteil des Romans ist, hätte ein Modernisieren den Plot entscheidend verändern können – ein vor allem in der überarbeiteten Form überzeugend strukturierter Science Fiction Abenteuerroman, dessen Grundidee – die Kontrolle der Besiedelungsmöglichkeiten einer Welt, an der verschiedene Parteien schon aus unterschiedlichen Gründen sehr viel Interesse haben – nicht unbedingt neu oder originell ist, die aber konsequent und durchaus durchdacht mit einem eher pazifistischen Ansatz umgesetzt wird. Das Buch liest sich aufgrund des dreidimensional entwickelten Protagonisten und subjektiv aber gut charakterisierten Nebenfiguren ausgesprochen flott und unterhält mehr als Version Jahre nach der Jungspundversion behutsam geglättet durch die altersweise Hand Burgdorfs immer noch gut.

Vielleicht werden die immer populärer werdenden E Book Nachdrucke früher veröffentlichter Science Fiction Heftromane das Interesse wieder auf diese Gattung lenken,  bei denen vor allem sowohl die „Zauberkreis Science Fiction“ als auch Gemini neben den Pabel/ Moewig Publikationen ja ein serienunbahängiges Sprungbrett für deutschsprachige Autoren gewesen sind.

  • Taschenbuch: 192 Seiten
  • Verlag:  Apex Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3746795133
  • ISBN-13: 978-3746795133