Forever Magazine 54

Neil Clarke (Hrsg.)

Die Juli Ausgabe von "Forever" ist eine Art Mogelpackung. In seinen einleitenden Worten spricht Herausgeber Neil Clarke davon, dass zwei der drei Nachdrucke diesen Monat in von ihm herausgegebenen Anthologien ebenfalls erscheinen. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, mit nicht verwandten, aber qualiativ auch überzeugenden Geschichten auf die eigenen Produktionen hinzuweisen. Die dritte Story stammt aus dem letzten Jahr und einem bekannten Magazin.

 Diese stammt aus der Sommer 2018 Ausgabe von "The Magazine of Fantasy & Science Fiction". Einen Nachdruck aus einem auch Auflagentechnisch sehr starken Magazin nur ein Jahr später zu präsentieren und damit mehr als achtzig Prozent der Ausgabe zu füllen, ist problematisch.

 L.X. Becketts Geschichte agiert auf verschiedenen Ebenen. Da wäre das fast an ein Klischee erinnernde Schicksal eines ehemals erfolgreichen Musikers, der inzwischen als Journalist sein Geld verdienen muss, um in einer das soziale Kapital über den Reichtum bevorzugenden Gesellschaft überleben zu können.

Die Informationen über den eher zweidimensionalen Protagonisten bleiben spärlich. Der Leser kann sich kein überzeugendes Bild von seinen Fähigkeiten machen. Eine Grundvoraussetzung, um entscheiden zu können, ob er ein Opfer des Systems ist oder vielleicht kein ausreichendes Talent hat, um von der Musik leben zu können. Ein generelles Verbot scheint es nicht zu geben.

 Am Ende bzw. zu Beginn der Novelle muss er sich mit niederen Schreibarbeiten durch das Leben schlagen, bevor er durch einen Zufall auf die Geschichte von Kliniken stößt, welche unnötige Operationen und Behandlungen verkaufen. Eine Bekannte will ihm helfen, undercover zu recherchieren. Dabei muss er fast wie in ein Foltercamp eine Reihe von Herausforderungen durchlaufen, deren Sinn allerdings sich dem Leser nicht wirklich erschließt.

Hier wird zuviel vorausgesetzt. Die Protagonisten sind interessant in ihrer Bewegung, aber weniger hinsichtlich ihrer Hintergründe gezeichnet worden, wobei vor allem der erfolglose Musiker immer an der Grenze des wenig bemitleidenswerten, sondern eher nervigen Klischees charakterisiert worden ist. Die Szenen im Hospital entschädigen für einige moralisierende Längen zu Beginn des Textes.

 Zumindest verzichtet der Autor abschließend auf eine mahnende Warnung und begnügt sich damit, die Zustände aus der subjektiven Sicht zu beschreiben und auf dieser Basis den kapitalistischen Gedanken bis zum bitteren Ende zu extrapolieren. Auf der anderen Seite ignoriert der Autor auch die Zustände im eigenen Land - der Text ist ursprünglich in China erschienen -, in denen sich selten auch Gefagene zu unfreiwilligen Organspendern und Opfers von medizinischen Experimenten werden. Im Gegensatz zu einigen chinesischen Geschichten in seinem eigenen Magazin "Clarkesworld" ist die Übersetzung aus "The Magazine of Fantasy & Science Fiction" nicht nur flüssig, sondern belebt den Text mit einem eigenen Stilgefühl. Den "Clarkesworld" Texten fehlt manchmal das Gespür im entscheidenen Moment zwischen einer reinen stereotypen Übersetzung und dem Gespür für eine stilistische adäquate Umschreibung.

 "Condtional Love" ist erst die zweite Story aus der Feder Felicity Shoulders. Sie erschien im Jahre 2010 in "Isaac Asimov´s Magazine".   Dr. Grace Steller arbeitet in einem Institut, das genetische Korrekturen oder Manipulationen noch in der Gebärmutter durchführen kann. Das Problem ist, dass nicht jede dieser Operation erfolgreich ist und sich nicht alle Folgen oder KOnsequenzen wirklich ablesen lassen. Minerva ist eines dieser Opfer, die ohne Arme oder Beine geboren worden ist. Ihre bisherige Kindheit hat sie meistens in Krankenhäusern verbracht, da man ihre Gliedmaßen nachträglich "wachsen" lassen möchte. Eine weitere Stufe der genetischen Manipulation. Minerva möchte allerdings ein normales Leben beginnen und ist bereit, auf ihre Beine zu verzichten, nachdem ihre Arme nachgewachsen sind.

Minvera lernt im Krankenhaus einen Jungen kennen, dessen Krankheit wahrscheinlich, aber nicht sicher ein Nebenprodukt der genetischen Produkt ist. Er kann wahnsinnig schnell eine Affinität zu jedem Erwachsenen in seiner Umgebung zeigen, vergisst die Menschen aber auch genauso so schnell wieder.

 Grace muss auf der einen Seite mit ihrer Arbeit, aber auch den Wünschen ihrer Patienten klar kommen. Auf der anderen Seite ist sie ständigem Druck von den zahlenden Eltern ausgesetzt. Wie zu erwarten muss sie gegen Ende der Geschichte eine eigene Entscheidung treffen, die möglichst alle Interessen einschließt. Auch wenn das Thema grundsätzlich unangenehm sein könnte, überzeugt die Geschichte durch die abgerundeten Protagonisten, die sich nicht als fehlerhaft oder behindert ansehen. Die Komplexität des Themas erlaubt keine abschließenden Antworten, aber Shoulders geht es auch weniger darum, dem Leser Entscheidungen in den Mund zu legen, sondern auch auf den ersten Blick technisch einfaches wie verführerisches Verfahren der Züchtung perfekter Menschen eben als riskant und gefährlich darzustellen. Alleine dieser Aspekt ist ein wichtiger Grund, um die Geschichte neu aufzulegen. Hinzu kommt eine wie angesprochen intensive Beschäftigung mit dem Thema, die abgerundeten, aber auch eckigen Charaktere und schließlich ein interessantes, provokantes Ende.

 Indrapramit Das "The Moon is not a Battlefield" ist eine frustrierende Lektüre. Die Grundidee ist wichtig und zeitlos. Kinder sollen nicht als Soldaten missbraucht werden. Es spielt keine Rolle, ob sie auf der Seite der "Guten" oder "Bösen" kämpfen. Gita ist eine dieser ehemaligen Kindersoldaten. Sie hat ihr ganzes Leben in verschiedenen Konflikten auf dem Mond gekämpft. Mit einer ganz kleinen Rente versucht sie jetzt ihr Leben in Indien zu fristen. Sie gibt einem Reporter in Form eines Interviews Einblick in ihr bisheriges Leben. Vor allem die zynische Idee, die verkrüppelten Menschen mit Minirenten irgendwo dahin vegetieren zulassen - aufgrund der Schwerkraftunterschiede fällt es ihnen auch schwer, auf der Erde zu leben und ein Exoskelett wird ihnen nicht zur Verfügung gestellt. Die Beschreibungen ihrer ehemaligen Mitkämpfer sind drastisch und gehen unter die Haut.

Auf der anderen Seite ist die Struktur der Geschichte schlecht. Die einzelnen Episoden reichen bis in die Gegenwart und dann wird das Interview beendet. Der Reporter wird vielleicht einen Artikel schreiben, aber der Leser fühlt sich vor die Tür gesetzt. Durch die subjektive Perspektive erfährt der Leser auch zu wenig über den Hintergrund sowohl Gitas als auch der einzelnen Konflikte, so dass ausgesprochen viel Potential verschenkt wird. Das Grundthema ist aber zeitlos und wichtig.

 Die Qualität der einzelnen Texte ist unbestritten vorhanden, alleine die unglückliche Zusammenstellung mindert das Lesevergnügen deutlich.

Forever Magazine Issue 54 cover - click to view full size

E Book, 112 Seiten

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