Raumjäger

Robert A. Heinlein

Mit „Raumjäger“ setzt der Heyne Verlag allerdings nicht exklusiv die Neuveröffentlichung einiger Jugendbücher Robert A. Heinleins fort. Das Buch ist unter diversen Titel  wie „Invasion der Wurmgesichter“ oder „Piraten im Weltraum“ sowie“ Kip überlebt auf Pluto“ teilweise mehrfach in Deutschland veröffentlicht worden. Der Heyne Verlag hat diese Neuausgabe mit einem strengen Blick auf das Original noch einmal durchgesehen.  Der originelle und passende amerikanische Titel „Have Space Suit- Will Travel“ ist dabei leider nicht verwandt worden. Für die Amerikaner war es ein direkter Querverweis auf die Westernserie „Have Gun- will travel“, die von 1957 bis ins Jahr 1963 wöchentlich über die amerikanischen Mattscheiben flimmerte. Der in den USA 1958 veröffentlichte und ein Jahr später  für den HUGO nominierte Roman ist das letzte von Heinleins Jugendbüchern.

Im Anschluss veröffentlichte Robert A. Heinlein den ersten seiner mehr und mehr umstrittener werdenden Erwachsenen Science Fiction Roman „Starship Troopers“. Historisch gesehen gilt „Weltraumkadetten“ als die erste Inspiration zu der Jagd auf die Käfer, aber das auf den ersten Blick patriotisch pathetisch Ende dieses durch den Titel zu als kindlich eingestuften Jugendbuches weist viel direkter den Weg zu den „Starship Troopers“. Der jugendliche Held Kip steht vor einem galaktischen Tribunal, vor dem nicht er, sondern die Erde angeklagt worden ist. Seine Antwort ist nicht nur ein typischer Heinlein, sondern wirft einen dunklen Schatten auf den nächsten Roman, dessen Grundidee Heinlein anscheinend schon im Kopf hatte, wegen des lukrativen Vertrages für die Jugendbücher aber noch nicht direkt umsetzen konnte.  Es ist der Anfang des Buches, das eine ganze Generation von Jugendlichen ohne Frage fasziniert wird. Wie einige andere seiner von der Erde aus startenden jugendlichen Protagonisten möchte Kip unbedingt ins All, besonders auf den Mond. Er nimmt an einem Wettbewerb teil, bei dem er den Weltraumanzug gewinnt. Kip ist für Heinlein ein eher ungewöhnlicher und damit rein durchschnittlicher jugendlicher Charakter. Seine Eltern sind nicht reich, haben keine Beziehungen. Er ist eher durchschnittlich begabt, hat keine besonderen Fähigkeiten und geht auf eine ihn nicht unbedingt fördernde High School. Keine guten Voraussetzungen, um seinen Traum von einem Flug zum Mond zu erfüllen. Und auf den ersten Seiten spricht Robert A. Heinlein vor allem die Träume der jugendlichen Leser an, die im Fernsehen das Rennen um die Eroberung des erdnahen Weltraums verfolgen und doch niemals die Erdatmosphäre verlassen werden.

Interessant ist, dass Kip bei dem Wettbewerb eines Seifenherstellers nicht den ersten Preis gewinnt oder vielleicht ungerechtfertigt benachteiligt wird. Alleine sein Wille wird mit dem Sonderpreis und dem Raumanzug belohnt. Sein Wille wie bei allen Szenen im Buch durchzuhalten und es immer wieder zu versuchen, bis sich eine Art von Erfolg einstellt. Er bastelt an dem Raumanzug herum. Er nennt seinen neuen Freund Oscar. Heinleins Jugendliche sind nicht selten einsam. In „Der rote Planet“ haben die Kinder der Aussiedler zumindest exotische Haustiere, Kip hat nur seine Bücher und seine Phantasie. Der Zufall will es, dass er bei Versuchen mit seinem Radio die richtige Frequenz findet und er die Pilotin überreden kann, auf der Erde zu landen. Die größte Überraschung ist, dass es sich um ein zwölfjähriges Mädchen mit dem schönen wie künstlichen Namen Peewee Reisfeld handelt, die auf der Flucht vor den eher eindimensionalen Schurken ist.  Das Trio wird abgerundet durch einen gutmütigen Außerirdischen, der eher ambivalent als Mittler zum Leser dient als wirklich aktiv in die Handlung einzugreifen.

Das Problem ist, dass die Verfolger die in einer früheren Auflage des Buches angesprochenen Wurmgesichter sind und sie vor allem wirklich eine Invasion nicht nur der Erde planen. Die anscheinend zeitlose Popularität der Jugendbücher Heinleins liegt in ihren griffigen Charakteren. Während andere Science Fiction Autoren die schmale Grenze zwischen Glaubwürdigkeit der gezeichneten jugendlichen Charaktere und eher distanzierten, nicht selten Erwachsene/ Eltern verkörpernden Wissenschaftlern immer wieder in die falsche Richtung überschritten haben, haucht Heinlein diesen Figuren wirklich bis allerdings zur Grenze der offensichtlichen Belehrung der Leser Leben ein. Dabei scheut er sich nicht, Klischees absichtlich zu brechen. So ist Peewee Reisfeld mit ihren zwölf Jahren ohne Frage der mutigste Charakter des Buches. Das liegt nicht nur in der Tatsache begründet, dass sie ein Raumschiff fliegen kann. Sie ist den Wurmgesichtern schon einmal entkommen. Sie rettet Kip mehrmals während der rasanten Verfolgungsjagden. Auch wenn sie keine Formeln aus dem Kopf herunter beten kann, ist sie vor allem eine pragmatische junge Frau, die  genau weiß, was sie will. Als Nebenfigur stiehlt sie dem etwas farblosen Kip die Schau. Erst vier Jahre später wird Heinlein mit „Podkayne from Mars“  ein Buch veröffentlichen, in dem auch offiziell eine junge Frau im Mittelpunkt der Handlung steht. Auch wenn Kip stellvertretend für die Leser von der Reise zu den Sternen träumt, wirkt er als Figur bis auf den stoisch dickköpfigen Anfang ein wenig verloren. Heinlein macht aus ihm einen Westentaschenintellektuellen, der verschiedene physikalische Probleme im Kopf und nebenbei lösen kann. Peewee schenkt ihm quasi die Zeit, diese Fragen zu beantworten und Heinlein nutzt diese Prämisse,  um seine Leser nicht immer ganz unauffällig klüger zu machen. Erst während des angesprochenen Finales blüht Kip auf und wird sich seiner Verantwortung bewusst. Interessant ist, dass wahrscheinlich unbewusst Kips Vaterfigur unnötig reduziert, in dem der Autor den Vater als weniger zugänglich bis dumm naiv charakterisiert.  Er ist selbst ein fähiger Wissenschaftler gewesen, der seine eigene Assistentin geheiratet und damit deren Karriere zum Erliegen gebracht hat. Da der Vater sich wenig für seinen Sohn interessiert, kann der quasi alleine agieren.

Die Außerirdischen sind in diesem Roman eher pragmatisch und nicht unbedingt Furcht einflößend beschrieben worden. Kips unmittelbarer Begleiter könnte ein Demokrat sein, der irgendwo und irgendwie versucht, alles auszugleichen. Der galaktische Rat erinnert an die verweichlichten Gremien, die Heinlein immer verabscheut hat. Unfähig, Entschlüsse nicht nur zu treffen, sondern vor allem auch umzusetzen. Dabei agieren sie hinsichtlich ihrer Flexibilität sehr umständlich und Heinlein möchte deutlich machen, dass nicht immer die offensichtlichen „Feinde“ die größte Gefahr darstellen. Die hier geäußerten Ideen nehmen angesichts der Komplexität zu wenig Raum ein und nicht selten bewegt sich Heinlein in diesem wichtigen und für ein Jugendbuch auch ungewöhnlichen Abschnitt zu statisch, um gänzlich befriedigend seine interessanten, von Kip aber in einer an einer Mischung aus Frank Capra Komödie und den angesprochenen dunklen „Starship Troopers“ Untertönen dar gebrachten Argumente auszutauschen.

Auf der anderen Seite gibt es die klischeehaften bösen Aliens, die Wurmgesichter. Sie sollen dem Leser und Kip Angst machen. Allerdings gelingt den Jugendlichen mehrfach die Flucht und die Wurmgesichter erweisen sich einfach nicht als erschreckend genug, um Jugendliche, geschweige denn die ganze Erde zu kontrollieren. Heinlein nutzt sie rückblickend ehr als Ablenkung und verschenkt in Hinblick auf das Finale so auch einiges an Potential. Auf der anderen Seite umschifft der Amerikaner aber dadurch auch das selbst Ende der fünfziger Jahre schon klischeehafte Invasionsthema und setzt sich auf den letzten Seite mit seinen später markant ausgebauten Thesen von einem freien Geist unabhängig von einem einengenden Schulsystem und vor allem dem Recht auf eine Art dominante Selbstbestimmung auseinander, das Kip stellvertretend für die Menschen den Außerirdischen förmlich ins Gesicht schreit.

Zusammengefasst gehört „Raumjäger“ zu den besseren Jugendbüchern Heinleins, in dem er unabhängig vom auf den ersten Blick irritierenden Originaltitel sich durchaus ernsthaft mit der Weltraumfahrt, aber auch intergalaktischer Ignoranz vor der Idee einer typischen Invasionsgeschichte zu beschäftigen.     

 

 

 

  • Taschenbuch: 336 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453316282
  • ISBN-13: 978-3453316287
  • Originaltitel: Have Space Suit, Will Travel