The Magazine of Fantasy and Science Fiction March/ April 2016

C.C. Finlay( Herausgeber)

Die zweite Ausgabe des Jahres 2016 verzichtet auf die in den letzten Ausgaben dominierenden Science Fiction Themen und präsentiert vor allem einige stimmungsvolle Gruselstories sowie semiphantastische Geschichten, in denen vor allem die Realität und Gegenwart kritisch hinterfragt werden. Es ist eine gänzlich andere Ausgabe, die C.C. Finlay zu seinem Einjährigen als neuer Editor des Magazins positiv zusammengestellt hat.

 Das Titelbild passt zur ersten Geschichten der Ausgabe und zeigt den Weg auf. "The Ghost Penny Post" von Marc Laidlaw gehört zu den viktorianischen Alternativweltgeschichten, in denen ein Postinspektor Hewell aus London kommend in die Provinz nach Binderwood reist, um Irregularien beim Versand der Post zu untersuchen. Er findet heraus, dass mehr als eine Dimension zur Postbeförderung genutzt wird. Stimmungstechnisch überzeugend mit liebevoll bizarr gezeichneten Figuren ist es ein solider Auftakt. In der Tradition Stephen Kings und der Höhepunkt dieser Ausgabe ist die längste Geschichte der Ausgabe mit dem wahrscheinlich kürzesten Titel: "The Liar" von John P. Murphy.  In der kleinen in Neu England gelegenen Stadt Versailles stirbt seit vielen Jahren immer am 05. November ein junger Mensch. Zu den Opfern gehört auch der Bruder des Erzählers Greg Kellogg. Er ist im Eis eingebrochen und ertrunken. Die Pastorin Julie bittet Kellogg, kurzzeitig die Aufgaben des Friedhofsgärtners zu übernehmen, der durch einen Herzinfarkt arbeitsunfähig ist. Kellogg hat die Fähigkeiten, mit seinen Lügen Wahrheiten zu kreieren. So brennen Glühbirnen mit Sonnenlicht. Kellogg versucht hinter das Geheimnis der Todesfälle zu kommen und seine Fähigkeit zum Guten einzusetzen. Sehr gut geschrieben mit dieser Stephen King Mischung aus unschuldiger Kleinstadt mit Geheimnissen, alltäglichen Problemen wie einer pubertierenden Tochter und einer übernatürlichen Komponente, die vorsichtig und in sich logisch entwickelt wird. 

 In den Bereich der humanistischen Science Fiction fallen mehrere eher kürzere Stories dieser Nummer. "Belief" von Nancy Kress stellt Wissenschaft und Glauben in Form eines Muttertochterkonfliktes gegenüber. Während die Handlung lange Zeit von Dialogen umrahmt von veränderten zehn Geboten bestimmt wird, ist das Ende wie für Nancy Kress so einzigartig typisch und effektiv. Deutlich emotionaler und anrührender ist "Red in Tooth and Cog" von Cat Rambo. Die Protagonistin verliert ihr Handy in einem nahe gelegenen Park. Es geht ihr weniger um das Gerät als die verzierte Hülle. Sie verbringt mehr und mehr Zeit im Park und stellt fest, dass der Park von zurückgelassenen intelligenten Geräten bewohnt wird, die aber die örtlichen Behörden ärgern. Immer am Rande des emotionalen Kitsches ist es eine wunderschöne rührende Story um die Hinterlassenschaften der Menschen.  N.J. Schrock feiert sein professionelles Debüt mit “The Silver Strands of Alpha Crucis- D“. Auf fünf Seiten erzählt Schrock eine sehr komplexe Geschichte. Die erste Landung auf einem fremden Planeten. Anscheinend besteht der ganze Planet aus einer Art Intelligenz, die für die Menschen nur eine logische Konsequenz offen lässt. Ein dunkles Ende, das auch auf die Gegenwart der Erde übertragen werden könnte. Eine Hommage an die alten Monsterfilme – hier sei auf einen Ray Harrihausen Streifen ganz besonders verwiesen – stellt „Golden Gate Blues“ von James L. Cambias dar. Angelegt als Film Noir Roman mit einem Detektiv, der den Tod eines gigantischen Oktopus in einer Welt untersuchen soll, in welcher es anscheinend auch Superhelden gibt. Die skurrilen Charaktere sind liebenswert beschrieben worden und die überdrehte Handlung mit dem ein wenig metaphorischen Ende unterhält ausgesprochen gut.  Zwei konträre Ausgangsbasen präsentieren die beiden Science Fiction Kurzgeschichten „The Language of the Silent“ (Juliette Whade und Sheila Finch) sowie Sarina Dories „A Mothers Arm“. Während im ersten Text es nicht zum ersten Mal im Genre um die Rechte der unterdrückten fremden Intelligenzen auf einer abseits gelegenen Welt geht, die im Schatten einer anderen dominierenden Rasse stehen, spielt in Sarina Dories Story der eher unfreiwillige Kontakt eines aus dem Himmel abstürzenden Piloten mit einer „Mutter“ eine wichtige Rolle. In beiden Texten geht es um das Überwinden von Missverständnissen und vor allem die schwierige Suche nach einer gemeinsamen Kommunikationsbasis. Obwohl beide Texte spannungstechnisch nicht unbedingt originell sind, überzeugen sie vor allem die durch ausgereiften Charaktere, deren Handlungsmuster für den Leser verständlich und fremdartig zu gleich sind. Stilistisch sind die beiden Kurzgeschichten überdurchschnittlich gut geschrieben worden und sie entwickeln sich ohne große Hintergrundinformationen aus sich selbst heraus.

" Nanabojou and the Race Question" von Justin Barbeau reiht sich in die Serie um den Trickzauberer Nanabojou ein. Mit pointierten Dialogen sticht die Autorin in gegenwärtig auch brisante Themen. So reist Nanabojou nach Vierginia, wo die Weißen die Rassen klassifizieren und eingruppieren wollen. Das Gesetz erweist sich als klassischer Rohrkrepierer, dessen Folgen auf die Weißen als Initiator der Legislative zurückfallen. Bitterböse und zynisch regt die kurzweilig zu lesende Geschichte zum Nachdenken an. 

 "Diamond" von Chris DeVito ist eine der Baseballgeschichten, die nur aufgrund des für Sportfreunde interessanten Endes ein wenig unterhalten. Wer mit dem Sport nichts anfangen kann, sollte die Geschichte überblättern.

 Charles de Lint und Michelle West stellen wieder sehr viele Bücher dafür aber weniger ausführlich vor. De Lint konzentriert sich auf fortlaufende Fantasy Zyklen, während Michelle West einen lockeren Streifzug durch das Genre anbietet. Viel interessanter ist der Filmteil. Kathi Maio rezensiert nicht nur sehr positiv "Der Marsianer", sondern schlägt den Bogen weit zurück in die Geschichte fast aller auf dem Mars spielender Science Fiction Filme beginnend in der Stummfilmzeit. Mit dieser langen Einleitung wirkt ihre Rezension eher wie eine Art Essay. Im Anhang gibt es wieder eine kurze Buchvorstellung aus dem Kuriositätenkabinett, wobei die vorgestellten Texte immer sehr schwer für interessierte Leser zu erhalten sind.  Paul di Fillipo geht in seiner Glosse auf das herrliche Leben als Schriftsteller ein.

Zusammengefasst dominieren qualitativ in der vorliegenden Frühlingsausgabe die Gruselgeschichten ohne direkt in den Bereich des Horrors abzuschwenken. Die Science Fiction Beiträge sind alle durch die Bank solide, es fehlt ihnen manchmal der originelle Schwung, einen notwendigen Schritt weiter zu gehen. Die Urban Fantasy Beiträge stehen irgendwo zwischen den Fronten, so dass C.C. Finlay eine weitere solide, aber nicht herausragende Nummer des „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ leider nur zusammengestellt hat.

Taschenbuch, 256 Seiten