Homo Sapiens 404 Band 21 "Eins zu einer Million"

Claudia Kern

Auch wenn „Eins zu einer Million“ ebenfalls über einen sehr langen Rückblick verfügt, der sich in die laufende Handlung gut integrieren lässt, überzeugt der Roman deutlich mehr als die letzten beiden Romane bzw. die ersten beiden Teile der letzten Ministaffel. Das liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass Claudia Kern mit Erika eine neue Figur einführt. Erika ist eine Freundin Kiplings aus der Zeit, bevor der Zombie Virus die Bevölkerung dezimiert hat. Sie hat sich seit Ausbruch der Seuche in ihrer Wohnung verschanzt. Große Teile des Romans schildern ihren Überlebenskampf und ihre Überlebensmethoden, während wie bei den Romero Filmen die Zombies um sie herum nicht nur systematisch alles Leben vernichten, sondern ihren schon beschränkten Lebensraum mehr und mehr eingrenzen. Die Beschreibungen wirken authentisch, sind intensiv und vor allem von einer brutalen Ehrlichkeit. Die Idee des stoischen Zombies, der langsam die Wand zwischen den beiden Wohnungen zum Einsturz bringt, ist eine der unheimlichsten Szenen der ganzen Serie. Hinzu kommt, dass Erika sowieso an den Rollstuhl gefesselt ist und diese Behinderung ihre Fluchtmöglichkeiten einschränkt. Ihre körperliche Versehrtheit scheint aber ein Antrieb für sie zu sein, nicht klein bei zu geben und trotz der manchmal spürbaren Todessehnsucht doch überleben zu wollen. Eine sehr gute Charakterzeichnung, wobei die Alpträume kurz vor ihrer potentiellen Rettung ein wenig zu klischeehaft, zu sehr von der stark realistischen Handlung ablenkend erscheinen. In ihrer Verzweifelung schafft sie es quasi mit der letzten Energie ihres von Solarzellen betriebenen Computers eine Chatnachricht an Kipling zu schicken. Dieser steht vor einer „Star Trek“ Aufgabe. Er soll eigentlich zusammen mit Ryn´Nel Soldaten in Australien retten. Ist das Schicksal einer einzelnen Person wichtiger als das Schicksal von vielen Tausenden? Wie eng Claudia Kern an den Stellen, an denen "Homo Sapiens 404"  wirklich sehr gut funktioniert, ihre eigene Mythologie an die bekannten Serien angebunden hat, lässt sich in dieser Szene erkennen. Kipling überlegt, ob er der Spocklogik folgen oder muss oder lieber den Instinkten eines Kirks vertrauen soll, der dank zahlloser Drehbuchbrücken immer das Richtige im entscheidenden Moment getan hat. Die Rettung Erikas wird unter anderem mit zwei Drohnen geplant, die Batman und Superman heißen. Eine weitere Hommage. Beeindruckend und gleichzeitig viele Serien auf den Kopf stellend ist der abschließende Rettungsakt, der von einem Dinosaurier durchgeführt wird. In diesen Szenen zeigt die Autorin, dass nicht nur sie in den Nerd Universen eng verwurzelt ist, sondern vor allem ihre lebendigen Figuren nach diesen Maximen leben oder vielleicht auch zu überleben suchen. Das hebt „Homo Sapiens 404“ aus der Masse deutlich heraus und wenn diese Vorgehensweise so gut funktioniert wie im vorliegenden Roman, dann wird der Leser von einer Insiderin sehr überzeugend unterhalten.

 Auch die zweite Handlungsebene bis zum Cliffhanger ist gut gestaltet. Sie bringt zum ersten Mal seit im Grunde dem Zyklus Beginn den eigentlichen Plot voran. Ama´Ru kann während ihrer Forschungen einen Bewacher ausschalten und ein Pad an sich bringen. An sich kommt sie mit ihren Forschungen gut voran und in der Tradition von „Day of the Dead“ erhält sie sogar einen lebendigen Zombie für ihre Experimente. Allerdings wird – ebenfalls wie in den Romero Filmen – die Forschungsstation kurz vor dem entscheidenden Durchbruch angegriffen und Ama´Ru muss fliehen.   

 Während die Nebenhandlung um Erikas Schicksal einen sehr breiten Raum einnimmt, entschädigt die Geradlinigkeit des Plots um Ama´Ru. Sie hält wahrscheinlich den Schlüssel in den Händen, um die Seuche unter Kontrolle zu bringen. Ama´Ru gehörte vor allem in den ersten Romanen zu den am meisten  faszinierenden Figuren, welche Claudia Kern erschaffen hat. In den beiden mittleren Miniserien ist sie ein wenig in den Hintergrund getreten, obwohl die Autorin gerade in diesem Abschnitt die Rückblenden effektiv genutzt hat, um ihre „Gutherzigkeit“ in ein ganz anderes Licht zu stellen. Nach einer zu langen aktiven Teilnahme an der Handlung schenkt ihr Claudia Kern eine Reihe von sehr gut geschriebenen und spannend gestalteten Szenen. Es sind unterschiedliche Blickwinkel, in denen die Autorin im vorliegenden Roman den Überlebenskampf zweier sehr unterschiedlicher „Frauen“ beschreibt, wobei die männlichen Helfer zumindest zu ihnen unterwegs sind. Die Dynamik der ersten Bände ist wieder da und der Einbau der Rückblende geschieht deutlich nahtloser und vor allem sehr viel zufrieden stellender als in den letzten Bänden.

Die Science Fiction Elemente fehlen im vorliegenden Roman ganz. Dafür finden sich auf beiden Handlungsebenen sehr viele gut eingebaute Anspielungen auf Romeros „Dead“ Filme. Die Atmosphäre ist weiterhin sehr dunkel und ausgesprochen brutal. Im Gegenwinkel hat Claudia Kern aber auch positive Hoffnungsschimmer gesetzt, so dass „Eins zu einer Million“ ohne Frage der bislang beste Roman der vierten Staffel ist. Zusätzlich stellt er einen Wendepunkt dar, an dessen Beginn die verschiedenen roten Fäden nicht nur zusammengeführt werden, sondern die ersten Pyrrhussiege der Nerds zu erkennen sind.     

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 774 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 72 Seiten
  • Verlag: Rohde Verlag (30. März 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00VA85DY4