
Der Titel suggeriert einen thematischen Schwerpunkt, in dem vor allem die lange Zeit durch ihre Verbindung mit der Stimme quasi ausgeschaltete Tess Kensington als einer der meisten ambivalenten Charaktere zu Wort kommt und mittels Rückblenden einige Lücken zu schließen. Dieses Vorhaben gelingt nicht gänzlich zufriedenstellend, während der vor allem der Kampf der Allianz im System der Rentalianer gegen die Ash´Gul`Kon nicht nur einen breiten Raum einnimmt, sondern abschließend deutlich mehr überzeugt.
Die hundeartigen Rentalianer mit ihrer exotischen, aber nicht uninteressanten Kultur gehören zu den außerirdischen Rassen, denen Andreas Suchanek noch mehr Aufmerksamkeit und Zeit schenken sollte. Die Angreifer haben sich bis zu deren Heimatwelt durchgeschlagen. Dabei wollen sie einen Virus aussetzen, der neue Ash´Gul`Kon „züchtet“. Dadurch werden sie innerhalb des bislang schützenden Tachyonenschirms so mächtig, dass dieses „MacGuffin“ keinen wirksamen Schutz mehr darstellt. Die Rentalianer sind durch ihre hohe Vermehrungsrate ein ideales Zielobjekt. Positiv ist, dass Andreas Suchanek auf diesem Handlungsarm vor allem mit Nebenfiguren agiert. In den inzwischen fast vierzig Folgen hat der Autor auch manchmal einen unvermeidlichen Tod simuliert, um dann wie Phoenix aus der Asche doch noch einen Überlebensstrohhalm bei den wichtigsten Protagonisten aus dem literarischen Köcher zu ziehen. Bei bislang eher unbekannten Protagonisten hat der Autor mehr Spielräume und diese nutzt Andreas Suchanek auch sehr gut aus. Die Grundidee einer falschen Verteidigungstaktik, die sich als Offensive erweist, ist nicht unbedingt neu. Wer lange zurückdenkt, wird einen Teil dieser Strategie aus Crichtons Roman und der entsprechenden Verfilmung „Andromeda- tödlicher Staub aus dem Weltall“ kennen. Aber zum ersten Mal seit einer inhaltlich viel zu langen Zeit hat der Leser wieder das Gefühl, als agieren die Ash´Gul`Kon auch mentalitätstechnisch anders als Menschen. Ihre Exotik wirkte teilweise nicht zufriedenstellend genug extrapoliert und der Autor hat seine Antagonisten auch eher hinter martialischen Worten als effektiven Taten versteckt. Es ist die Actionreiche, aber nicht stupide Handlung, welche man sich nach den letzten ein wenig schwächeren Romanen gewünscht hat.
Der zweite Handlungsbogen setzt dagegen wieder auf die bekannten Protagonisten. Unter der Leitung von Cross und seinen wichtigsten Offizieren erreichen sie das Gefängnis von Tess Kensington. Die Ash´Gul`Kon haben sie in einer Simulation gefangen gesetzt, aus welcher sie nicht ohne Probleme geweckt werden kann. Cross und Kirby können dank ihrer Implantate in diese Simulation eintreten. Wie nicht selten in der Serie präsentiert Andreas Suchanek einen Pyrrhussieg. Jeder kleine Triumph ist von großen Opfern begleitet. Der Auftakt wirkt ein wenig konstruiert, da die Technik der Fremden plötzlich angesichts der vorhandenen Informationen zu einfach zugänglich ist. Weiterhin öffnet Andreas Suchanek den Vorhang und fügt eine weitere vielleicht zu komplizierte Ebene seinem Plot hinzu. Die Ash´Gul`Kon waren ja bislang in der Tradition der großen Alten mit Anspielungen auf H.P. Lovecraft entwickelt worden. Jetzt werden Zusammenhänge mit einer vor Jahrtausenden bestehenden Allianz aufgedeckt. Die Idee der genetischen Manipulationen ist interessant, aber selbst in seinem Universum nicht unbedingt neu. Aber ist sie wirklich notwendig. Anstatt die Antagonisten einfach nur handeln zu lassen, versucht Andreas Suchanek aus der Vergangenheit heraus ihre Taten erst zu erklären und dann für die Gegenwart zu relativieren, wobei in der gegenwärtigen Situation mit einem nicht mehr lange standhaltenden Tachyonenschirm es im Grunde keine Rolle spielt, wo die Motivation der Feinde letztendlich begraben ist. Eine Niederlage gegen sie bedeutet das Ende der Menschheit und ihrer Verbündeter und eine neue Schreckensherrschaft. Andreas Suchanek sollte nicht den Fehler machen, zu viel Pazifismus in die Handlung einzubauen. Ein Gegner sollte zumindest in der literarischen Theorie auch einmal bekämpft werden können. Die Vorgehensweise im vorliegenden Roman verkompliziert den Plot nicht nur ungemein, vor allem widerspricht sich der Autor am Ende wieder, wenn ein Virus diese positiven Graustufen zu Nichte macht. Es ist nicht die erste Exkursion, die Andreas Suchanek ohne Frage ambitioniert und sich immer wieder von den eindimensionalen Pulpgeschichten abheben wollend im Verlaufe eines einzigen Bandes negiert. Bislang hat Andreas Suchanek noch keinen wirklichen Zugriff auf die Ash´Gul`Kon gefunden. In einem direkten Vergleich sind die menschlichen Schurken wie Sjöberg deutlich faszinierender, paranoider und schließlich für den Leser auch zugänglicher. Diese Verschwörungsplots alleine können keine Romanserie tragen und der Autor tut auch gut daran, in diese fragile Zweckgemeinschaft immer die Saat des Zweifels einzubauen. Sjöberg ist nicht geschlagen, aber der zwischenmenschliche Konflikt wird durch das Auftauchen der Ash´Gul`Kon als potentiell gemeinsamer Gegner auch nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
Der Aufbau der beiden Handlungsebenen ist auch mit den Zwischenschnitten gut gelungen, aber im Gegensatz zu seinem Nachwort bremst sich Andreas Suchanek an einigen Stellen auch zu sehr aus. Er will eindeutig zu viel und sollte an einigen Stellen eine „einfachere“ zu greifende Science Fiction Serie präsentieren. Auf der positiven Seite gibt dieser komplexe Roman aber auch einen über weite Strecken bis auf das Ende guten Einblick in die neuen Antagonisten, versucht ihnen eine überraschende Dreidimensionalität zu geben und erklärt ihr bisheriges Vorgehen bis zu einem bestimmten Grat. Es ist die angestrebte Perfektion, welche auf der anderen Seite aber den Lesefluss im vorliegenden solide geschriebenen Roman auch hemmt, so dass zusammenfassend insbesondere der Titel eine Erwartungshaltung weckt, welche der Band als Ganzes nicht an allen Stellen nachhaltig einhalten kann.
- Format: Kindle Edition
- Dateigröße: 4670 KB
- Seitenzahl der Print-Ausgabe: 135 Seiten
- Verlag: Greenlight Press; Auflage: 1 (22. August 2016)
- Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
- Sprache: Deutsch
- ASIN: B01KTELL54