Cotton Reloaded 13- Die Informantin

Jürgen Benvenuti

Mit „Die Informantin“ feiert Jürgen Benvenuti sein Debüt im Remake der langlaufenden „Jerry Cotton“ Serie. Seine Erfahrung aus zwei Handvoll überwiegend Krimiromanen zeigt sich bei der Struktur dieses geradlinigen Abenteuers, in dem die Verbindung zwischen der Special Force und den „normalen“ Polizeikräften in einer Anweisungswidrigen Kooperation zwischen Cotton und seinem ehemaligen Kollegen Brandenburg besteht. Die beiden müssen weniger einen Dealer fassen, als indirekt die Fehler der arroganten Spezialeinheiten ausgleichen.

Die Praktikantin Sandy Overmeyer hat ein Interview mit dem Dealer Bobby Gold erhalten. Nach dem Gespräch ist sie so sehr über dessen Methoden entsetzt, das sie ihren Informanten verrät und die Spezialeinheiten zusammen mit Cotton und Decker unter deren Leitung in einem abgelegenen Lagerhaus zugreifen können. Doch dieser Einsatz geht gründlich schief. Am Ende ist nur Bobby Golds Bruder tot. Die Auftaktsequenz ist gut geschrieben, bürgt aber auch einige kleinere unlogische Schwächen. Wenn Decker wirklich die Oberaufsicht über den Einsatz gehabt ist, stellt sich die Frage, warum sie die drei schwer bewaffneten Kollegen nicht koordiniert hat. An mangelndem Durchsetzungsvermögen kann es nicht gelegen haben. Wegen des Interviews schiebt der Autor zwar eine mögliche Information nach, aber es erscheint unwahrscheinlich, dass erstens eine Praktikantin die Möglichkeit erhalten hat, einen hochrangigen Dealer zu interviewen. Zweitens ist das Motiv des Dealers nicht sorgfältig herausgearbeitet. Drittens hätte man sich an einem eher neutralen Ort getroffen und viertens wird der Dealer niemals so unvorsichtig sein, ein wichtiges Lagerhaus einem Informanten preis zu geben, der ihn mit der Presse in Kontakt gebracht hat. Die Prämisse ist wackelig, aber Benvenuti baut auf ihr einen spannenden Kriminalroman auf. Bobby Gold rächt sich an der Journalistin und ermordet sie auf grausige Art und Weise. Brandenburg und Cotton übernehmen den Fall förmlich in Eigenregie, was auf der einen Seite insbesondere Jeremiah Cotton einen Rüffel des Vorgesetzten Mr. High einbringt, während am nächsten Morgen nach einer sehr kurzen Denkpause die Ermittlungen weiter geführt werden. Auch die Art und Weise, wie Brandenburg und Cotton auf eine heiße Spur des Dealers kommen – eine Schaukel im Vorgarten einer Siedlung – erscheint stark konstruiert. Unabhängig von diesen Schwächen allerdings wird der Fall geradlinig abgeschlossen und eröffnet nicht zum ersten Mal in dieser Reihe das Spektrum auf ein quasi „dahinter liegendes“ Verbrechen, das unmittelbar mit der Ermordung Sandy Overmeyers in einem Zusammenhang steht. Auch hier wirkt der Katalysator ein wenig herbeigewünscht als ermittlungstechnisch eruiert, aber die Auflösung ist konsequent und direkt. Benvenuti zeigt, dass Verbrecher nicht selten ehrbare Masken tragen.

Litten die letzten „Cotton Reloaded“ Romane unter einem mangelnden Zusammenspiel insbesondere Deckers und Cottons, konzentriert sich Jürgen Benvenuti eher auf die wieder aufflammende Zusammenarbeit zwischen Jeremiah Cotton und dem Detektiv Brandenburg. Sie gehen relativ konsequent bei ihren Ermittlungen vor und ergänzen sich auf den ersten Blick sehr viel besser als die oberflächlich beschriebene Decker. Das die Behörden übergreifende Zusammenarbeit von Mr. High so ambivalent behandelt wird, erscheint eher unwahrscheinlich. Auch die schon angesprochene Konfrontation zwischen dem Einzelgänger Cotton und Mr. High wirkt aufgesetzt. Es gab „schlimmere“ Einzelaktionen, die Jeremiah Cotton ohne die Genehmigung seines Vorgesetzten durchgeführt hat. Natürlich haben sie nicht nur zum Erfolg geführt, sondern insbesondere Decker wurde zweimal gerettet. Es ist eher so, dass die Struktur von Mr. Highs kleiner Truppe zu wenig festgelegt worden ist. Angesichts der „Mannstärke“, den technischen Möglichkeiten – Orwells „1984“ ist nichts gegen die Überwachungsbefugnisse dieser kleinen Einheit – und den Verwicklungen dieser Fälle scheint die Schelte unangebracht. Zumal sie auch keine Konsequenzen nach sich zieht. Auch ist in diesem Fall keine Alleinvertretungsbefugnis ausgesprochen worden. Brandenburg kann angesichts zweier aufgefundener Leichen, die offensichtlich von Bobby Gold als Bezahlung für ihre Hilfe ermordet worden sind, weiter ermitteln. Normalerweise hätte Mr. High dem Detektiv den Fall abluchsen müssen, damit alles in der Hand seiner Organisation geblieben wäre.

Decker selbst spielt nur eine untergeordnete Rolle. Sie ärgert sich, dass die Verhaftung Bobby Golds unter ihrer Leitung so schief gegangen ist. Mr. Highs Schelte wirkt genauso deplatziert wie eine Kritik an Cottons Einzelaktionen, da Decker zumindest in der vorliegenden Szenenbeschreibung keinen aktiven Einfluss auf das Geschehen hatte. Und drei Männer der Special Forces wirken angesichts der zu stürmenden Lagerhalle eher lächerlich.

„Die Informantin“ ist ohne Frage ein deutlich besserer Beitrag zur Serie als die letzten Arbeiten Peter Menningens. Stimmungstechnisch solide entwickelt konzentriert sich Benvenuti wie angesprochen mehr auf die Behörden übergreifende  Partnerschaft zwischen Brandenburg und Cotton sowie den im Mittelteil etwas zu „leicht“ zu lösenden Fall, während insbesondere Decker – es wirkt unwahrscheinlich, das sie in einem der normalen Viertel New Yorks in ihrem eigenen Porsche eine Beschattung durchführt – zum Leidwesen der Balance des stringenten Abenteuers in wichtigen Passagen als eigenständiger und vielschichtiger Charakter leider untergeht.       

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1462 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 90 Seiten
  • Verlag: Bastei Entertainment (10. Oktober 2013)
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