Old Shatterhand neue Abenteuer Band 2: Auf der Spur

Old Shatterhand Neue Abenteuer band 2, Auf der Spur, Titelbild, Rezension
Thomas Ostwald

Erst ab der Mitte des zweiten Bandes dieser fortlaufenden Serie mit neuen Abenteuern Old Shatterhand wendet sich Thomas Ostwald von dem dominierenden, aber nicht mehr so dominanten Alter Egos Friedrich Gerstäckers alias Fred Millers ein wenig ab und konzentriert sich auf Old Shatterhand, der seine weibliche Begleitung Klara aus der Hand eines Falschspielers und seines Komplizen retten muss. Dabei handelt es sich um ein fast klassisches Karl May Motiv. Nachdem in erster Linie Fred Miller den Falschspieler – er hat auf einem der Raddampfer mehrere Spieltische betrieben – entlarvt und für seine Verhaftung an Bord gesorgt hat, setzt sich dieser mit der Kasse und Klara ab.

Um zu demonstrieren, dass dieser Old Shatterhand trotz der Freundschaft mit Winnetou sowie den vertrauten Waffen noch nicht der Überheld Karl Mays ist, wird er beim ersten Anschleichen an ein Lagerfeuer von zwei Osagen Indianern außer Gefecht gesetzt. Es ist nicht die einzige Szene, in welcher Thomas Ostwald teilweise mit ein wenig sadistischer Freude von den Mustern Karl Mays absichtlich abweicht und vor allem seinen Plot in Richtung eines deutlich realistischeren Wild West Abenteuers außerhalb der stilisierten fiktiven Welt eines Karl Mays dreht.

In dieser Form könnte die erste Hälfte des vorliegenden Romans in mehrfacher Hinsicht ein um vielleicht dreißig oder vierzig Jahre aus seiner Zeit in die Zukunft gelöstes Friedrich Gerstäcker Abenteuer sein, das nur im Gegensatz zum deutlich sachlicheren Stil Gerstäckers fiktiver und damit auch dramatischer „inszeniert“ / beschrieben worden ist.

 So kann Old Shatterhand das Teeren und Federn eines aus seiner Sicht am Sprengstoffanschlag auf den örtlichen Verlag unschuldigen Chinesen nicht verhindern. Bei Thomas Ostwald werden immer wieder Revolver unterschiedlicher Kaliber seinen Protagonisten still und heimlich in die Seite gedrückt. Nicht selten auch vom Gesetz. Es ist ein Widerspruch zu Karl Mays fast absolutistischen Sendungsbewusstseins, das dieser Old Shatterhand es nicht schafft, einen Mob entweder mit Worten oder Taten unter Kontrolle zu bringen.

 Thomas Ostwald wiederholt die Lynchszene am Ende des Romans als Übergang zum abschließenden dritten Teil „Der schwarze Josh“ noch einmal. Diese Doppelung mit vergleichbaren Ergebnissen, aber gegenläufigen Ausgangsprämissen wirkt ein wenig unglücklich, aber der Autor braucht die Auflösung der Situation, um die Spannung weiterhin hochzuhalten und einen potentiellen Zeugen auszuschalten.

 An einer anderen Stelle werden Fred Miller und Old Shatterhand zwangsverpflichtet, an der Seite der Sheriffs hinter einer Gruppe von Plünderern her zu reiten und diese durchaus auch ohne Warnung niederzuschießen, als sie eine weitere Farm überfallen. In dieser Gruppe sollen sich auch Deputys aus einer anderen Provinz befunden haben.  Immer wieder ist es eher Fred Miller alias Friedrich Gerstäcker, der die entscheidenden Zügel in der Hand hält, während Old Shatterhand eher als ambitionierter Zauderer wirkt, der weit von den zahllosen Abenteuern entfernt ist, die seinen angeblichen Ruf in dieser neuen Trilogie schon im Wilden Westen gefestigt haben sollen.  

Ausführlich beschreibt Fred Miller nicht nur das Luxusleben auf einem Raddampfer stellvertretend für den Leser sowohl Old Shatterhand als auch Klara von Rauten, sondern auch das harte Arbeiten der Zwischendeckpassagiere. Thomas Ostwald nutzt sein umfangreiches Wissen und zeigt in diesen Passagen als eine Art Hommage, wie genau Friedrich Gerstäcker das Leben während seiner Reisen aufgeschrieben und der Nachwelt erhalten hat.  Karl May hat sich bei seinen Beschreibungen mehr auf die Landschaften und die historischen Bezügen konzentriert, während bei Gerstäcker und damit auch anscheinend in dieser Trilogie vor allem die einfachen Menschen im Mittelpunkt gestanden haben.

 Gleich zu Beginn mit dem nicht letzten Leeren von Champagnergläsern wird der Klassengedanke zu Grabe getragen. Klara von Rautens Zofe wird auf die gleiche Stufe wie ihre Arbeitgeberin gestellt. Alle Menschen sind gleich, was zumindest bei diesem Old Shatterhand auch ein wenig zu Irritationen führt. Karl May hat sich immer in den Ständen bewegt, auch wenn aus humanistischer Sicht Old Shatterhand als Fanal zu einer demokratischen Gesellschaft schon deutlich moderner erschienen ist als zum Beispiel sein roter Blutsbruder Winnetou.

 Aber nicht nur Friedrich von Gerstäcker bestimmt die erste Hälfte des Romans. Es finden sich auch viele Aspekte Karl Mays in diesen Abschnitten. Das Ende des ersten Buches hat verdeutlich, dass mit Klara von Rautens Verlobten etwas nicht stimmt. Strauchdiebe übergeben ihr eine Nachricht. Damit endet das erste Buch und das zweite beginnt mit den Berichten der örtlichen, kurze Zeit später in die Luft gesprengten Zeitung über eine Reihe von Überfällen auf Geldtransporte, an denen ein Insider auch noch mit den Initialen ihres Verlobten beteiligt sein könnte. Bevor die Zeitungsredakteure mehr Informationen Preis geben können, kommen sie ums Leben.

 Karl Mays Romane sind immer von Ziel orientierten Reisen dominiert gewesen. Friedrich Gerstäcker hat die einzelnen Länder besucht und dort Abenteuer erlebt, wobei diese nicht selten ungeplant auf ihn eingestürzt sind.  Wie bei Karl May hat Old Shatterhand in dieser Fortsetzung ein klares Ziel. Er soll Klara von Rauten zu ihrem Verlobten bringen, wobei neben Old Shatterhands stärker aufkommenden natürlich bislang platonischen Gefühlen der seltsame Hintergrund mit den Zeitungsartikeln eine spannungstragende Rolle spielt.  

 Wie erwähnt ist mit der direkten Verfolgung nach der Entführung des zweite Teil des Buches ein klassischer, damit manchmal auch ein erwarteter Karl May Handlungsverlauf mit einem allerdings weniger seine Überlegenheit zeigenden, sondern allgemein nur betonenden Old Shatterhand, der weit von Karl Mays fast unrealistisch erscheinenden Überhelden entfernt ist. 

 So erschießt er anstatt zu verletzen einen heimlichen Beobachter am Rand des nächtlichen Lagers mit den beiden Indianern. An einer anderen Stelle sind die Verbrecher unwillkürlich schlauer als Old Shatterhand und locken ihn vom Lager weg, obwohl sie im Grunde nicht wissen, dass er da ist. Oder versucht Thomas Ostwald zu implizieren, dass dieser Old Shatterhand teilweise noch so naiv und impulsiv angiert, dass seine Lehrjahre noch vor ihm liegen? Das widerspricht aber dem eher theoretischen Ruf, der noch nicht in den Süden der USA vorgedrungen ist.

 Die zweite Hälfte des Buches besteht aus einer Reihe von solide geschrieben Actionszenen, in denen vor allem gegen die Bande der Bushwackers vorgegangen wird. Auch das bei Gerstäcker so beliebte Flachboot spielt eine kleine Rolle. Aber auch hier lässt Thomas Ostwald um den Plot voranzutreiben einige interessante Ideen wie das Versteck der Viehdiebe -  es wird in einem Plan angedeutet, der Old Shatterhand in die Hände fällt – wieder unter den Tisch fallen zu lassen.

 Das Verhältnis zu den beiden Indianern – ironisch als Krieg und Frieden tituliert – ist eher ambivalent. Old Shatterhand und die beiden ebenfalls auf einer Rachemission befindlichen Indianer sind eher pragmatische Partner mit einem gemeinsamen Ziel als das sich eine echte Freundschaft entwickelt. Old Shatterhand will Klara befreien, der eine der beiden Indianer den schwarz gekleideten Anführer der Gangster töten, der in sein Zelt eingedrungen und seine Frau ebenfalls gestohlen hat.

 Thomas Ostwald zieht gegen Ende des Romans das Tempo deutlich an. Beschreibungen treten in den Hintergrund und phasenweise wirkt „Auf der Spur“ eher wie ein klassischer Western als der mit dynamischen Szenen unterlegte Reiseroman, welcher die Grundlage der ersten Hälfte des Buches bildet.

 Der Autor versucht weniger sich sklavisch an Karl May zu hängen. So fehlen auch bis auf ein oder zwei Ausnahmen die obligatorischen Fußnoten mit Hinweisen auf Karl May und sein Werk. Vorhandene Fußnoten sind überwiegend dazu, verschiedene Begriffe zu erläutern. Wie mehrfach erwähnt ist dieser Old Shatterhand nicht perfekt. Ihm unterlaufen mehrfach Fehler. Das macht ihn menschlicher. Der Hintergrund der allerdings dieses Mal ausgesprochen geradlinigen Geschichte ist deutlich realistischer als bei Karl May, auch wenn Old Shatterhand mehrfach hilfsbereiten Deutschen begegnet. Wenn der Leser bereit ist, sich von Karl Mays mystifizierten Wilden Westen zu lösen und diese neuen Abenteuer eher als geradlinige Westerngeschichten mit historischen Fakten und gut recherchierten Hintergründen angereichert zu akzeptieren, wird er weiterhin kurzweilig gut unterhalten. Wer seinen Karl May sklavisch originalgetreu lesen möchte, muss auf die Bücher aus der Feder des Sachsen zurückgreifen, denn Thomas Ostwald versucht sich  phasenweise mit Exkursen zu Friedrich Gerstäcker erfolgreich an einer durchaus modernen Hommage, aber keiner billigen Kopie.

www.blitz-verlag.de

Band: 02, Abenteuer-Roman
Seiten: 154 Taschenbuch
ISBN: Exklusiv nur im BLITZ-Shop

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