The Magazine of Fantasy and Science Fiction 07/08 2017

The Magazine of Fantasy and Science Fiction, Titelbild, Rezension
C.C. Finlay (Hrsg.)

 Mit einer Science Fiction Geschichte "In a Wide Sky, Hidden" von William Ledbetter eröffnet C.C. Finlay die Spätsommer/ Herbst Ausgabe des Jahres 2017. In einer fernen Zukunft haben die meisten Menschen das Interesse an der Erkdungung des Raums durch ein Transmitterähnliches System verloren. Der Erzähler sucht nach seiner Schwester, welche als einer der letzten Menschen dieser Faszination noch erlegen ist.

Die grundlegende Prämisse mit der "müden" Menschheit und den Motivationsversuchen des Schwester ist emotional ansprechend und stimmungsvoll ausgelegt. Je mehr der Erzähler aber aus der intimen Nähe den Blick auf die menschliche Zivilisation per se richtet, desto fragwürdiger werden die Ideen. Relative Unsterblichkeit und trotzdem der Drang, sich fortzupflanzen. Ein Mensch muss erst eine Welt in dieser technischen Zukunft betreten, um festzustellen, ob sie bewohnbar oder bewohnt ist? Das wirkt unglaubwürdig. Genau wie der abschließende Motivationsschub und die Art, wie sich seine Schwester vor ihm versteckt hat, zeigt eher auf, dass sie gar nicht gefunden werden wollte. 

  In der Ausgabe finden sich einige Fantasy bzw. Weird Geschichten. Zu Ihnen gehört als unabhängiger Teil einer neuen Romantrilogie die Geschichte "The Masochist´s Asstant" von Auston Habershaw. Die Romanfigur Georges hilft in einer an das romanische Frankreich erinnernden Parallelwelt  ihrem Zauberherrn, sich mittels absurder Folter gegen alle Formen des Todes zu wappnen. Georges selbst möchte am liebsten den Dienst verlassen und in die feine Gesellschaft eintreten, was nur mittels eines gewagten, rückblickend auf eher logischen als überraschenden Bluffs erfolgen kann.

Dabei spielt es weniger eine Rolle, ob Georges von den Hintergründen gewusst hat oder nicht. Diese Position wird im unterhaltsam geschriebenen Texte inklusiv des den Kreis wieder schließenden Endes nicht sorgfältig genug herausgearbeitet. Master Hugarth ist tatsächlich ein mächtiger Zauberer, der allerdings eher sympathisch und vor allem "menschlich" dargestellt wird. In seinem Fall korrumpiert Macht nicht absolut. Auston Habershwaw nimmt sich viel Zeit, seine Welt auf einer sozial gesellschaftlichen Ebene zu entwickeln, so dass sich der Leser relativ schnell orientieren kann. Zusammengefasst ist es eine erstaunlich lebendige kurzweilige zu lesende klassische Fantasy Geschichte mit einem ausgesprochen stringenten und solide erzählten Plot. 

 Robin Furths "The Bride in Sea- Green Velvet" kann als Weird Fantasy oder Horror angesehen werden. Der Protagonist Sir Henry folgt kurz vor seinem 49. Geburtstag seinen Vorfahren, eine tote Mörderin wieder zu beleben, um sie den dunklen und hungrigen Göttern der See am Fuß seiner Burg zu opfern. Viele Informationen erhält der Leser erst gegen Ende der Geschichte, wobei vor allem eine Sympathieebene zum wichtigsten Charakter fehlt. Der Leser folgt seinen Handlungen inklusiv des wahrscheinlich einmaligen Hang zur Nekromantik, ohne das dessen Motivation bis auf eine Art Familienfluch wirklich herausgearbeitet wird.  Die Details sind unheimlich und gehen gut unter die Haut. In dem Moment, in dem Sie Henry merkt, dass er weniger Täter als Opfer ist, ist es natürlich zu spät, aber die Beschreibung dieser Wandlung ist ausgesprochen überzeugend.

 Zu den bedingt alternativwelttechnischen Fantasy Geschichten gehört “Afiya`s Song“ von Justin C. Key. Es ist die Geschichte der Sklavin Afiya, deren Lieder schließlich die Sklaven in einem vielleicht ein wenig fiktiven, aber unangenehm realistisch beschriebenen Amerika des 19. Jahrhundert zum Aufstand führten. Justin C. key bedient auch einige Klischees mit der Liebesgeschichte zwischen Afiya und dem Sohn des Herren ihrer Mutter. Kaum sind die Beiden  herangewachsen, versucht der Weiße die aufrechte junge Frau zu dominieren. Die Grausamkeiten, welche die Sklavenherren an ihrer schwarzen Ware verüben, sind realistisch beschrieben worden und gehen unter die Haut. Dazwischen finden sich Tagebuchaufzeichnungen eines Soldaten des Bürgerkriegs, der Afiyas späteren Einfluss überdeutlich herausarbeitet und das dunkle, nihilistische, aber auch schockierend realistische Szenario ein wenig erträglicher macht. Mit dieser Story hat sich Justin C. Key als würdiger Nachfolger von Octavia Butler erwiesen, die in einigen ihrer Romane das Schicksal der Farbigen während der Sklaverei ebenfalls eindrucksvolle ohne ins Pathetische oder Kitschige abzuweichen beschrieben hat.

 Ebenfalls als Fantasy Geschichte könnte „An Unearned Death“ von Marissa Lingen durchgehen. Eine alte Frau versucht ihrer Umwelt die Angst vor dem Tod zu nehmen. Im Grunde sucht sie auf eine Art und Weise ihren eigenen Tod nach einem erfüllten Leben, wobei die Autorin sie absichtlich als unnahbar und im Grunde unsympathisch beschreibt, während die Pointe ein wenig kitschig und schmalzig erscheint. Interessant ist, dass die in dieser Ausgabe ebenfalls veröffentlichte Science Fiction Geschichte „I am Not I“ von G.V. Anderson die Idee in eine andere Richtung treibt. Die Erzählerin ist der einzige Mensch in einer von einer fremden Spezis dominierten Welt. Die Menschen werden gejagt und nur mittels einer perfekten, aber immer mehr verfallenden Technik kann sie als Außerirdischer durchgehen. Die Hintergründe beginnend mit dem kleinen Laden, in dem niemand einkaufen geht, und endend mit einer wirklich fremden Kultur sind überzeugend und sehr gut herausgearbeitet. Vor allem weil ihr eigentlicher Plan nicht funktioniert. Interessant ist, dass nicht als einziger Text dieser Ausgabe die fremden wie menschlichen Protagonisten ausgesprochen distanziert und unsympathisch beschrieben worden sind, wobei die Protagonistin dieser Geschichte mit ihren Lügen, ihrer egoistischen Vorgehensweise und vor allem sogar einem Mord alle anderen Figuren negativ überragt. Trotzdem verfolgt der Leser gebannt ihr Schicksal.    

 Technisch ist die Postservice Geschichte „An Obstruction to Delivery“ von Sean Adams keine Herausforderung. Verschiedene Episoden wie Anweisungen aus einer Fibel zusammengestellt und mit humorvollen Anekdoten gewürzt. Allerdings kommt weder Stimmung noch Spannung auf, so dass dieser Text leider insbesondere im Vergleich zu verschiedenen anderen teilweise selbstironisch, sehr unterhaltsamen Geschichten zum Thema „Mail“ sowohl in physischer Form als auch mittels des Internets aus vorgangegangenen Ausgaben qualitativ abfällt.   

 Das Titelbild stammt aus der Geschichte „There was a crooked Man, He flipped a Crooked House“ von David Erik Nelson. Natürlich denkt jeder automatisch an die berühmte Robert A. Heinlein Fantasy Geschichte aus den vierziger Jahren. Beide Texte funktionieren nur, wenn der Leser in erster Linie seiner Phantasie die Sporen gibt und nicht unbedingt auf Logik achtet.

Grundsätzlich ist Robert A. Heinleins Kurzgeschichte deutlich pointierter und zielstrebiger, während Nelsons Texts mit einem sonderbaren Haus beginnt, das Immobilienspekulanten aufgrund seiner verdrehten inneren Struktur ausgesprochen viele Kopfschmerzen bereitet. Die Figuren sind ein wenig selbstironisch gezeichnet und der Handlungsverlauf unabhängig von den absonderlichen Vorkommnissen in diesem nicht nur in sich verdrehten, sondern scheinbar auf den Kopf gestellten zufrieden stellend stringent. Sozialkritik fließt in der Szene ein, in welcher die beiden Handlanger des Spekulanten unabhängig von ihrer teureren Kleidung aufgrund ihrer Hautfarbe von Polizisten drangsaliert werden. Auf der anderen Seite kannte die Polizei dieses seltsame Gebäude seit vielen Jahren, ohne sich durch das Chaos gestört zu fühlen.

 Zu den ganz kurzen Texten gehört Gardner Dozois Tierfabel „A Dog´s Story“, um einen alten Hund, der eines Tages eine Leiche findet. Er macht sich zusammen mit Ratten und Schlangen auf, nicht nur den Mörder zu finden, sondern ihn einer gerechten Strafe zuzuführen. Leider fällt es dem alten Hund Blackie zu leicht, den Täter zu finden, so dass der Spannungsaufbau deutlich unter dieser Vorhersehbarkeit leidet. Spätestens mit Blackies zweiter Begegnung mit der Schlange ist überdeutlich, wie die Geschichte enden wird. 

 Zusammengefasst beginnend mit sehr vielen neuen Namen und einem Fantasy/ Weird / Horror Schwerpunkt kann die Sommerausgabe des „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“  inklusiv eines Abstechers in den Bereich der Poesie überzeugen. Nicht alle Geschichten sind zufrieden stellend aufgebaut oder originell, aber sie gehen ungewöhnliche Wege und kommen zu interessanten Ergebnisse, so dass die Lektüre dieser Geschichten wirklich Spaß macht

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Taschenbuch, 256 Seiten