Kirkasant

Kirkasant, Rezension, Titelbild
Axel Kruse

In seinem viel zu euphorischen Vorwort versucht Uwe Hermann die durchaus vorhandene politische Komponente des neuen Kurzroman Axel Kruses „Kirkasant“ eine aktuelle, in einem Zusammenhang mit der Brexit stehende Note zu verleihen. „Kirkasant“ ist der Auftakt einer wahrscheinlich ganzen Reihe von aufeinander aufbauenden, aber als Episode abgeschlossenen Geschichten um den immer natürlich nicht liquiden Frachtführer Samuel Kors. Dabei greift Axel Kruse im Grunde auf einen klassischen Pulpplot zurück. Der sympathische, ein wenig naive Held – die Figur basiert weniger auf dem Schicksal Han Solos im inzwischen vierten STAR WARS Film, sondern unzähligen Protagonisten des Golden Age der Science Fiction in den dreißiger und vierziger Jahren – will seiner Ex einen Gefallen tun und landet zwischen den Fronten. Mit Improvisation und viel viel Glück kann er zahllosen Gefahren entkommen.

 Betrachtet man den politischen Kontext zu erst, dann ist „Kirkasant“ einer der vielen Planeten zwischen zwei Fronten. Auch hier hat selbst „Star Trek“ in seinen unzähligen Inkarnationen vergleichbare Prämissen geliefert. Auf dem ökonomisch nicht unbedingt fortgeschrittenen, aber angesichts seiner Position eminent wichtigen Planeten soll eine Abstimmung erfolgen, ob man sich dem terranischen Reich oder dem Königreich Derolia anschließt. Die pikante Note ist wahrscheinlich, dass die Erde in diesem Fall eher die Macht des Bösen ist. Die politischen Zwischentöne werden ambivalent beschrieben, aber der Drang, den Planeten egal wie die Abstimmung ausfällt mittels Wahlzetteln oder einer im System stationierten Flotte einzuverleiben, deutet in diese Richtung. Das Königreich Derolia scheint da unabhängig von seiner archaischer wirkenden Regierungsform freundlicher zu sein und sucht auch wieder mehr angedeutet als ausgearbeitet nach einer diplomatischen Lösung, die Kirkasant wie auch Derolia gefallen könnte.

 Auf knapp einhundertzwanzig Seiten kann der Leser keine komplette Ausarbeitung der Problematik erwarten. Axel Kruse beschränkt sich auf eine Reihe von Floskeln beginnend mit einer Antipathie im Grunde allen  Fremden gegenüber. Gegen Ende erweist sich die Furcht vor der Erde und ihrer Tyrannei als Richtung, wobei erstaunlich ist, wie schnell diese Mühlen mahlen. Es bleibt abzuwarten, ob Axel Kruse den ohne Frage politisch relevanten Hintergrund weiter entwickelt oder das Schicksal Kirkasant mit diesem ersten Teil der Serie abgeschlossen ist.

 Über das Königreich Derolia erfährt der Leser ebenfalls nur Bruchstücke. Mit seiner Mischung aus einer alten respektvollen, fast archaischen Kultur, aber auch seinem immer wieder angedeuteten Blick über den Tellerrand hinsichtlich einer progressiven Zusammenarbeit mit anderen Kulturen und Völkern wirkt vieles deutlich dreidimensional und weniger dem zugrunde liegenden Abenteuerplot geschuldet, aber auch hier bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich die Handlung mit „Sylvej“ entwickeln wird. Die im Handlungsbogen auftretenden Derolianer – einige gehören zu der von zahllosen Schicksalsschlägen gebeutelten Reisegruppen – sind sympathischer, zugänglicher und trotz einiger Exkurse in die exotische Etikette auch ambitionierter als jeder einzelne aller menschlichen Charaktere natürlich mit der Ausnahme des Weltenbummlers Samuels Kors mit seiner nicht immer ganz sauberen Vergangenheit.        

 Samuel Kors ist der klassische wie sympathische Verlierer, der mit seinen Frachtflügen nicht selten nur die stehenden Kosten deckt. Seit vielen Jahren hat er sich im Grenzbereich der jeweiligen Reiche herumgetrieben. Im Königreich Derolia gibt es einen Haftbefehl gegen ihn. Er ist nicht mehr der Jüngste und gibt sich wenigen Illusionen hin. Aber in Notsituationen hat er nicht nur das Herz am rechten Fleck, sondern weiß sich auch zu helfen.

 Seine ehemalige Freundin ist eine klassische Opportunistin, die inzwischen auf Kirkasant durch Tourismus Geld verdient. Sie organisiert Ausflüge zu einer fiktiven historischen Stätten. Sie hat Samuel Kors Herz gebrochen. Trotzdem raubt ihr Erscheinen ihm zu Beginn den Atem.

 Er soll als Ersatz für einen ausgefallenen Fahrer eine Gruppe von Touristen bestehend aus Menschen und Gästen aus Derolia, sowie einigen anderen Außerirdischen die nächsten Tage über den Planeten schippern.

 Kaum sind die gestartet, wird der Gleiter von zwei Terranern entführt. Sie zwingen Samuel Kors, eine neue Route zu programmieren. Ihre Motive bleiben zunächst im Dunkel. Als sich Kors wehrt, wird der Gleiter schwer beschädigt und stürzt über einen unwirtlichen bewaldeten Gebiete ab. Alan Dean Fosters „Die denkenden Wälder“ lassen angesichts der Dimensionen der Natur grüßen.

 Ohne in die weiteren Details zu gehen, stellt sich ein Mitglied der Gruppe als jemand anders heraus. Auch seine Begleiter wissen mehr als die offenbart haben. Samuel Kors entschließt sich, mit den Überlebenden sich zum Fluss durchzuschlagen, in der Hoffnung, so das Meer und vielleicht einige Dörfer zu erreichen.

 Positiv sind in diesem auf den ersten Blick bekannten, klassischen und nicht selten auch zu einem Klischee werdenden Stoff zwei Punkte. Samuel Kors ist nicht selten auf die ganze Gruppe angewiesen. Nicht jede Gefahr kann mühelos bewältigt werden und es sterben unterwegs eine Reihe von durchaus dreidimensionalen Charakteren und nicht die für Katastrophenstoffe so gerne genommenen eindimensionalen Randfiguren.

 Seine Ex wird nicht seine neue Freundin. Ohne zu viel zu verraten, sucht sie sich nicht nur einen anderen Freund, sondern sieht auch die Chance, sich in dessen einflussreicher Familie festzusetzen. Ausreichend Stoff für die angesprochenen Fortsetzungen.

 Die Herausforderungen der Odyssee nehmen den Mittelteil des Buches ein. Sie sind spannend und abwechselungsreich beschrieben worden. Kirkasant ist in dieser Hinsicht eine ohne Frage abwechselungsreiche Welt und Axel Kruse greift sogar auf extrapolierte Ideen zurück, die ein wenig verändert schon die populäre Zeichentrickserie um die Biene Maja so belebt haben. Damit soll nicht gesagt werden, dass „Kirkasant“ ein langweiliges Buch ist. Da die Hintergründe wie die politische Situation ein wenig zu eindimensional angesichts des vorhandenen Potentials entwickelt worden sind, konzentriert sich der Autor auf den Abenteuerplot und fügt eine Herausforderung an die Nächste.

 Im letzten Drittel des Buches versucht der Autor aber zu viele Probleme teilweise auf eine viel zu einfache Art und Weise zu regeln. Insbesondere der letzte Abschnitt der Flucht wirkt wie eine Mischung aus zu vielen bekannten Pulpgeschichten und Anspielungen auf einige populäre Filme als das er gänzlich zufrieden stellen kann.

 Diese Mischung funktioniert und mit dem stetig seine Pläne ändernden Samuel Kors auf der verzweifelten Suche nach einem Weg, sein auf dem Raumhafen festgesetztes Schiff zu befreien hat Axel Kruse ebenfalls aus bekannten Ideen und Versatzstücken einen wie eingangs erwähnt durchaus zugänglichen und bodenständig interessanten Charakter zusammengebaut, der für einige zu vertraute Abschnitte entschädigt.

 „Kirkasant“ ist ein rasantes Abenteuer. Nicht ganz so frech wie Matthias Falkes Wikinger im All in den Romanen um den „Terraformer“, aber nicht minder unterhaltend. Die Dialoge sind teilweise doppeldeutig und pointiert. Zusätzlich ist „Kirkasant“ auch ein interessanter Planet, der sich von einer Reihe von Seiten zeigt, die Samuel Kors auf seinen Jahre zurückliegenden Aufenthalten in dieser Form noch nicht kennen gelernt hat. Er hat also gegenüber dem Leser keinen Vorteil.  

Titelbild: Lothar Bauer
Atlantis Verlag
Paperback, ca. 120 Seiten,
ISBN 978-3-86402-519-8.