Krieg der Welten Band 2

Krieg der Welten, Comic, Band 2, Titelbild
Dobbs / Vicente Cifuentes

Obwohl auf den ersten Blick H. G. Wells „War of the Worlds“ umfangtechnisch nicht „dicker“ als zum Beispiel „The Island of Dr. Moreau“ oder „The Invisible Man“ ist, hat sich der Comicautor Dobbs mit seinem Zeichner Vicente Cifuentes dazu entschlossen, das populärste Werk des britischen Science Fiction Autoren als Doppelband im Gegensatz zu den als einzelne Alben veröffentlichten anderen Bände dieses thematischen Wells Comicsechsteiler zu veröffentlichen.

 Am Ende des zweiten Albums lüftet Dobbs wie H.G. Wells das Geheimnis des lange Strecke gehetzten jungen Protagonisten, der in erster Linie in dem Chaos der marsianischen Angriffe seine Familie wieder finden möchte. Es ist der Erzähler, der sich nach dem bekannten wie glücklosen, von Dobbs aber sehr viel eindrucksvoller als bei George Pal dargestellten Niedergang der Marsianer an eine Schreibmaschine setzt, um diese Geschichte als Mahnung/ Warnung an die Welt zu verfassen. Dobbs fügt aber noch eine interessante Note hinzu. Während die meisten Menschen der Meinung sind, dass die Marsianer nach der überraschenden Niederlage erst einmal ihre Wunden lecken und ihre Fehler analysieren müssen, zweifelt der Erzähler keine Sekunde daran, dass irgendwann der Expansionsdrang der Menschen sie in die andere Richtung, zum roten Planeten und damit einer weiteren kriegerischen Auseinandersetzung allerdings auf „Feindesland“ führen wird. Mit dieser optimistischen zweiten Botschaft wird der nihilistische Ton, die Warnung H.G. Wells vor einem totalen Krieg mit schrecklichen Massenvernichtungswaffen – sowohl gepanzerte Fahrzeuge als auch Giftgas werden im Ersten Weltkrieg zum ersten Mal eingesetzt – unterminiert.

 Wie bei H.G. Wells ist die Hoffnung auf ein göttliches Eingreifen ein zweischneidiges Schwert. Eines der letzten Opfer ist ein Pastor, der dem Marsianer die Bibel entgegenreckt, bevor er im Todesstrahl verbrennt. Auf der anderen Seite sehen viele Menschen im Eingreifen der „Bakterien“ – die Marsianer sterben mit roten Pusteln übersät nicht nur, aber auch an Plätzen, die an gigantische Elefantenfriedhöfe nur mit den Invasoren erinnern – auch einen Hinweis Gottes, das der Mensch als Höhepunkt der Schöpfung sehr viel „wehrhafter“ ist als das er es selbst glauben möchte. Es ist eine ambivalente Botschaft, die am Ende dieses zweiten Albums steht.

 Da die Geschichte mittendrin einsetzt und es sich um keinen zweiten Teil einer Serie, sondern „nur“ die zweite Hälfte eines Doppelalbums handelt, können Dobbs und Cifuentes das Tempo hoch halten. Die Marsianer haben im Grunde gesiegt. Die grausamen Szenen mit tausenden von Toten, Angriffen auf Zivilisten und die Vernichtung ganzer militärischer Einheiten werden noch durch die Idee gesteigert, dass die Menschen quasi als eine Art Energieträger, ein Nahrung dienen. Sie werden in die gigantische Dreibeine gehoben und dort förmlich ausgesaugt. Die Körper werden achtlos auf den Boden geworfen. Jahrzehnte später werden Colin Wilson und Tobe Hopper in der literarischen Vorlage bzw. dem Film „Lifeforce“ diese Idee noch einmal ins Gigantische steigern. George Pal hat auf derartige, in den fünfziger Jahren auch aufgrund der Zensur nicht umsetzbare Extremitäten verzichtet. Auch im vorliegenden zweiten Teil wirken diese wenigen Szenen fast wie eine Art Overkill, eine nicht notwendige Übertreibung. Sehr viel effektiver und eindrucksvoller ist die stumme Vernichtung der Menschen auf der Flucht, wie sie die Szene an der Brücke und im Fluss gezeigt haben. Weniger wäre vielleicht wäre gewesen. Vor allem vermenschlicht diese Situation die bis dahin absolut fremden Marsianer. Sie wirken plötzlich wie der nächste Schritt in der Evolutionskette.

 Unter geht die Idee, das die Marsianer die Erde verändern wollen. Der Protagonist marschiert über eine rote, grasähnliche Substanz, die im Gefolge der Dreibeine auf dem Boden wächst. Es ist schade, dass diese interessanten Aspekte während der finalen Auseinandersetzung, die wie in George Pals Film als auch Wells Roman natürlich in dem Augenblick endet, in dem der Protagonist als Identifikationsfigur des Lesers gestellt worden ist. Im Kino der heutigen Zeit könnte der Zuschauer von einem klassischen Klischee sprechen, aber der Vorlage getreu setzt Dobbs nur die Ideen des Briten sehr überzeugend um.

 Der Epilog ist fast ein wenig zu lang und zu kitschig geraten. Mit der Familienzusammenführung natürlich im unversehrt gebliebenen eigenen Haus endet diese Achterbahnfahrt, die vor allem dank der sehr realistischen, perspektivisch einfallsfallsreichen und von Matteo Vatani farbtechnisch mit einer sehr überzeugenden Breite ergänzten Zeichnungen nicht nur zeitlos erscheint, sondern die sehr populistisch bekannte, aber im Details fast in Vergessenheit geratene Vorlage H.G. Wells einer neuen Comiclesergeneration erschließen wird. Im direkten Vergleich zu verschiedenen anderen Comicadaptionen, die wie in den illustrierten Klassikern vor allem H.G. Wells zugrunde liegenden Text bebildert, aber nicht interpretiert haben, renovierte Dobbs mit sehr viel Respekt vor der Vorlage das Szenario und erzählte es trotzdem vor dem historischen Hintergrund im Gegensatz zu den beiden Kinoadaptionen vorlagengetreu wie spannend.

 Im Gegensatz zu „Die Zeitmaschine“, die aufgrund der zu starken Zusammenfassung in einem Album ihr Potential nicht gänzlich entfalten kann, überzeugt „Der Krieg der Welten“ als Ganzes betrachtet durch die Nutzung der erzählerischen Tiefe deutlich mehr und gehört zu den besten direkten Comicadaptionen eines H.G. Wells Romans. Das die Ideen des Briten in viele inoffizielle Kopien, Würdigungen oder interessant umgesetzte Raubkopien eingeflossen sind, steht auf einem gänzlich anderen Blatt.         

  • Gebundene Ausgabe: 56 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1 (1. Oktober 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 395839504X
  • ISBN-13: 978-3958395046
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 16 Jahren
  • Originaltitel: H.G. Wells
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