The Bigger They Come

The bigger they come, Titelbild, Rezension
Erle Stanley Gardner

 “The Bigger They Come” ist der erste von lange Zeit neunundzwanzig Krimins um das Duo Bertha Cool und Donald Lam, welche Erle Stanley Gardner unter dem Pseudonym A.A. Fair über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren geschrieben hat. Vor einigen Jahren publizierte Hard Case Crime den ursprünglich als zweiten Band der Reihe vorgesehenen Roman, den Gardners Verleger als zu provokativ abgelehnt hat.

 Viele Strukturen der ganzen Serie hat der Autor schon in diesem interessanten, teilweise auch an „Perry Mason“ erinnernden Roman entwickelt. Bertha Cool ist die gewichtige Chefin ihrer eigenen Detektei, welche sie nach dem Tod ihres Mannes gegründet hat. In wenigen Zügen erläutert sie ihrem neuen Angestellten Donald Lam ihre pragmatische Lebenseinstellung. Donald Lam ist ein ehemaliger Jura Student, der dem falschen Mann einen Tip gegeben hat, wie er einen perfekten Mord begehen kann. Interessant ist, dass Donald Lam diese in den dreißiger Jahren noch anwendbare Methode später nutzt, um seine eigene potentielle neue Freundin vom Verdacht des heimtückischen Mordes nicht nur freizusprechen, sondern ihr eine Carte Blanche auszustellen, in dem Donald Lam selbst den Mord an einem Verbrecher gesteht, aber aufgrund der komplizierten Gesetze zwischen den Bundesstaaten nicht belangt werden kann.

 Auf dem langen Weg zu diesem furiosen Finale lernt der Leser erst einmal Donald Lam kennen. Abgebrannt ist der Job bei Bertha Cool im Grunde seine letzte Chance. Nur belügt er seine neue Chefin, in dem er sich anders darstellt als es den Tatsachen entspricht. Auf den ersten Seiten hat Erle Stanley Gardner so die Möglichkeit, Bertha Cool als eine Frau mit Prinzipien zu etablieren, die aber nicht selten ihren Instinkten vertraut und zwischen Recht sowie Gerechtigkeit unterscheiden kann. „The Bigger they Come” ist nicht der einzige Roman dieser interessanten Reihe, in dem das eigentliche Verbrechen nicht bestraft wird oder von der Justiz geahndet werden kann. In keinem der Bücher ist das potentielle Opfer aber unschuldig, so dass die strengen Gesetze des moralischen Kriminalromans im Gegensatz zur Anarchie des Hardboiled Thrillers nicht verletzt werden.

 Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich in dieser Hinsicht der Plot bewegt, aber Gardner sucht für seine Protagonisten in einer Gesellschaft ihren Platz, in dem der lange Arm der Polizei seine Effektivität verloren hat. Der Polizei bleibt es nicht nur in diesem Buch überlassen, die Reste aufzusammeln und die Akte zu schließen, während Donald Lam mit seinem Lücken in den Gesetzen aufspürenden Instinkten sowie einem feinen Gespür für die Hindergründe – in dieser Hinsicht erinnert sehr stark an eine junge, aktive Version von „Nero Wolfe“ und weniger an „Perry Mason“, den Gardner ebenfalls erschaffen sollte – trotz seiner manchmal störenden Impulsivität zumindest die roten Fäden sucht, findet und schließlich die abschließende Überführung des oder der Täter in die Wege leitet.

 Bertha Cool dient dabei als eine Art ausgleichendes Element. Erst nach sechs oder sieben Abenteuer wird Donald Lam ein gleichberechtigter Partner, auch wenn Bertha Cool von der neuen Popularität durch den juristischen Husarenstreich ihres gerade wenige Tage angestellten Mitarbeiters berühmt wird und sie sich neue Aufträge erhofft. Nicht selten taucht sie wie im vorliegenden Band immer wieder zwischen den einzelnen Ereignissen auf, kommentiert das Geschehen und fängt Donald Lam mit einer fast mütterlichen, behütenden, aber nicht erdrückenden Art und Weise wieder ein. Dabei steht ihr spröder, auf den ersten Blick abweisender Charakter nur bedingt der sehr guten Zusammenarbeit im Wege.

Bezeichnend für die ganze Reihe ist, dass Erle Stanley Gardner eher klassische Detektivfälle als Ausgangspunkt seiner Geschichten nimmt und Mord oft vorkommt, aber nur als Ausgangspunkt der übernommenen Fälle gilt.

 Zu Beginn soll Donald Lam im Grunde nur Scheidungspapiere überbringen und bestätigen, dass der Ehemann sie erhalten hat. Es gibt aber zwei grundsätzliche Probleme. Der Ehemann ist Mitglied einer Organisation, welche die Einarmigen Banditen unterhält und es läuft eine Anklage wegen organisierten Verbrechens gegen ihn. Das zweite Problem ist, dass die Ehefrau nicht nur keine Unschuld vom Lande ist, sondern vor allem auch in der Scheidungsvereinbarung den Zugang zu allen Schließfächern haben will, die auf ihren Namen lauten. Und in den Schließfächern befindet sich eine unbekannte Summe von natürlich unversteuerten Geld. Initiator des Auftrags ist nicht nur die Ehefrau, ihre beste Freundin ist ebenfalls involviert. Und in diese Frau verliebt sich Donald Lam.

 Die erste Hälfte des Romans besteht aus der Übergabe der Dokumente. Dazu muss Lam den Ehemann erst einmal finden und in ein Hotel bringen, in welchem er schließlich mit dem Telegrammbotentrick die Dokumente überbringen kann. Erle Stanley Gardner entwickelt nach einer kurzen Vorstellung der Protagonisten Bertha Cool und Donald Lam einen flotten Garn, wobei die Position vor allem der Freundin eher ambivalent dargestellt wird und einige der ausgelegten roten Fäden am Ende während Lams falltechnischer Zusammenfassung – diese Vorgehensweise wird sich zu einem Standard der ganzen Serie entwickeln – stark konstruiert zusammengefasst werden.

 Der Leser hat den Eindruck, als wenn Lam nicht nur von einer Frau, sondern den beiden Freundinnen manipuliert wird. Ob es Zufall oder Absicht ist steht auf einem anderen Blatt, aber einige Ansätze könnten auch zu einem umfangreicheren Plan gehören und es macht sich gegen Ende ein wenig Enttäuschung breit, wenn die Schurken wirklich die Bösen sind und die naiv Guten keine weiteren Hintergedanken haben.

 Der erste Auftrag ist erfolgreich nach der Hälfte des Romans abgeschlossen. Bertha Cool hat ihre Gage kassiert und Lam könnte sich neuen Aufgaben widmen. Mit dem Tod des Ehemanns – er wird angeblich beim Einbruch in sein eigenes Hotelzimmer hinterrücks erschossen – beginnt der zweite Handlungsbogen, in welchem passend zum ersten Vorstellungskapitel Donald Lam seine Idee vom perfekten in diesem Fall aber so nicht begangenen Verbrechen und einer fehlenden Möglichkeit, einen die Bundesstaaten in der beschriebenen Form überschreitenden Täter zu bestrafen, stringent wie provokativ umsetzt.

 Für Donald Lam schließt sich dadurch ein Kreis, da er genau diese Idee als Auslöser zum Lizenzentzug Bertha Cool eher widerwillig mitteilen musste. In diesen ersten Kapiteln geht Erle Stanley Gardner nicht auf die obligatorischen Details ein, aber es wirkt stark konstruiert, wenn sie am Ende aus dem Nichts heraus und vor allem ohne eine entsprechend aufgebaute Chemie zwischen Täterin und dem verliebten Detektiv umgesetzt werden kann.

 Eine weitere Frage lässt Erle Stanley Gardner offen. Dass das Organisierte Verbrechen den leichtsinnigen Umgang mit ihren Einnahmen so einfach hinnimmt, scheint unwahrscheinlich, so dass dieses potentielle Happy End eher bemüht erscheint. Unabhängig von diesen kleineren Schwächen ist „The Bigger they Come“ vor allem für einen Roman aus den späten dreißiger Jahren mit der ungewöhnlichen Konstruktion einer selbstbewussten, fast arroganten Frau wie Bertha Cool als Chefin und dem attraktiven intelligenten improvisierenden Laufburschen Donald Lam ungewöhnlich.

 Auch die Struktur der zukünftigen Fälle mit einer Art Dominoeffekt lässt sich an diesem ersten, interessant konstruierten und sehr spannenden Fall gut ablesen. Es ist nicht unbedingt notwendig, die jetzt dreißig Cool & Lam in der richtigen Reihenfolge zu lesen, wobei es neben diesem obligatorischen Auftaktroman mit dem Fall, der schließlich zu einer gleichberechtigten Partnerschaft führt, zwei Eckpfeiler in der Serie gibt, die zum entsprechenden Zeitpunkt auch gelesen werden sollten.

 Die restlichen Abenteuer sind entweder austauschbar oder es gibt ausreichend Hinweise auf vorangegangene Fälle, deren Schatten noch aktuell sind. Lesenswert und als Alternative zu den bekannten Serien um Hercule Poriot oder vor allem Nero Wolfe, sowie Erle Stanley Gardners Perry Mason auf jeden Fall alleine wegen Bertha Cool mit ihrer besonders herzlichen Art zu empfehlen.      

  • Paperback 172 Seiten
  • Publisher: Pocket Books (1971)
  • Language: English
  • ASIN: B000MZTHMU
  • Package Dimensions: 7 x
Kategorie: