Perry Rhodan Planetenromane 85/86 "Odyssee in M87" / "Schach den Cantaro"

Perry Rhodan Planetenroman 85/86, Titelbild, Rezension
Hubert Haensel

Die zwei von Hubert Haensel verfassten Romane „Odyssee in M 87“ und „ Schach den Cantaro“ stammen aus zeitlich weiter auseinander liegenden Abschnitten der Serie.  Was sie aber verbindet ist wie Rainer Nagel in seinen Nachwörtern auch herausarbeitet die minutiöse, aber auch phantastische Aufarbeitung von roten Fäden der Hauptserie, die irgendwann in  den Zyklen verloren gegangen sind.

Bei „Odyssee in M87“ geht es sogar soweit, dass Hubert Haensels Roman mit der entsprechenden Schlusssequenz der Haupthandlung einsetzt. Ergänzend findet sich noch zu Beginn des „Planetenromans“ eine konzentrierte Zusammenfassung der Ereignisse des Dreihundert Zyklus, der qualitativ ungerechtfertigt lange Zeit im Schatten der „MDIs“ gestanden hat.  Hubert Haensel nimmt den Faden des Schicksals der Korvette KC- 21 unter dem Kommando Major Tschai Kulus wieder auf.  Die Besatzung ist in der Heftromanserie mit einer unheilbaren wie tödlichen Krankheit  während einer Mission infiziert worden. Man beschließt, den Freitod in einer nahen Sonne zu suchen, um dem langsamen Sterben zu entgehen.

Mit einer rührend ein wenig pathetisch geschriebenen Szene endet folgerichtig der Heftroman und der Leser muss davon ausgehen, dass die Besatzung ums Leben gekommen ist.   Hubert Haensel muss also eine eigenständige Handlung entwickeln, in deren Verlauf es ja kein Zurück in die Heftromanserie gibt. Der Linearflug in die Sonne wird aus der Mannschaft unbekannten Gründen unterbrochen und das Schiff wird von einer Flotte der Mooghs aufgebracht. Auf einem Geheimplaneten werden die Terraner auf der einen Seite brutal verhört, was in einigen psychedelisch anmutenden Szenen gipfelt und auf der anderen Seite von der Infektion geheilt. Es gibt aber nur acht Überlebende.

Hubert Haensel entwickelt den Plot anschließend auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen weiter. Auf der einen Seite haben die Mooghs die Menschen so manipuliert, dass sie in den Bestien ein gehetztes Volk sehen, das von den anderen in M 87 lebenden Stämmen gnadenlos und vordergründig ohne Anlass gejagt wird. Da der Psychologe Don Masters als einer der acht Überlebenden nicht geistig manipuliert worden ist, säht dieser entsprechende Zweifel in den Köpfen seiner Kollegen, ohne das es anfänglich nachhaltige Konsequenzen hat.

Viel interessanter ist die erste Mission, zu welcher die Bestien die Menschen ausschicken und durch deren Hintergrund die Geiselnahme inklusiv der entsprechenden Manipulation Sinn macht.   Neben dem auf Seiten der Mooghs vorhandenen Gerät, das Linearflüge unterbrechen kann, verfügen die Konstrukteure des Zentrums anscheinend über eine Art Radar, das auf die Zellkernstrahlung der Bestien reagiert und quasi auch als eine Art Frühwarnsystem fungieren kann.  Die Mooghs wollen im zweiten Schritt die Konstrukteure des Zentrums mit dieser Auktion auf Perry Rhodan und die CREST IV hetzen. 

Es folgt die im wahrsten Sinne des Wortes im Titel angesprochene  Odyssee. Die Besatzung der Korvette agiert dabei an verschiedenen Brennpunkten entweder lange Zeit an Bord des eigenen Schiffs oder die beiden zurück gebliebenen Geiseln werden von den Mooghs eingesetzt, um andere Ziele zu erreichen.

Der Bann bei den an Bord der Korvette befindlichen Terranern wird durch Don Masters vielleicht zu einfach gebrochen und die auch die folgende Abweichung während der Linearflüge durch ein seltsames Fremdwesen scheint zu überdreht.  Hubert Haensel hätte sich vielleicht auf eine Idee konzentrieren sollen, denn bislang waren die Linearflüge ja relativ „sicher“, auch wenn die zweite Art der Beeinflussung über  die Bedienungselemente und weniger direkt während des Fluges erfolgt.

In der zweiten Hälfte des Romans konzentriert sich der Autor auf eine Reihe von Actionszenen vor exotischen Hintergründen wie einer Wasserwelt sowie die Rettung einer geheimnisvollen Jinguisem namens Chiaj- Am, die mittelbar auch für versalzenen Kaffee an Bord zuständig ist.  Im Nacken haben die Menschen vor allem die Dumfries sowie abschließend die Mooghs.  Der Leser sollte zumindest über ein über die Zusammenfassung hinaus reichendes Wissen des „M 87“ Zyklus verfügen, um die kleinen Anspielungen sowie die minutiöse Integration dieser Geschichte in das Perry Rhodan Universum gebührend anzuerkennen. Manchmal hat Hubert Haensel den Einbau seiner von persönlichen Opfern geprägten Geschichten einer Handvoll im Grunde schon „toter“ Terraner zu Lasten verschiedener Informationen in den Hintergrund gestellt und jetzt buchstäblich zu hektisch von einem Szenario zum Anderen. Einige Nebenkriegsschauplätze sind nicht unbedingt notwendig. Sie wirken an keiner Stelle wie Füllmaterial, sie haben aber den Nachteil, das andere gewichtigere Szenen fast in diesem sehr langen Planetenroman zu kurz kommen und der ganze Roman überambitioniert und sowie gedrängt erscheint. Damit wird auch das tragische Ende aus der Erstauflage ein wenig überfahren, zumal Hubert Haensel vielleicht als geplante Grundlage weiterer Abenteuer auch diesen Roman auf der zwischenmenschlichen Ebene sehr offen gestaltet hat.

Vor allem aus heutiger Sicht ist der Roman noch in einer anderen Hinsicht interessant. Im Zeitraffer zeigt Hubert Haensel noch einmal die einzelnen Facetten des dreihunderter Zyklus aus der ungewohnten Perspektive der einfachen Raumsoldaten auf und lädt dazu ein, die einhundert Heftromane noch einmal zu lesen. 

Die Ausgangsprämisse des zweiten hier gesammelten Planetenromans „Schach den Cantaro“ hat einen alten Hut. Tarni Perst hat im Kälteschlaf versucht, die kriegerischen Zeitalter zu überdauern.Ihr Vater ist im Zuge der Tarkan Expedition verschollen. Zusammen mit ihrer Mutter schlief sie an Bord des alten, umgebauten Frachters „Peace Loving II“ . Keine neue Idee für die Science Fiction. Das Auftauchen ist nicht nur mit Tücken verbunden, nicht selten wachen in diesem Subgenre die Charaktere in einer Umgebung auf, die in keinster Weise ihre Träumen/ Erwartungen oder Hoffnungen entspricht.

Insbesondere an Bord von Generationenraumschiffen kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu. Entweder besteht eine Bedrohung von außen oder die Technik funktioniert nicht. Hubert Haensel nutzt alternierend beide Grundideen. An Bord des Frachters ist es zu schweren Funktionsstörungen gekommen, so dass viele der Schläfer während des Einfrierens gestorben sind. Tarni ist anfänglich auf sich alleine gestellt und muss erst einmal wenigstens die rudimentärsten Überlebenssysteme wieder herstellen. Im Laufe ihrer Aktionen kann sie weitere Schläfer wecken.

Das Raumschiff verfügt über keinen funktionierenden Hyperfunk mehr, da ein Asteroid wichtige Elemente der Technik zerstört hat. Eine Space Yet der Organisation Widder findet das im All treibende Raumschiff und die kleine Besatzung kann die Gestrandeten zumindest über die Tatsache informieren, dass sie vom Regen durch die Isolation der Milchstraße sowie der Herrschaft der Cantaro in die Traufe gefallen sind. Die Schläfer wollten zumindest den Folgen des Hundertjährigen Krieges entkommen.

 Bevor Tarni sich entschließen kann, ebenfalls der Widerstandsorganisation Widder beizutreten, taucht ein Schiff der Cantaro auf und nimmt sie zusammen mit einigen anderen Schläfern gefangen.

 Die Stärke des vorliegenden Romans liegt in der stringenten und stark positiv gesprochen konstruierten Handlungsführung, welche die angesprochenen Klischees durch das hohe Tempo einfach mitnimmt. Hubert Haensel ist sich bewusst, dass er zumindest im ersten Drittel des Romans keine neue Geschichte erzählt, sondern Versatzstücke nutzt, um in der zweiten Hälfte der Story vor dem Hintergrund der Cantaro Bedrohung eine spannende, abenteuerliche Story zu entwickeln, die vor allem mit der überzeugenden Hauptperson Tarni steht und fällt. Grundsätzlich – nur ein Unsterblicher tritt allerdings unter einer Maske auf – verzichtet Hubert Haensel auf die Eckpfeiler der Erstauflage und füllt sich so auch bedeutend freier hinsichtlich der Charakterisierung der handelnden Personen. Auch im ersten Band „Odyssee in M 87“ konzentrierte sich der Autor auf Nebenfiguren der nicht gesprochen zweiten Garnitur, aber der Plot fügte sich enger in das Korsett des Zyklus „M 87“ ein, während Hubert Haensel in „Schach den Cantaro“ wirklich ein eigenständiges Szenario entwickelt.

 Anfänglich vom Friedensgedanken beseelt muss Tarni auch eine innere Wandlung durchlaufen. Leicht fällt es ihr, da die Cantaro“ sie verhaften und auch mittels psychischer Beeinflussung verhören. Ein Element, das Hubert Haensel auch in „Odyssee in M 87“ mehrfach mittels unterschiedlicher außerirdischer Fraktionen eingesetzt hat. Auch hier machen die Cantaro Tarni zu ihrem Werkzeug, um bestimmte Zwecke zu erfüllen. Dieser Aspekt zieht sich auch wie ein roter Faden durch „Odyssee in M 87“, wobei die Sprunghaftigkeit der Ideen im ersten der hier gesammelten Planetenromane diese Vorhersehbarkeit ein wenig relativiert. Hinsichtlich der Zuchtprogramme der Cantaro geht Hubert Haensel in die Details und entwickelt eine Furchterregende Version von gezüchteten Mutanten mit besonderen Fähigkeiten, welche den Widerstand der Menschheit brechen könnten. Ein wenig konstruiert erscheint, wie schnell diese Züchtungen auf Tarni reagieren und wie stark sie diese Frau gegen ihre Unterdrücker unterstützen. Unabhängig von dieser konstruierten Wendung zieht sich die anschließende Flucht Tarnis über mehrere Welten, deren individuellen Charakter Hubert Haensel phantasievoll, aber trotzdem nachvollziehbar herausarbeitet.

Das in mancher Hinsicht auch ein wenig zynische Ende widerspricht so stark Tarnis anfänglicher Einstellung, dass eine emotionale Reflektion dem vorliegenden Roman mehr Tiefe gegeben hätte. Da Tarni aber wie in fast allen Situationen des vorliegenden Buches keine Chance hat, wirklich aktiv zu agieren, sondern ausschließlich reagieren muss, bleibt Hubert Haensel an der Oberfläche.

Im Gegensatz zu „Odyssee in M 87“, der wie ein Zeitraffer wichtiger Aspekte des zugrunde liegenden Zyklus erschienen ist, überzeugt „Schach den Cantaro“ als den Zyklus begleitende Geschichte mit einer interessanten Protagonisten und vor allem einem in der zweiten Romanhälfte überzeugend entwickelten originellen Plot, während der Auftakt mit einem verständnisvollen Nicken als bekannt und sprungbretttechnisch notwendig angesehen werden muss.

 „Odysee in M 87“ und „Schach den Cantaro“ unterstreichen noch einmal eindrucksvoll und nachdrücklich wie von Rainer Nagel in seinen Nachwörtern herausgearbeitet, dass Hubert Haensel vor allem als inhaltlicher Lückenfüller der Hauptserie in seinen zahlreichen Taschenbüchern das Bekannte genommen und geschickt, spannend und immer sehr gut in die Vorlage eingepasst extrapoliert hat. 

        

www.zaubermond.de

Taschenbuch, 356 Seiten

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