Forever Magazine 39

Forever Magazine 39, Neil Clarke, Cover
Neil Clarke (Hrsg.)

In der April Ausgabe von "Forever Magazine" werden drei Geschichten mit vergleichbaren Längen präsentiert. Die Variation zwischen Kurzgeschichten und Kurzromanen wie in der März  Nummer und drei Novellen aus dem April ermöglicht es Neil Clarke, auf einen größeren Fundes an Material zurückzugreifen, auch wenn es manchmal schön wäre, Geschichten nachzudrucken, die nicht unbedingt in die jeweiligen "Year´s Best" Anthologien aufgenommen worden sind. 

 Tobias Buckells "Stochasticcity" - die Schreibweise weicht im "Forever Magazine"von der ursprünglichen Veröffentlichung leicht ab -  ist der zweite Beitrag zu einer vor vielen Jahren veröffentlichten, empfehlenswerten Anthologie "Metatropolis".  Die Hintergrundszenarien der Antholgie sind in der ersten Geschichte entwickelt worden, so dass Tobias Buckell  den Leser aus dem Nichts aus in ein postapokalyptisches Detroit wirft.  Eine private Sicherheitsfirma namens Edgewater versucht für die überforderten Politiker unter Kontrolle zu halten, während  auch durch den Niedergang ein Bürgerkrieg droht.  Reginald ist nicht nur Rausschmeißer in einer Bar, der sich mit einer besonderen Methode des gesicherten Transports von Päcken abseits der normalen Wege ein Nebeneinkommen sichert.  Natürlich geht eine dieser Missionen schief und Reginald landet im Gefängnis. Ein Anwalt holt ihn auf Kaution raus, teilt ihm aber gleichzeitig mit, das er für seinen Auftrag nicht bezahlt wird.  

Also macht er sich auf die Suche nach den ihm natürlich unbekannten Auftraggebern.

Mit dieser Mission hat Buckell auch ein inhaltliches Alibi, um möglichst viel der immer mehr zerfallenen ehemaligen Autostadt Detroit zu zeigen. Reginald ist ein dreidimensionaler Charakter, der mit seinen Ecken und Kanten den Leser anspricht.  Negativ ist,  dass Buckell aber die anfängliche Distanz an keiner Stelle nachhaltig genug überwindet und quasi stellvertretend auf den Zuschauer zugeht, um die Sympathieebene zu intensiveren. Natürlich ist Reginald aufs Kreuz gelegt worden, aber seine Auftraggeber haben ihn nicht im Gefängnis sitzen lassen.  Ob Reginald sich während der Mission vertragsgemäß verhalten hat, wird an keiner Stelle  erklärt, so dass hintergrundtechnisch auch einige Fragen offen bleiben. 

In der Mitte übernimmt eine fast pervers erscheinende Logik den Plot.  Eine Gruppe von radikalen Umweltschützern will nach dem Zusammenbruch der Autoproduktion in Detroit  generell Autos aus der Stadt verbannen und versucht ihre Ideen mit einer Reihe von Aktionen umzusetzen. Das Ziel ist nicht  gänzlich klar.  Immerhin spielt die Handlung nach dem Zusammenbruch der Zivilisation und es ist erstaunlich, dass es noch so viele Umweltbewusste gibt, die sich nicht um das wirtschaftliche Überleben kümmern. Auch wird  dieser Aspekt eher stiefmütterlich abgeschlossen und einige Informationen bleiben in der Luft hängen, so dass der Plot überambitioniert erscheint, aber zu wenig nachhaltig entwickelt wirkt. Im Rahmen einer Themenanthologie mit einem verbindenden Element wirken sich diese kleinen Schwächen nicht so sehr aus wie durch die  isolierte Stellung als Nachdruck  in einem Magazin. 

Unabhängig von dieser Schwäche erweist sich Tobias Buckell wieder als natürlicher Erzähler, der  mit einer Mischung aus Spannung und subversivem Humor kurzweilig unterhält und an einigen Stellen aufgrund der fast grotesk erscheinenden neuen "Berufe" zeigt, dass das Post Doosmday Genre nicht tot ist.     

 Die längste Geschichte "Katabasis" stammt aus dem "Great Ship" Universum.  Der Hintergrund wird nicht weiter entwickelt. Der  Leser  muss schon wissen, dass das Generationenraumschiff eine Dimension des Planeten Jupiter hat. Das Millionen von Menschen in unterschiedlichen Habitaten und vor allem auch teilweise unwirtlichen Umgebungen zusammenleben. Das Ziel der Reise ist genauso unbekannt wie die Herkunft des Raumschiffs.  Ohne dieses "Vorwissen" wirkt die Plotentwicklung wenig überschaubar und der Leser ist der Ansicht, dass die Geschichte auch  außerhalb des gigantischen Raumkörpers auf  einem der  Planeten spielen könnte, welche das große Raumschiff auf seiner Reise zumindest streift. Aber die Idee, das alle Szenarien sich innerhalb des Raumschiffs abspielen und deswegen auf der einen Seite konstruiert homogen, auf der anderen Seite vor allem in der empfehlenswerten Sammlung der Geschichten auch konträr erscheinen, ist wichtig, um den Hintergrund der in "The Magazine of  Fantasy and Science Fiction" spielenden Novelle zu verstehen.

 Das Grundthema dieser Novelle ist dieses Mal Unsterblichkeit.  Katabasis ist der zentrale Charakter, der in einer wirklich faszinierenden Ergänzung des bisherigen Universums Anhalter/ Reisende als Reiseführer zu gefährlichen, extremen Schwerkrafttouren agiert.  Katabasis soll Varid begleiten, ein Mensch mit einer extremen Lebensverlängerung. Eines der Themen, das Robert Reed  vor allem in den ersten Kurzgeschichten um das "Great Ship" aufgegriffen und entsprechend extrapoliert hat.  Zusätzlich als Hintergrundinformation ist Varid der Überlebende einer Katastrophe. Ein Ereignis, das ihn zumindest impliziert immer wieder in die Versuchung führt, die Extreme noch weiter auszureizen und neue Herausforderngen zu suchen.

 Der Plot definiert sich aber weniger über den nicht immer zufriedenstellend entwickelten Hintergrund, sondern die Protagonisten. Absichtlich hat der Autor der Fremden Katabasis eine Reihe von menschlichen Zügen verliehen,  ohne dabei ihre Exotik zu unterminieren. Im Gegenzug wirkt Varid nicht unbedingt menschlich.  So hat Katabasis ihren Namen erst angenommen, als die Mitglieder ihrer Rasse des Raumschiffs unter Schwierigkeiten erreicht haben, um dort zukünftig zu leben. 

 Interessant erscheint, dass Robert Reed diese herausfordernde Tour als eine Art Willenstest initiiert, der vor allem für das menschliche Dasein so signifikant ist, ohne das einer der Teilnehmer wirklich als Mensch zu bezeichnen ist. Die Actionszenen sind sehr gut geschrieben worden und der exotische Hintergrund entschädigt vor allem für den zu phlegmatischen Auftakt mit der anfänglichen Ablehnung Varids durch Katabasis. Der Leser ahnt ja schon, dass sie gemeinsam die Reise antreten werden, so dass neben den chronologischen Brüchen auf der zweiten, den persönlichen Hintergrund von Katabasis Rasse  erläuternden Handlungsebene die Eröffnung schwerfällig erscheint. Erst über die dreidimensionalen Charaktere entwickelt sich der Plot bis zum zufriedenstellenden Ende. Allerdings sollte sich ein Leser im Vorwege über die Konzeption des großen Schiffes informieren, damit die Novelle ihre Wirkung entfalten kann.  

 Alexander Jablokov präsentiert mit „Blind Cat Dance“ die mit großem Abstand zwiespältigste Geschichte dieser Ausgabe. Vor allem der Hintergrund ist ausgesprochen überzeugend gezeichnet. In dieser fremden und doch auch vertrauten Welt haben die Menschen gelernt, sich gegenüber unsichtbar zu machen. 

Die Natur scheint auf der einen Seite die Zivilisation zurück gedrängt zu haben, während die  Habitate der Tiere sich kontinuierlich ausweiten. Im Gegenzug sind aber auf beiden Seiten keine nachhaltigen und vor allem auch lang anhaltenden ökonomischen Systeme etabliert worden. 

 Vor diesem immer wieder  mit breitem Pinsel gemalten visuellen Bildern spielt sich eine zutiefst menschliche und dadurch  nicht unbedingt ansprechende Dreiecksgeschichte um einen Tiertrainer, seinen Boss und einen willigen weiblichen Lehrling ab, der früher mit dem Chef verheiratet gewesen ist. Der Autor belässt es bei Implikationen und vor allem macht er den literarischen Fehler,  den Plot nicht auf die Spitze zu treiben, sondern in einer Art unnötigen wie zu langem Epilog noch andere Ideen einzubauen und damit sich teilweise auch hinsichtlich des ursprünglichen Ansatzes zu widersprechen. 

 Vor allem weil der Autor die Idee der weiblichen Unlogik nicht wirklich nachvollziehbar in seine Handlung einbauen kann und sie dadurch isoliert im Raum stehen lässt. Es ist schade um das  Potential, das hier verschenkt wird. Abschließend hinterlässt der herausfordernde Hintergrund allerdings die Sehnsucht im Leser, mehr über und vor allem auch aus dieser Welt zu erfahren als es der Raum einer Novelle ermöglicht.

 „Forever“  Magazine 39 ist eine solide Nummer mit drei  längeren, interessanten, aber jede auf ihre Art und Weise nicht gänzlich befriedigenden Geschichten.  

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 391 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 203 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Englisch
  • ASIN: B079MGTVPX