Duell in der Hitze

Robert Sheckley

Robert Sheckleys "Man in the Water" ist neben der Agentenparodie "Game of X" sein einziger alleinstehender Krimi. Das Buch erschien 1961 in den USA, zwanzig Jahre später legt es der Goldmann Verlag das Buch unter dem Titel "Duell in der Hitze" als rotes Taschenbuch auf. Auf den ersten Blick fällt dem Leser beim Subgenre Psychopathen-auf-See Patricia Highsmiths exzellenter Thriller "Der talentierte Mr. Ripley" aus dem Jahr 1955 ein. Oder später das Debüt von Nicole Kidmann in "Dead Calm". Der deutsche Klappentext impliziert das.

Damit wird aber Robert Sheckleys existentiellen Thriller Unrecht getan. Der Gedanke, den Skipper zu töten; sein Geld und seine Papiere zu nehmen und das schöne Segelschiff irgendwo zu verkaufen ist der Anstoß des brutalen Überlebenskampfs. Interessant ist, das der heute zu Unrecht fast vergessene Roman zwei Jahre nach seiner Erstveröffentlichung unter dem Titel "Escape from Hell Island" sinnentfremdend verfilmt worden ist.

Dabei ist es schwierig, den Roman wirklich überzeugend zu verfilmen. Nicht wegen der stringenten Handlung - ein Verzweifelter entscheidet sie schließlich, mit dem Besitzer/ Captain einer Yacht das Boot aus den südlichen Gefilden in das winterliche New York zu überführen - , sondern aufgrund der Tatsache, dass man seltenen einen unzuverlässigeren Protagonisten als den pleite auf der Insel gestrandeten Amerikaner gesehen hat. Robert Sheckley möchte vor allem in der zweiten Hälfte des Romans, die aus dem Duell zwischen dem Captain und dem Psychopathen besteht, vielleicht ein weniger zu cleverer sein als es die Handlung verträgt und baut nicht nur einmal, sondern insgesamt dreimal Schlüsselszenen ein, die sich rückblickend als Phantasie des immer wahnsinniger werdenden Meuterers entpuppen. Einmal ist diese Vorgehensweise nachvollziehbar, aber auf wenigen Seiten dreimal erscheint übertrieben und nimmt der brutalen finalen wie fatalistischen Auseinandersetzung ihre Schärfe.

Dieses Doppeln oder eher dreifaches Übertreiben kann aufgrund der Konzeption des Buches aber auch einen anderen Grund haben. Gleich zu Beginn wartet der Protagonist im Grunde auf drei Möglichkeiten, seine kärgliche Existenz auf der Insel im Süden zu beenden und wieder "arbeiten" zu können. Erst als ein dritter Vorschlag auf dem Tisch liegt, entscheidet er sich für die Überführung des Bootes nach New York. Dort lebt seine Schwester. Sie soll ihm Geld für einen Neuanfang geben.

Zu diesem Zeitpunkt weiß der Leser zumindest aus dem Aufbau des Romans und dem Vorziehen eines Schlüsselkapitels an den Beginn der Geschichte, das diese Entscheidung für ihn fatal sein kann.

Zu Beginn nimmt sich Robert Sheckley sehr viel Zeit. Er entwickelt nicht nur das Hintergrundszenario, sondern zeigt das nicht immer leichte Leben der zahllosen amerikanischen und europäischen „Auswanderer“ oder in den sechziger Jahren Zivilisationsflüchtlingen, die sich eben nicht mit Gelegenheitsjob über Wasser halten. Neben den beiden Australiern überzeugt in dieser Hinsicht der eher verzweifelte Schriftsteller, der auf seinem Boot sitzend, immer ein wenig Geld in der Tasche habend seine Geschichten schreibt; sie abschickt und die Ablehnungen dann mit einem Schulterzucken akzeptiert. Seine Arbeiten werden immer wieder als zu sehr an andere Autoren angelehnt bezeichnet, wobei im von Sheckley karikierten Literaturzirkus eher die Idee aufkommt, als wenn die Verlage es als Vorwand nehmen.

Aber ohne den sonst seine Werke unterminieren satirisch sarkastischen Unterton wirken diese Szenen fast sechzig Jahre nach ihrer Entstehung wie eine Art Zeitkapsel aus einem wie nicht selten nur vordergründigem Paradies. 

Nicht nur während der ersten Tage der gemeinsamen Überfahrt lässt Sheckley sein Seglerwissen aufblitzen. Detailliert ohne Belehrungen beschreibt er die Segeltechnik vor allem in schwierigen Gewässern, die notwendige Teamwork und das Einswerden mit dem Boot. Wer sich nicht für das Meer oder Schiffe interessiert, wird diese Passagen als zu lang, vielleicht sogar langweilig empfinden. Sie sind aber für die sehr lange, fast die Hälfte des Romans einnehmende finale Auseinandersetzung wichtig.

Robert Sheckley etabliert die meisten Protagonisten fast ausschließlich aus der Perspektive seines unzuverlässigen Erzählers. Dadurch wirken die Figuren ein wenig verzerrt, vielleicht manchmal absichtlich überhöht und gleichzeitig subjektiv nieder gemacht. Vor dem Captain hat er Respekt. Der Leser erfährt ein wenig über dessen Vergangenheit, wobei er sich als Goldsucher gegenüber den Einheimischen als harter, sehr brutaler Hund erwiesen hat.

Auf der reinen Handlungsebene geht er ausgesprochen fair mit dem Erzähler um. Erst als er erkennt, dass dieser ihn wirklich aus niedrigen Motiven töten möchte, beginnt der Überlebenskampf und es entwickelt sich ein faszinierendes, packendes psychologisch raffiniert gestaltetes existentielles Duell, wobei der amerikanische Titel „Man in the Water“ wirklich Programm ist.

Auch wenn der Autor nach der dramatischen, aber interessanten Eröffnung - sie geschieht wirklich aus dem Nichts heraus, auch wenn sich der Neid und der Zorn nach der Lüge des Captains erst steigern – erst später mit einem wahren Feuerwerk zu den „Visionen“ greift und sie dann mehrmals inklusiv falscher Rückblicke in das Leben des Erzählers kontinuierlich steigert, ist der lange wie brutale Überlebenskampf ausgesprochen originell geschrieben. Sheckley zeigt auf, dass der Mann im Wasser nicht unbedingt gänzlich schutzlos ausgeliefert und im Nachteil sein muss. Das relativ warme Wasser in der Nähe der Bermudas hilft, wobei dem Captain auch das irrationale Verhalten des Angreifers hilft. So vergisst er immer wieder zu Trinken, unter Deck kann er nicht, um keine Angriffsfläche zu bilden und die sengende Sonne setzt im Meer zu als dem Mann im Wasser, dessen Kopf „nur“ Verbrennungen aufweist. Spätestens als er sich einen unsicheren Platz unerreichbar für den Angreifer auf dem Boot „erkämpft“ hat, beginnen sich die Gewichte zu verschieben.

Fast zu Beginn eine exotische Charakterstudie aus einer heute fast verklärt erscheinenden Zeit mit den längeren Schatten vor allem des Koreakrieges erscheint, wird mehr und mehr zu einer existentiellen, wahrscheinlich zahllose Psychologen stolz machenden Studie um die Bestie in jedem Mann, bevor Robert Sheckley diese spannende und zu seinen besten erwachsenen Romanen zählende Charakterstudie fast zynisch mit einem derartig offenen Ende beschließt, dass der Leser staunend und gleichzeitig befriedigt zurückbleibt.

Viele werden sich nach der Lektüre überlegen, ob sie mit einem ihnen wenig vertrauten Menschen eine längere Segeltour auf einem kleinen Schiff unternehmen sollten.

Bildergebnis für duell in der hitze, robert sheckley

  • Broschiert 164 Seiten
  • Verlag: Goldmann
  • ISBN-10: 3442054281
  • ISBN-13: 978-3442054282
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