Treckmaster

James B. Johnson

Zehn Jahre nach seiner amerikanischen Erstveröffentlichung publiziertte der Heyne Verlag mit "Treckmaster" einen der wenigen Science Fiction Romane James B. Johnsons mit einem eindrucksvollen, aber nicht gänzlich richtigen Titelbild auf deutsch. Auf den ersten Blick scheint sich Johnson an Meisterwerken wie "Monument für ein Genie" zu orientieren, in dem eine eher archaische Zivilisation mit einigen Tricks und Kniffen zwar in die galaktische Staatengemeinschaft unter der Führung der Menschen "angehoben" wird, aber ihre eigene Identität behalten darf. Bei "Treckmaster" handelt es sich weniger um eine Neuaufnahme, sondern eine Rückkehr in diese Staatengemeinschaft, da die auf dem Planeten mit einem einzigartigen Gebirge lebenden Bewohner von Menschen abstammen und nach dem Absturz eines Kolonistenraumschiffs in die Primitivität auf dem Niveau der amerikanischen Frontier aus dem 19. Jahrhundert zurück gefallen sind. Die potentielle Wiederaufnahme in die Staatengemeinschaft ist nicht nur mit strengen Regeln verbunden, sondern erfolgt anscheinend nur alle zehn Jahre. Eine echte Begründung wird dafür nicht gegeben. Bei "Treckmaster" kommt noch ein weiteres "Problem" als Spannungsmotivator hinzu. Die einzigen beiden in Frage kommenden bewohnten Welten befinden sich auch noch in einem Sonnensystem und sind beide von Menschen bewohnt. Die Wahrscheinlichkeit ist grundsätzlich für ein derartiges Phänomen sehr gering und im Grunde sollten dann beide Planeten aufgenommen werden, da sie sich weder in Sachen Regierung noch buckliger Verwandtschaft oder Ambitionen hinsichtlich einer diktatorischen Regierung viel nachstehen.

 Wie in seinen anderen Romanen greift Johnson ein fast klassisches Thema auf. Im Gegensatz allerdings zu "Daytar and Shadow" mit seiner postapokalyptischen USA oder dem mit PSI Kräften sich auseinandersetzenden "Mindhopper" sowie "Habu" um Langlebigkeit wirkt "Treckmaster" in vielen Punkten aktueller, politischer und differenzierter. Erstaunlich ist, dass ein derartig umfangreicher Roman auf einen sympathischen Protagonisten verzichtet.    

 Auf der politischen Ebene unter den Augen einer Beobachterin von der Erde treffen Monarchie und Moderne aufeinander. Thomas Jefferson Shepherd ist König des Planeten Bear Ridge. Er hat die einzelnen kleineren Reiche auf diesem vor allem landwirtschaftlich orientierten Planeten teilweise in blutigen kriegen geeint. Die Krone wird immer an den überlebenden Nachkommen des Trecks weitergegeben. Das bedeutet in diesem Fall an den Überlebenden, der die hohen Berge überquert, dort auf die intelligenten Amphibienbewohner der Welt trifft und einen roten Saphir als Zeichen seines Muts zurückbringt. Bislang hat immer nur einer der Nachkommen diese Herausforderung überlebt. Über diese Hintergründe informieren die Tagebuchaufzeichnungen der Shepherds, zuerst sogar auf Rinde geschrieben.

 Es gibt allerdings bei Thomas Jefferson Shepherds Reise eine Besonderheit. Zwei Männer haben die Berge bezwungen und sind mit den Edelsteinen zurückgekehrt. Daraus ist eine ungewöhnliche Männerfreundschaft entstanden und einer der Protagonisten entwickelt sich zu einem erstaunlich dreidimensionalen wie modern denkenden potentielle neuen Anführer auf dem abgeschieden gelegenen Planeten.

 Shepherd will unbedingt in die Föderation der Planeten aufgenommen werden.  Er erhofft sich davon einen nicht nur sozialen, sondern vor allem technokratischen Wandel. Heimlich hat Shepherd viele Artefakte des alten Raumschiffes sammeln und in einer Höhle verstecken lassen. Sie sind unbrauchbar, aber alle ihre Vorhandensein beflügelt seine Ambitionen.

 Zum Teil gegen den Wunsch einzelner Bevölkerungsteile. Im Laufe des rasant erzählten Plots lernt der Leser einige Oppositionelle kennen, beginnend mit einem jungen Mann, den der König selbst nach einem spektakulären musikalischen Auftritt selbst an den Hof geholt hat.

 Diesen Mann umgibt ein Geheimnis und als er sich als einer der intellektuellen wie geschickten Gegenspieler entpuppt, muss Shepherd über seinen Schatten springen. Bis dahin hat er es eher mit normalen Attentätern zu tun – gegen die hat er sich mit viel Geld und gegen die Aufnahmeregeln der Federation ein wenig rückversichert – oder der Invasion vom anderen Planeten des Sonnensystems. Vielleicht das schwächste Element des Buches, denn wie jeder Despot hofft der andere König mit einer Art“ vor vollendete Tatsachen stellenden“ Politik durchzukommen. Im Grunde eine Provokation der allgegenwärtigen, aber eher ambivalent beschriebenen Föderation im Hintergrund. 

 Shepherd ist ein ambitionierter wie ein wenig selbstverliebter Mann. Im Laufe der Zeit lernt der Leser mit großen Einschränkungen auch eine emotionale Seite vor allem seinem Sohn gegenüber. Bis dahin erweist er sich als erstaunlich harter, aber auch intelligenter Mann. So wird die Opposition inklusiv der Kirche vor allem mittels Steuern unter Kontrolle gehalten und die Jugendbewegung rennt sich die Köpfe im metaphorischen Sinne ein, wenn die staatlichen Organe entweder unlösbare bürokratische Hindernisse auftürmen oder einfach einen Wettkampf in dem Park veranstalten, wo die Demonstration stattfinden soll. Selbst Stinktiere werden effektiv eingesetzt.  Bei den Strafen herrschen Zustände wie im Mittelalter, wobei die Auge um Auge, Zahn um Zahn Mentalität inklusiv teilweise öffentlicher Hinrichtung – schnell oder grausam je nach Tat – ein abschreckendes Beispiel sind.  James B. Johnson nimmt sich viel Zeit, die Denkweise des Königs zu erläutern und erwartet vom Leser keine Akzeptanz, aber zumindest ein gewisses Verständnis für diese drakonische, aber irgendwie als Ganzes betrachtet auch nicht unbedingt sadistische Art der Bestrafungen.

 Gegen Ende des Buches muss der Autor die einzelnen Handlungsfäden zusammenführen. Der Ton wird bis zur finalen Auseinandersetzung deutlich grimmiger und brutaler. Dabei bewegt sich der Autor allerdings auch in einzelnen Abschnitten am Rande des Klischees. Neben der Herausforderung des Trecks, die auf ungewohnte Art und Weise aus einem Jungen einen Mann macht wird die Opposition abschließend effektiv versetzt, als wenn ein Monarch im Austausch gegen einen Tyrannen an den grundsätzlichen Zielen etwas ändert. Der obligatorische Verräter wird nach einzelnen falschen Spuren entlarvt, wobei Johnson hier das Potential dieses Handlungsfaden verschenkt, da hinter dem Spion eine absolute Nebenfigur steckt, die immer wieder einmal erwähnt wird.

 Auch das plötzliche Eingreifen der Einheimischen – hier verbindet Johnson fast aus dem inhaltlichen Nichts heraus einen weiteren Aspekt der Förderationspolitik ohne Notwendigkeit mit dem Ablauf der Ereignisse – wirkt wie aus einem pathetischen Film. Ihre Kräfte bleiben ambivalent und es stellt sich die Frage, ob der Roman nicht besser ohne sie funktioniert hätte.  Während sie anfänglich eher passiv in ihrem Refugium jenseits der Berge bleiben und nicht die roten Saphire als eine Art Beweis des abgeschlossenen Trecks herüberreichen, werden sie im Laufe der Handlung je nach Antipathie oder Sympathie des Menschen aktiver und scheinen sogar eine Art Gruppenbewusstsein zu entwickeln.

 So fließen die einzelnen Handlungsbögen relativ „einfach“ ineinander. Die finale Auseinandersetzung wird durch die plötzlich stillschweigende Zustimmung der Föderationsabgeordneten protegiert. Der Ablauf ist auf den ersten Blick taktisch clever, aber irgendwie hat der Leser auch das unbestimmte Gefühl, als kämen ihm die ganzen Szenen auch bekannt vor.  Die finale Schlacht gipfelt schließlich auch in einer Art politischer Reform des ganzen Planeten. Es ist konsequent und schließt den Roman gut ab.

 Wie eingangs erwähnt ist „Treckmaster“ ist ohne Frage in der grundlegenden Konzeption ein ambitionierter, ein auch aufgrund der zahlreichen Protagonisten und Handlungsebenen sehr vielschichtig konzipierter politischer Abenteuerroman, der einige seiner Ansätze nicht konsequent genug zu Ende denkt und manchmal auch ein wenig provokativ eine Art archaischer Hardliner an die Spitze einer monarchistischen Regierung stellt. Nicht alle Flanken können geschlossen werden, einzelne Handlungsarme bleiben plötzlich in der Luft hängen. Das über weite Strecken hohe Tempo in Kombination mit dem exotischen Hintergrund überdecken diese Schwäche, so dass „Treckmaster“ eine Wiederentdeckung genauso Wert ist wie Biggles „Monument für ein Genie“. 

      

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Heyne Taschenbuch, 576 Seiten

 ISBN: 3-453-13296-3 [978-3-453-13296-2]