Die Heilerin von Hangay

Michael Tinnefeld & Gerhard Huber

Beim neuen Perry Rhodan Fanroman "Die Heilerin von Hangay" handelt es sich um die erste längere Arbeit und gleichzeitig Gemeinschaftsproduktion Michael Tinnefelds und Gerhard Hubers. Die beiden haben unter anderem in verschiedenen Magazinen Kurzgeschichten veröffentlicht. Zusätzlich besuchten sie mehrere Schreibwerkstätten. Das sie professionell geschult worden sind, merkt man ihrem Roman durchaus an. Stilistisch einheitlich mit guten Dialogen, klassischen Spannungsbögen und schließlich einer stringenten Handlung.

Trotzdem ist "Die Heilerin von Hangay" ein ambivalentes Lesevergnügen. Der Finger lässt sich im Grunde nur in eine Wunde legen und diese überdeckt die zahlreichen Stärken des ganzen Romans. Neben der Charakterisierung der exotischen Protagonisten überzeugt der exotische Planetenhintergrund; der Auftakt des Roman ist interessant gestaltet und bietet Potential nicht nur für einen Roman, sondern im Grunde für einen Vierteiler. Das Ende mit zahlreichen Erklärungen, welche nicht nur das Weltbild einiger Protagonisten erschüttern, sondern auch den Leser überraschen ist ebenfalls überzeugend und zeigt, wieviel Potential nicht nur die in der Retroversion Hangays stecken, sondern bilde ein interessantes Sprungbrett für mindestens eine Fortsetzung. Die große Schwäche ist als Ganzes der Mittelteil des Romans. Der Absturz des Raumschiffs über einem unbekannten Planeten; der Versuch einer kleinen Gruppe, einen rettenden Punkt trotz aller Herausforderungen zu erreichen; der Verlust einiger Mitglieder der kleinen Gruppe entweder durch die unwirtliche Umgebung und/ oder der freiwilligen Selbstopferung für das restliche Team und schließlich das kleine Finale. Die Grundidee hat nicht nur in der Perry Rhodan Serie höflich gesprochen eine lange Tradition; realistisch eher unter dem Begriff eines langen Bartes einzubuchen. In den siebziger Jahren gab es im amerikanischen Kino eine ganze Schar von Katastrophenfilmen, die genau diese Grundidee in brennenden Hochhäusern oder gekenterten Luxuslinern umgesetzt haben. Vor allem einigen älteren Lesern werden einzelne individuelle Abschnitte inklusiv der martialisch pathetischen "Abschiedsrede" bekannt vorkommen.

Natürlich ist es grundsätzlich richtig, einen stringenten Plot zu präsentieren. Aber in diesem Fall liegt das Potential direkt vor den Füßen der Autoren , wird von ihnen angesprochen und dann im Verlaufe dieses Buches nicht gehoben. Auch wenn es vielleicht zynisch klingt, sollten sich Michael Tinnefeld und Gerhard Huber überlegen, ob sie den ganzen Roman noch einmal schreiben und vielleicht einen Mehrteiler draußen machen. Damit soll auf keinen Fall ausgedrückt werden, dass "Die Heilerin von Hangay" gänzlich gescheitert ist, aber die zwischen den Zeilen erkennbaren Ambitionen des Plots werden derartig rudimentär und im Grunde auch simpel gehoben, dass man sich am Ende mehr von den einzelnen Figuren wünscht und gerne wahrscheinlich eine einfach mutigere Version der Geschichte noch einmal lesen möchte.

Der Auftakt ist wirklich gut. Sie spielt vier Jahrzehnte nach dem Abzug TRAITORS in Hangay, die immer noch in einzelnen Teilen unter der weiterhin mangelnden Infrastruktur inklusiv des Vorhandenseins einzelner Vibra PSI Enklaven leidet. Die Kartanin Dao-lin-Háy möchte zusammen mit ihrer Begleitung - man kann fast schon von einer Art Schatten sprechen - Rea-Ter-Shel nach Hangay aufbrechen, um auf einer Art Rundreise vier Planeten zu besuchen und dort mit ihrem Team unorthodox und direkt Hilfe zu leisten. Dazu braucht sie ein Raumschiff. Der karaponidische Pilot Chi Loan Hárk braucht nicht nur Geld,sondern interessiert sich auch aus persönlichen Gründen für die legendäre Heilerin von Hangay, welche der Legende nach auch zu den Zellaktivatorträgern gehören soll. Angeblich wartet neben dem exorbitanten Preis noch eine Art Schatz auf den Captain. Natürlich auf dem letzten der Planeten.

Die Idee der selbstlosen Heilerin in einer waidwunden Galaxis ist vielleicht auch nicht unbedingt neu, aber wurde weniger oft als das abstürzende Raumschiff verwandt. Zumal jeder der vier Planeten andere Herausforderungen bedeutet In Bezug auf das jetzt sehr abrupte Finale könnten die Offenbarungen eher in einzelnen kleinen Portionen verabreicht werden.

Die Szenen mit dem ihr nachstellenden Captain in der Hoffnung auf eine sexuelle Eroberung wirken anfänglich befremdlich und führen im Handlungsverlauf auch zu keinem echten Ergebnis. Sie sollen wahrscheinlich das Gebalze der katzenähnlichen Wesen symbolisieren, wobei die Autoren hier angesichts des Handlungsverlaufs ein wenig zu viel Raum verschwenden. Hinzu kommt, dass in Bezug auf die Heilerin eine Art Geheimnis impliziert werden soll, aber ob jede Frau egal ob mit oder ohne Pelz auf das Balzverhalten eines offensichtlich ein wenig arroganten wie blanken Schiffskapitäns reinfällt, muss sich jeder Leser selbst beantworten. Diese Unwiderstehlichkeit und Anziehungskraft auf das andere Geschlecht packen die beiden Autoren nicht in die passenden Worte. Zumindest sind nicht nur diese Dialoge pointiert und naturalistisch zugleich.

Schon auf dem Weg zum ersten Planeten stürzt das Raumschiff über einem Planeten ab. Die Überlebenden müssen sich mehrere hundert Kilometer durch unwirtlichen Dschungel schlagen, um eine Robotstation zu erreichen und hoffentlich ein entsprechendes Rettungssignal ausstrahlen zu lassen.

Das erste Viertel des Buches ist von der Charakterfindung bestimmt. Zwar kratzen die Autoren nur an der Oberfläche ihrer Protagonisten und an einigen Stellen können sie sich nicht richtig entscheiden, ob es sich um sehr intelligente Tiere mit entsprechenden Instinkten und viel Fell ausgestattet handelt oder man doch lieber auf die bekannten menschlichen Komponenten zurückgreift, aber die Leser werden gut auf den Überlebenskampf auf dem Planeten vorbereitet und können dort ohne Probleme zwischen den solide geschriebenen Actionszenen zwischen den einzelnen Figuren unterscheiden. Ein deutlicher Pluspunkt gegenüber vielen anderen Storys, in denen die Nebenfiguren ausschließlich als Kanonenfutter für möglichst grausame Todesszenen dienen. Auch die Herausforderungen auf dem Planeten sind fokussiert auf diesen Fanroman und alle „Bekanntheiten“ ignorierend gut geschrieben. Aber der abschließende Funke will eben wegen der Vertrautheit nicht überspringen.

Es ist das Finale, in dem die beiden Autoren überraschen und viele Schwächen ihrer Arbeit ausgleichen. Sie ziehen buchstäblich einer Figur den Boden unter den Füßen weg, auch wenn sie sich hinsichtlich der direkten Konfrontation nur bedingt etwas zutrauen und sogar auf einige Klischees des Actionkinos zurückgreifen. Da tut sich nicht nur für einen der Protagonisten buchstäblich der Boden vor ihren Füßen auf. Durch die gute Zeichnung der Protagonisten möchte der Leser eigentlich wissen, ob eine Legende die Bruchstücke ihres bisherigen Lebens wieder zusammensetzen und ihren Weg fortsetzen kann. Die Erkenntnisse kommen aus dem Nichts, werden an einer Stelle positiv vorbereitet und wirken in der Form schockierend, aber auch überzeugend.

Vielleicht wäre es sogar noch besser gewesen, der Heilerin von Hangay mehr direkte Vorgeschichte zu geben und eben die anderen Planeten zu besuchen, damit der Leser die Möglichkeit hat, sie wirklich in Aktion und ihren legendären Ruf bestätigt zu sehen. In der vorliegenden Form besteht die winzige Möglichkeit, das viele objektive Bemerkungen tatsächlich manipulierend subjektiv gewesen sind und die Assimilation einer Persönlichkeit nur passiv erfolgt ist. Die Grundidee inklusive der leider finalen Abrechnung ist bestechend effektiv eingesetzt, aber auch grundsätzlich nicht neu. Es ist aber die Tragik, welche Michael Tinnefeld und Gerhard Huber ein wenig pathetisch cineastisch dem Leser vermitteln können. Für einen Erstlingsroman keine schlechte Basis.

Hangay selbst unter den Folgen der Terminalen Kolonne TRAITORS leidend und weniger unter deren Abzug ist ein in der Serie lange Zeit nicht mehr genutzter exotischer Freiraum, in dem mit den hier präsentierten eher unbekannten Figuren gute Geschichten erzählt werden können.

Zwar bleibt die Idee der Vibra PSI Enklaven ein eher ambivalent eingesetztes „Druckmittel“, mit dem die Autoren auch eine Verfolgergruppe auf den Planeten bringen und in den eher ruhigeren Passagen mindestens ein beunruhigendes Gefühl in den Protagonisten und Lesern erzeugt werden kann, aber hinsichtlich der finalen Erklärung inklusive eines kleinen Hinweises auf ein legendäres Buch von Ursula K. LeGuin zumindest zufriedenstellend „abgeschlossen“ wird.

„Die Heilerin von Hangay“ ist ein trotz der angesprochenen Schwächen teilweise interessanter Fanroman mit einer Liebe zum Seriendetail und dem Versuch, eine bekannte Geschichte vor alle gegen Ende positiv auf den Kopf zu stellen und den Leser schließlich zu verblüffen. Das kommt relativ spät, wobei die einzelnen Szenen auf dem Planeten nicht mal uninteressant sind. Die Autoren zeigen, dass sympathische Figuren dort sterben können. Nicht einmal für ein Begräbnis reicht die Zeit. Aber diese Sequenzen stehen isoliert nebeneinander und lassen den Mittelteil des Romans noch schematischer erscheinen als es die Autoren wahrscheinlich beabsichtigt haben. Sie sollten aber auf jeden Fall in das Universum dieser „Inkarnation“ der Heilerin zurückkehren, um den inzwischen in mehrfacher Hinsicht desillusionierten Charakter einen Lebenssinn zu schenken und die Geschichte einfach mutiger, ein wenig frecher und durchaus auch noch einen Tick exotischer weiter zu erzählen. Das der Leser mehr über die überlebenden Figuren nach den Erfahrungen auf dem Planeten erfahren möchte, ist ein großes Kompliment, das diesen beiden jungen und noch unerfahrenen Autoren gemacht werden kann und das bislang nicht zufriedenstellend gehobene Potential von Teilen der Story unterstreicht.

 

www.prfz.de 

Heftroman, 92 Seiten

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