The Magazine of Fantasy and Science Fiction March/ April 2019

C.C. Finlay (Hrsg)

In der zweiten Ausgabe des Jahres 2019 präsentiert C.C. Finlay insgesamt vier Debütanten, deren Kurzgeschichten sich vor allem in die Bereiche Fantasy und Horror erstrecken. Daneben finden sich erfahrene Autoren wie John Kessel oder Schriftsteller wie Gregor Hartmann, die mit einer Reihe überzeugender Kurzgeschichten in den letzten Jahren auf sich aufmerksam gemacht haben.

 Gregor Hartmann eröffnet auch die Ausgabe mit seiner futuristischen Kriminalgeschichte „The Unbearable Lightness of Bullets“. Ein Währungshändler ist erschossen worden. Die Detektivin Phillips vermutet erst eine Art Ponzibetrug – die Pointe verwendet den Begriff nicht mehr, aber es handelt sich um eine eher dummdreiste Variation dieser Betrugsmasche -, dann einen enttäuschten Kunden. Zusammen mit dem Polizisten Jun ermittelt sie. Anfänglich trifft Gregor Hartmann den Hardboiled Ton sehr gut, der Plot entwickelt sich spannend und alle Spuren führen im Grunde ins Nichts. Das große Problem ist die fatalistische Auflösung, welche die beiden Ermittler befriedigt, den Leser aber ein wenig verblüfft und enttäuscht zurücklässt.

 Zwischen Science Fiction – dank der Technik – und Horror steht mit „At your Dream´s Edge“ aus der Feder S. Qiouyi Lu eine vielleicht zu komprimierte Geschichte. In dieser Zukunft kann man Alpträume bestellen und muss sie anschließend bezahlen. Em möchte einen Alptraum als Vorbereitung auf das anstehende Familientreffen bestellen. Die Beschreibungen dieses Alptraums aus Schmerzen und Angst sind visuell überzeugend, allerdings kann die Autorin abschließend nicht mehr richtig den Bogen zu der Ausgangsidee schlagen, so dass die Wirkung viel zu schnell verpufft.

 Scheinwelten steht im Mittelpunkt einer Reihe weiterer Storys sehr unterschiedlicher Autoren. Paul Parks „Dear Sir or Madam“ spielt in einer nicht unbedingt sonderlich anderen Zukunft, in welcher der Erzähler über eine inzwischen veraltete Technologie verfügt, die es Menschen ermöglicht, sich in Szenen oder Filme vollständig zu integrieren und deren Plot auch bis zu einem gewissen Grat zu manipulieren. Natürlich ist es immer der letzte Job, der besondere anstrengend ist. Auch wenn die Idee und der ein wenig getragene Erzählstil sehr gut zusammenpassen, reiht sich Paul Park in eine ganze Phalanx von Autoren dieser Ausgabe ein, die nicht ausreichend Fleisch ihren Geschichten beifügen, so dass diese nicht ihre volle Kraft entfalten. Auch Margaret Killjoys „The Free Orcs of Cascadia“ gehört zu dieser besonderen Gruppe. Golfimbul und viele andere Menschen haben sich in der Zivilisation abgewandt und leben in den Wälder auf dem Stand einer archaischen an die Wikinger erinnernden Kultur. Sie nutzen aber bei Bedarf moderne Technologie und geben sogar besondere Konzerte. Golfimbul wird auf der Bühne von einer feindlichen Orcgruppe ermordet. Ein Reporter versucht mittels Interviews die Fakten hinter dieser Tat herauszufinden. Die Geschichte ist durch den exzentrischen, sehr expressiven Stil durchaus lesenswert, allerdings wirkt die Auflösung angesichts der Ausgangsprämisse auch sehr pragmatisch und zu wenig nachhaltig.

 Es ist aber nicht die einzige Geschichte, in welcher Musik eine wichtige Rolle spielt. „Postlude to the Afternoon of a Faun“ von Jerome Stewart erinnert an die melancholischen Geschichten, in denen ein Musiker seine Seele dem Teufel verschrieben hat, um ein erfolgreicher Künstler zu werden. Mr. Dance dagegen hat vor vielen Jahren seine Klavinette verloren, ein Konkurrent hat sie ihm abgenommen und ihn verkrüppelt. In den Händen eines Jungen, der lieber Footballstar werden möchte, kehrt sie zu ihm zurück. Die Ironie ist, dass sein damaliger Konkurrent sie nicht zum Leuchten bringen konnte. Mr Dance steht vor der Versuchung, sie dem Jungen abzunehmen und zu hoffen, das die Magie nicht verflogen ist oder ihn auszubilden. Eine wunderbare magische Geschichte mit dreidimensionalen Figuren und vor allem einer überzeugenden, kraftvollen Pointe, die auch von Jerone Stewarts sehr angenehm zu lesenden Schreibstil lebt. 

 John Kessel hinterfragt in „The Mark of Cain“ auf eine eher bodenständige Art und Weise, ob der Erzähler eine eigenständige Figur oder nur Bestandteil eines größeren Romans ist, der wiederum vom übergeordneten Erzähler Cal verfasst worden ist. Ein erfolgloser Autor, ein durchschnittlicher Angestellter bei einem Verlag, der todkrank ist. Sein einziger Wunsch ist es, einen Bestseller zu schreiben, um seine Freundin Schuldenfrei zu hinterlassen. John Kessel schreibt aus der Position der Altersweisheit heraus und blickt vielleicht ein wenig über die eigene Schulter. Auch er verweigert aber seinen Lesern eine abschließende Antwort.  

 Matthew Hughes fügt seiner Saga um Baldemar ein weiteres Kapitel hinzu. Inzwischen haben sich aber auch einige stereotype Muster eingefahren. So übernimmt Baldemar eine im Grunde harmlose Mission, die sich natürlich schlecht entwickelt und ihn in Lebensgefahr bringt. Dieses Mal geht es um Zwillinge, die vom augenblicklichen Herrscher ungerecht behandelt werden. Der Ton ist humorvoll, die Plotentwicklung lange Zeit interessant und auch lesenswert, bevor abschließend zu viele Zufälle zusammenfallen und Baldemar weniger agieren oder reagieren kann, sondern zu einem Spielball eher des Autors als der Handlung geworden ist.

Zwillinge spielen auch in Rich Larsons Abschlussstory „Contagion´s Eve at the House of Noctambulos“ eine wichtige Rolle. Seuchen und Hungersnöte haben die Menschheit auf dem Höhepunkt ihrer Population drastisch reduziert. Die Menschen suchten sich in Form einer einflussreichen Familie Sündenböcke, von denen nur einer nach mehr als einhundert Jahren im Bunker versteckt überlebt hat. Sie haben die Biogenetik auf einen einsamen, technisch nicht unbedingt nachvollziehbaren Höhepunkt getrieben und stellen im Grunde alles aus diesen gezüchteten Kunststoffen her. Vor der großen Jahrhundertfeier im Exil kommt es zur Konfrontation zwischen zwei Brüdern. Auch wenn der Hintergrund gut extrapoliert ist, fehlen einige Informationen. Zu vieles wird zu plakativ in den Raum gestellt und der Hintergrund ist inklusive der verschiedenen Charaktere eher spärlich entwickelt. Es ist schade, dass Rich Larson sehr viel Potential angesichts der guten Ausgangslage verschenkt und sich lange Zeit eher auf die Beschreibung dieser exotischen Welt konzentriert als das Konfliktpotential zu entwickeln.

 Einsamer Höhepunkt ist im Grunde „A Star is Born“ mit Meerjungfrauen. R.S Benedicts „All of Me“ beginnt damit, dass ein Hollywood Schauspieler über Bord fällt und von einer mystischen Kreatur gerettet wird. Auch wenn das Wort Meerjungfrau expliziert an keiner Stelle genannt wird, ist sie klar als solche zu erkennen. Der Schauspieler Eddie bringt seiner Retterin Sprache bei, an Land verwandelt er ihren Flosse dank eines geschickten und schweigsamen Plastikchirurgen in Beine. Er nennt sie Isabel. Mit ihrer unglaublichen Stimme wird sie zu einem Star und bringt Millionen. Aber immer wenn sie eine Gliedmaße – vor allem durch Gewalt Eddies – verliert, bildet sich eine neue, eine weitere Isabel, deren Erscheinen ja geheim gehalten werden muss, um ihren Hintergrund nicht zu erklären. Sie kehren ins Meer zurück, aber die Originalisabel hat einen unheilvollen Einfluss über ihre Klone, während Eddie wiederum Isabel zu kontrollieren sucht.

Eine dunkle Geschichte voller impliziert sexueller Gewalt und Dominanz. Auch wenn Isabel lange Zeit wie ein Opfer erscheint, dominiert sie Eddie auch durch ihre Gleichgültigkeit, ihren Qualen gegenüber. Sie weiß ja, das sie nicht mehr alleine ist. Das Ende ist zynisch, aber konsequent. Die Charaktere sind unabhängig von den wechselnden Perspektiven und vor allem ineinander fließenden, aber nicht chronologisch präsentierten Handlungsebenen dreidimensional, aber nicht konsequent sympathisch gezeichnet. Vor allem hat R.S. Benedict den Mut, aus einem eher altbekannten Plot etwas wirklich Originelles und Neues zu zimmern, das lange im Gedächtnis bleibt.     

 Die kürzeren Texte dieser Ausgabe sind interessant, aber auch wenig befriedigend. Bei „Miscellaneous Notes from the Time an Alien Came to Band Camp Disguised as My Alto Sax“ aus der Feder Tina Connolly fasst der Titel dieser bizarre Geschichte ausgesprochen gut, ein wenig überzogen zusammen. Deutlich besser ist Diana Peterfreunds „Playscape“, in welcher die Alterssorgen von jungen Müttern und Vätern beschrieben werden. Eine Mutter „verliert“ ihr Kind, es verschwindet spurlos. Der Nachbar mit einem gleichaltrigen Kind vergeht vor Sorge, ihm könnte es auch passieren. Eine gefährliche Ecke scheint die Rutsche mit einer nicht einsehbaren Wende zu sein. Die Autorin beschwört sehr geschickt die Urängste der Eltern und bietet keine abschließende Erklärung an, aber einen Moment der Hoffnung. Gut geschrieben mit überzeugenden Figuren bleibt ein unangenehmes Gefühl zurück, wie es den besten Texten Stephen Kings zum Beispiel auch zu Eigen ist.  „Bella and the Blessed Stone“ ist eine der Geschichten, in denen bittere Realität – Mutter und Tochter werden vom alkoholkranken Vater misshandelt – mit Phantasie – ein an der Erde vorbei fliegender Meteorit verspricht Rettung – verbunden wird und Nick Dichario aufzeigt, wie schnell dieser magische Moment im blanken Auge des Kommerz wieder verfliegen kann. Die Pointe ist vielleicht vorhersehbar, aber trotz der Kürze überzeugt die Story dank der Verbindung zwischen der angesprochenen Realität und einem magischen Ereignis.   

 Neben den Rezensionen und dem wissenschaftlichen Beitrag ragt aus dem sekundärliterarischen Teil vor allem David J. Shows Abrechnung mit der neuen „Halloween“ Verfilmung heraus. In seinem Essay arbeitet der Autor deutlich heraus, das selbst eine gute Grundidee nicht ausreicht, um Michael Myers am Leben zu erhalten.

 Zusammengefasst präsentiert sich „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ März/ April als eine durchschnittliche Ausgabe mit einigen wenigen Höhepunkten, aber auch dem Mut, neue junge Stimmen zu präsentieren, die in aller Ruhe noch reifen sollten, vielleicht auch müssen. Aber denen der Leser auch gerne wieder begegnet.

March/April 2019 issue of The Magazine of Fantasy & Science Fiction

www.sfsite.com

Paperback, 264 Seiten