Die besten Stories von 1943

Isaac Asimov

Isaac Asimov schreibt im Jahr der Kriegswende mehr über die Ereignisse in der irrealen, für den Leser aber einzigen Welt als über die Autoren, die mit sechs dafür deutlich längeren Texten vertreten. Der Zweite Weltkrieg hat nicht nur die Leser an die Front gerufen. 

 Leigh Brackett eröffnet mit "Halbmensch" die Ausgabe. Es könnte sich aber auch um eine erwachsene "Captain Future" Geschichte ihres Ehemanns handeln. Vor einem exotischen Hintergrund - einem Weltraumzirkus - entfaltet sich eine Art Rachegeschichte.  Eine sinnliche, aber hungernde Tänzerin erweicht das Herz des Zirkusdirektors. Leigh Brackett erschaff mit wenigen, aber perfekten Beschreibungen eine aus heutiger Sicht klassische, damals aber auch revolutionär perfide Zirkusatmosphäre, bevor sich auf den letzten Seiten die Ereignisse überschlagen. Kritisieren lässt sich höchstens, dass fremde Kreaturen von den bewohnbaren Planeten wie dem Merkur, der Venus oder dem Mars ohne Gefühle getötet werden können, damit das Drama vor dem gut gezeichneten Science Fantasy Hintergrund seinen Gang gehen kann. 

 Fredric Brown ist vor allem für seinen Humor bekannt, aber zu seinen interessanten und frühen Geschichten gehört auch der paranoide Thriller "Daymare". Rod Caquer ist seit fünf Jahren Leutnant der Polizei im dritten Sektor auf Calisto. Kapitalverbrechen kommen nicht vor. Darum ist er überrascht, als man ihn zum Tatort eines Mordes ruft. Willem Deem, der Besitzer eines kleinen Ladens, ist scheinbar erschlagen worden. Die dünne Atmosphäre von Calisto beheimatet eine Reihe von Bakterien, die Leichen schnell zersetzen. Innerhalb einer Stunde ist keine Untersuchung mehr möglich. Caquer kommt kurz vor Ablauf dieser Frist am Tatort an. Ein Augenzeuge berichtet ihm vom Geräusch eines Schusses und das direkt unter dem Herz eines Schußwunde zu sehen war, der Arzt, der die Leiche untersucht hat, spricht von einer Blasterwunde und anschließendem Schockzustand, die Sanitäter, die den Toten abtransportiert haben, von einem eingeschlagenen Kopf. Caquer macht sich an die Ermittlungen, wird von Alpträumen geplagt und entdeckt, daß Deem unter dem Tisch verbotene Pamphlete (theoretischer und praktischer Natur) verkauft hat. Kaum vermutet Rod Caquer dort ein Motiv, wird ihm ein zweiter Mord – dieses Mal als Selbstmord getarnt – gemeldet. Der Tote ist äußerlich… Willem Deem, zumindest seine Hülle. Aber diese Leiche ist nicht der letzte tote Willem Deem…

Mit diesem spannenden Thriller präsentiert sich Fredric Brown mit einem gänzlich neuen Gesicht: zum ersten Mal spielt die Geschichte nicht auf der Erde, sie spielt in einer ferneren Zukunft, es finden sich typische SF Elemente wie Blaster, im Gegensatz zu den märchenhaften humorvollen Tönen seiner anderen frühen Geschichten ist dieser Stoff für erwachsene Leser geschrieben. Dabei nutzt er seine Erfahrungen aus dem Bereich des Krimis und schildert die Ermittlungsarbeit mit der nötigen Einbeziehung des Lesers, läßt aber ausreichend Fäden in der Luft hängen, um den Spannungsbogen nicht zu zerstören. Der Ablauf der Ereignisse erinnert aber an einen sehr frühen Text von Philip K. Dick: ein normaler Mensch (in diesem Fall ein Polizist) wird augenblicklich in einen Strudel von Ereignissen gerissen, die er nicht mehr kontrollieren kann. Es geht um Realität und Traum, die Identität der Leichen, verborgene Wissenschaften (hier ausgedrückt durch Druckwerke, die auf dem Index stehen und nur unter dem Ladentisch weitergegeben werden) und schließlich ein Verbrechen, das sich wie ausgangs beschrieben nicht abgespielt hat. Es ist durchaus möglich, daß Philip K. Dick zumindest für einen Teil seiner Geschichten diese Ideen unbewußt aufgenommen hat. Verpackte sie Brown noch in einer geradlinigen Krimihandlung mit einer anschließenden Aufklärung -der Held muß es seiner Verlobten erklären und der Autor fängt mit diesem Trick die Leser wieder ein, die im Laufe des Verwirrspiels „verlorengegangen“ sind- verschwomm in Dicks Werk auch diese Ebene. Bis zum Schluß ist nicht erkennbar, ob Caquer verrückt geworden ist oder seine Ermittlungen ihn zu einem Erfolg führen.

Die erfolgreiche Kombination von Pulp-Krimielementen und Hard-SF wird Fredric Brown noch öfter in seiner Karriere wagen, hier verzichtet er in dieser grimmigen Geschichte auf jeglichen Humor und offeriert einen heute noch sehr lesenswerten Stoff.

Alfred Elton van Vogt ist mit „Der Sturm“ vertreten. Viele werden den Text eher aus einem seiner späteren Fugenromanen kennen. Es ist eine für van Vogt so typische Geschichte mit vielen Ideen, bizarren Situationen, einem sehr hohen Tempo und schließlich fehlender Grundlogik. Es gibt in den Tiefen des Alls eine Maschinenzivilisation, die sich vor den aggressiv expandierenden Menschen versteckt. Um diese zu täuschen, soll eine menschliche Kreatur mit einem Doppelhirn – dieser Aspekt ist sehr wichtig – das Raumschiff der Menschen auf einen Kurs bringen, der sie zwingt, einem der gigantischen Stürme im All auszuweichen. Diese Flucht soll die Menschen an Bord lähmen, während das Doppelhirn weiterhin funktioniert. Es soll den Angreifern die Schotten des Raumschiffs öffnen. Der Planscheitert schließlich an Kleinigkeiten, das gigantische Raumschiff stürzt ab. Auf dem Planeten kommen sich die Anführerin der Menschen – eine wunderschöne junge Frau – und der Mann mit dem Doppelhirn näher. Van Vogt ist ein expressiver Autor, der Fantasy Elemente wie die attraktive Königin in diesem Fall mit einem Drama von Shakespeares Dimensionen verbindet. Seine Figuren sind eckig, kantig, aber auch teilweise klischeehaft. Die einsame Prinzessin/ Königin; der Mann auf einer Mission. Tausende von Toten, die plötzlich nicht mehr zählen. Gigantische Raumschiffe, die über Planeten abstürzen. Van Vogt ist wie ein surrealistischer Pulpalptraum; schnell zu lesen, durchaus auch spannend und intensiv, aber bei näherer Betrachtung auch unlogisch und konstruiert.

Eric Frank Russels „Symbiose“ ist auch nur ein Teil eines später veröffentlichten Episodenromans, in dem die Abenteuer eines Erkundungsraumschiffs beschrieben werden. Vieles wirkt ein wenig seichter als bei van Vogts „Space Beagle“, aber im Gegensatz zu Russels sonst humorvollen Texten gibt es bei der Erkundung der wirklich fremdartigen Welt auch Tote. Der Engländer baut eine Situation über die Nächste, wobei der Leser nicht alles umgehend nachvollziehen kann. Manche Wendung wirkt stark konstruiert, an deren Stellen sind die Erklärungen nicht zufriedenstellend genug. Auch der typisch exzentrische Humor des Briten wird vor allem zu Beginn mit den ein wenig eindimensionalen Protagonisten deutlich vermisst. Auf der anderen Seite ist es in mehrfacher Hinsicht eine bemerkenswerte Geschichte. Zum einzigen Mal in diesem Zyklus reagieren die Menschen von Beginn an aggressiv. Die Außerirdischen können sich aber nicht nur sehr gut werden, die einzelnen Symbiosen beginnend in der Pflanzenwelt und endend bei Mäuseähnlichen Kreaturen mit überdurchschnittlich großen Augen sind gut beschrieben worden und geben der ansonsten zu sehr nach dem Muster einer Schablone verfassten Geschichte ausreichend exotisches Beiwerk.  

Henry Kuttner ist wahrscheinlich mit zwei Geschichten unter verschiedenen Pseudonymen in dem Jahresband 1943 vertreten.  Wahrscheinlich, weil niemand mehr genau weiß, wieviel und ob er an den Geschichten in Zusammenarbeit mit seiner Frau C.L. Moore mitgeschrieben hat oder nicht. Einige Quellen behaupten, dass Henry Kuttner unter dem Pseudonym Lawrence O´Donnel „Entscheidung nach der Schlacht“ alleine geschrieben hat. Es ist ein Science Fantasy Abenteuer, das von den gigantischen Schlachten unter der dichten Wolkendecke auf der Venus berichtet. Dabei orientiert sich der Autor an den Söldnerherden archaischer irdischer Zeiten. Die Söldner werden angeheuert, um die Konflikte zwischen den einzelnen Stützpunkten auszufechten. Sie werden gut mit Gewinnbeteiligung bezahlt. Die Regeln sind streng. Es soll keine abschließende Vernichtung des Feindes stattfinden. Die Söldnerheere sind eher Spezialisten, gut ausgerüstet. Die Geschichte konzentriert sich auf das Leben eines dieser Söldner, der zwischen seiner Geliebten und dem Leben im Kampf sich entscheiden muss. Der Hintergrund ist archaisch, die Beschreibungen der einzelnen Festungen eher pragmatisch und die einzelnen Gefechte erscheinen fast verwirrend, aber Henry Kuttner und/ oder C.L. Moore haben eine einzigartige „Venus“ Geschichte geschrieben, die sich positiv von Burroughs Visionen abhebt und trotzdem  ausgesprochen gut unterhält. Die Figuren sind kantig, aber auch zugänglich beschrieben worden. Das Tempo ist im direkten Vergleich zu van Vogt zwar hoch, aber gut abgestuft.

Die zweite Geschichte gehört zu seinem in Deutschland in einem Heftroman gesammelten „Gallagher“ Zyklus. Gallagher ist ein Erfinder, der nur betrunken arbeiten kann. Natürlich erinnert er sich wie in „Der eitle Roboter“ dann nicht an seinen Auftrag. Die Figur erscheint übertrieben auch die Idee, den Roboter als eine Art Flaschenöffner zu konzipieren hat wenig mit dem eigentlichen Plot zu tun, in dem es um Raubkopien eines modernen Fernsehens geht. Die Auflösung der Geschichte ist nicht nur ausgesprochen simpel, sie hat vor allem das Problem, dass der ideentechnisch bestohlene Erfinder sich strafbar macht. Aber das spielt keine Rolle. Henry Kuttner bemüht sich, seinen Exzentriker Gallagher überzeugend, aber nicht unbedingt liebenswert zu beschreiben, wobei sich die Frage stellt, ob ein Alkoholkrankes Genie in die vierziger Jahre, von der Gegenwart ganz zu schweigen überhaupt passt. 

Auch wenn sich Greenberg und Asimov mehr auf wenige Novellen konzentriert haben, werden alle Themen des Genres von der exzentrischen Komödie bis zur dunklen Space Opera ausreichend gestreift, um einen weiteren guten Eindruck in dieses vom Krieg sehr gezeichnete SF Jahr zu geben. 

 

Bildergebnis für die besten stories von 1943

Moewig Verlag

Playboy Science Fiction 300 Seiten