Die besten Stories von 1941

Isaac Asimov (Hrsg.)

Das Jahr des amerikanischen Kriegseintritts bescherte der Science Fiction – so zynisch es klingt – eine Handvoll von ausgezeichneten Geschichten, aber auch einige neue Autoren, die für Jahrzehnte das Feld prägen sollten. Das der Herausgeber Isaac Asimov sogar mit zwei Geschichten vertreten ist, entspricht seiner grundsätzlich „bescheidenen“ Mentalität.

Eröffnet wird die Anthologie durch Eric Frank Russells unter Pseudonym veröffentliche ironische Satire „Mechanische Mäuse“. Der Reporter trifft auf einen Erfinder, der Ideen aus der Zukunft stiehlt, ohne die Funktionen wirklich zu kennen. Das führt natürlich zu einem entsprechenden Chaos, wobei die Absurditäten ein wenig zu übertrieben erscheinen und die brachialen Lösungen dagegen zu primitiv. Russell kann aber aus dem Nichts heraus Chaos entwickeln und den Leser dank des hohen Tempos und der gut übersetzten, auch im Original schon vorbildlich doppeldeutigen Dialoge von der absurden Ausgangssituation ablenken.

Interessant ist, dass Ted Sturgeon mit einer seiner besten Kurzgeschichten „Der mikrokosmische Gott“ diese Idee auch aufgegriffen und auf eine gänzlich andere Art verfeinert hat. Kidder ist im Auge der Öffentlichkeit ein Genie, ein Erfinder, der durch seine „Fähigkeiten“ fast jeden Aspekt des menschlichen Lebens verbessern kann und will. Nur benutzt er Ideen von anderen Menschen und verändert diese. Da die Menschen ihm nicht genügend Ansätze geben, versucht er mittels Züchtung einen perfekten „Spiritus Rektor“ zu erfinden.  Irgendwann macht sich die Erfindung selbstständig, weil die Menschheit sich grundsätzlich als habgierig und im Grunde nicht würdig erweist.

Vor allem die grandiose Zeichnung der einzelnen schwächliche Charaktere und ihre Aktionen bzw. Reaktionen auf Erfindungen aus dem Nichts heraus zeichnet diesen zynischen und doch sehr nachdenklich stimmenden Text aus. Ted Sturgeon ist auf der einen Seite seiner Zeit weit voraus, in dem er an die Verantwortung der Menschen appelliert, auf der anderen Seite zeigt er sie als wertlose Kreaturen, selbstsüchtig und vor allem egoistisch.  

Robert Arthurs „Das Ende der Entwicklung“ wird in den vierziger Jahren nachhaltiger überzeugt haben als in der Gegenwart. Die Pointe ist zu klar zu erkennen. Der Auftakt trägt dunkle Zukunft und die entsprechende Gesellschaft von Herren und Sklaven könnte an. H.G. Wells erinnern. Das Mittelteil ist von solidem Tempo, aber wenigen nachhaltigen Überraschungen geprägt, während die eigentliche Pointe viel zu früh zu erkennen ist.

Alfred Bester geht noch einen Schritt weiter. In „Adam und keine Eva“ muss ein rücksichtsloser Forscher nach dem übereilten Start seiner Rakete lernen, dass er die Menschheit ausgelöscht und die Erde unbewohnbar gemacht hat. Technisch wird hier viel improvisiert und sehr wenig nachhaltig entwickelt, aber Alfred Bester zeichnet schon in einer seiner ersten Storys ein sprachgewaltiges wie bösartiges Bild der egoistischen Menschen. Der einzige Überlebende ohne Hoffnung auf eine Eva wandert genauso durch eine ihm fremdgewordene Welt wie die Flüchtlinge am Ende von Robert Arthurs Story „Das Ende der Entwicklung“.

Isaac Asimov präsentiert eine der frühen Robotergeschichten. In „Lügner“ stellt er einen Roboter, der Gedanken lesen kann, im Grunde vor ein unlösbares Problem. Wie kann er Menschen nicht verletzen, wenn er doch aufgrund seiner Fähigkeiten deren Urängste, aber auch Begierden plötzlich klar vor sich sehen kann. Die Auflösung ist ein wenig naiv und pragmatisch, aber wie bei vielen seiner Kurzgeschichten ist die Ausgangsbasis auch heute noch interessant.

Zu den längsten Texten der Ausgabe gehört Ross Rocklynnes „Die Zeit braucht ein Skelett“.  James P. Hogan hat Jahrzehnte später seinen Roman „Inherit the Stars“ auf einer der Prämissen aufgebaut, die Ross Rocklynne in dieser wirklich lesenswerten und sehr interessanten Novelle aufgeworfen hat. Tony Crow jagt Piraten zwischen den Asteroiden im entsprechenden Gürtel, als ihr Raumschiff an einem Berg auf Asteroid 1007 zerschellt. In einer Höhle findet man ein Skelett mit einem Ring, den einer der Anwesenden  noch trägt. Anscheinend ist mindestens einer von ihnen, wenn nicht alle in die tiefste Vergangenheit geschleudert worden. Die Hilfe eines in der Nähe forschenden Professors macht diese Prophezeiung im Grunde wahr. Nur weiß niemand aus der Gruppe, um wen es sich bei dem Skelett wirklich Handlung.

Die Erklärung der Herkunft des Skeletts ist nur bedingt überraschend. Dem Leser werden relevante Informationen vorenthalten. Unabhängig von dieser Schwäche handelt es sich aber um eine lesenswerte Science Fiction Geschichte. Unabhängig von ihrer individuellen Vergangenheit haben die auf dem Asteroiden gestrandeten Menschen ein ureigenes Doppelinteresse. Den kleinen Himmelskörper zu verlassen und in die eigene Zeit zurückzukehren.

Die einzelnen Theorien sind nicht immer nachvollziehbar, aber das spielt im Grunde auch keine Rolle. Die Auflösung mit der Selbstopferung einzelner Figuren ist spannend, die Zusammenhänge abschließend verständlich und vor allem respektiert der Autor viele ungeschriebene Gesetze der Zeitreisegeschichte, in dem er von Beginn an eine sehr fokussierte Problematik heraufbeschwört und Zeitveränderungen im Grunde auf diesem unbewohnten Asteroiden nicht in größeren Maße stattfinden können. Im Gegenteil, alles konzentriert sich auf die Handvoll von Menschen.   

C.M. Kornbluths unter Pseudonym veröffentlichte Geschichte “Die Worte des Guru“ packt zum ersten Mal ein in der SF gängiges Thema ein. Ein Kind erhält übernatürliche gefährliche Fähigkeiten und wird manipuliert. Auch wenn die sehr kurze Geschichte viele Informationen zurückhält, kann der Leser vor allem aufgrund seiner heutigen Erfahrung ahnen, in welche Richtung sich der Text im Grunde entwickeln muss.

Alfred Elton van Vogts „Die Schaukel“ wird später Einzug in seine Waffenhändlerromane finden. Der uramerikanische Slogan, dass jeder sich bewaffnen kann, erscheint im Licht des Zweiten Weltkriegs opportun, angesichts der sinnlosen Massaker der Gegenwart vor allem in den USA fragwürdig. Aus dem Nichts erscheint ein seltsamer Laden, den nur ein Journalist, aber kein Polizist betreten kann. Der ganze Plot ist aus seiner Sicht und vor allem bestehend aus einer verbalen Rückblende erzählt worden, die nicht ganz zum zynischen, aber auch passenden Ende der Geschichte passt. Die Dialoge sind pointiert, die Grundidee des Wippeneffekts bei der Reise durch die Zeit wird später von Robert Silverberg in einer Novelle sehr viel besser herausgearbeitet, aber als Keimzelle der berühmten und sehr guten Romane lohnt es sich, „Die Schaukel“ noch einmal oder auch nur das erste Mal zu lesen. Isaac Asimov hat in einem pointierten Vorwort darauf hingewiesen, dass van Vogts Texte nach „Die Schaukel“ immer komplexer, aber auch sinnfreier geworden sind. Damit hat er ohne Frage recht.     

  Sein Debüt im phantastischen Bereich feierte Fredric Brown 1941 mit der Kurzgeschichte „Armageddon“. Der einleitende Satz „It happened – of all places – in Cincinati.“ ist natürlich eine Hommage an die Stadt, in der Brown jahrelang gelebt und gearbeitet hat. Ein kleiner Junge möchte unbedingt bei der Aufführung eines Magiers bei dem Taubentrick auf die Bühne, der einzige Trick, den der Junge noch nicht durchschaut hat. Es gelingt ihm, rechtzeitig sich als erster freiwillig zu melden (da er die Aufführung schon kennt, ist die Frage noch nicht vollendet, als er auf die Bühne rennt). Im fernen Tibet droht eine Überschwemmung die Gebetsmühlen wegzuspülen und obwohl ein Mönch versucht, eine besonders alte Mühle zu retten, wird diese weggeschwemmt und bleibt an einem Felsen hängen und hört auf, sich zu drehen. Das öffnet dem Teufel das Tor zur Erde, der natürlich in die Gestalt des Magiers fährt und als dieser seine Box öffnet, droht das Armageddon. Nur der Instinkt des Jungen und seine jugendliche Unbekümmertheit retten die Erde und dafür erhält er später von seinem Vater eine besondere Belohnung.

 Die Geschichte ist knappe vier Seiten lang, doch in ihrer Konzentration zeigt sie einige Elemente auf, die für Fredric Brown typisch werden: die Ironie am Ende der Geschichte ist genauso wichtig wie die genaue Beobachtung alltäglicher Ereignisse. Ihm gelingt es, mit wenigen knappen Sätzen Charaktere zu schaffen (dabei kann er mit Kindern und Jugendlichen genauso gut umgehen wie mit Erwachsenen). Hinzu kommt eine Kette von scheinbar unzusammenhängenden Ereignissen, aus denen Brown eine Geschichte „bastelt“. Diese Elemente sind unwahrscheinlich und an den Haaren herbeigezogen, doch Browns nüchterner Stil läßt sie für die Dauer der Lektüre logisch erscheinen. Im Gegensatz zu vielen anderen Debütautoren hatte Fredric Brown zu diesem Zeitpunkt schon mehr als einhundert Detektiv- und Gaggeschichten geschrieben und so überrascht die Selbstsicherheit nicht, mit der er den Text präsentiert.

 Zu den interessanten Geschichten dieser Sammlung gehört „Solarplexus“ von James Blish. Ein Mann verändert sich und wird eins mit dem Raumschiff und dem Computer an Bord des Schiffes. Greenberg und Asimov veröffentlichen immer die ursprünglichen Magazintexte. James Blish hat die sehr progressive und einige technische Entwicklungen sehr gut erahnende Geschichte noch einmal gründlich überarbeitet und den eigentliche Inhalt ein wenig verzerrt. Willentlich unterwirft sich der Protagonist Murray Bennett den entsprechenden Operation. Er entführt als Cyborg Raumschiff den Astronomen Brant Kittinger.  Er ist nicht der einzige Gefangene an Bord. Gemeinsam versuchen sie, das Raumschiff und das inzwischen verrückte gewordene Bewusstsein zu übertölpeln, wobei der Titel einen wichtigen Hinweis gibt. Viele Ideen  und Aspekte werden die Leser in unzähligen später veröffentlichten Geschichten anderer Autoren wieder finden, hier ist die entsprechende Quelle. Und spannend ist die Geschichte aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit auch noch. 

 „Die Nacht wird kommen“ von Isaac Asimov ist wahrscheinlich die berühmteste Geschichte dieser Anthologie. Auf einem stetig von mindestens einer der sechs Sonnen beschienenen Planeten droht alle zweitausendfünfhundert Jahre der Zusammenbruch der Zivilisation. Immer, wenn zum ersten Mal eine echte Nacht auf dem Planeten herrscht, weil die Position der Sonnen eben für bestimmte Zeit nicht die Oberfläche der Welt erreicht. Logisch gesehen müsste die totale Dunkelheit sich zumindest eine gewisse Zeit andeuten, da sie nicht schlagartig den ganzen Planeten befallen kann. Aber Isaac Asimov beschreibt eindringlich, wie die Urinstinkte der Menschen wieder die Kontrolle übernehmen. Auch die Protagonisten sind ausgesprochen gut gezeichnet worden.

 Zwei Science Fantasy Geschichten schließen die Sammlung ab. In „Es war einmal ein Zwerg“ von Henry Kuttner und C.L. Moore fällt ein Ingenieur auf der Suche nach Bodenschätzen in eine Höhle. Er findet ein unterdrücktes Zwergenvolk. Wie alle anderen Arbeiter muss er hart arbeiten, während sich der dekadente Zwergkönig jeden Tag mindestens drei Schlammbäder gönnt. Am Ende des Tages zettelt der Mensch eine Revolution an, deren Ende ganz andere Folgen hat es er ahnt.

 Bei Anthony Bouchers „Snulbug“ beschwört der Protagonist einen Dämonen, dessen Kräfte aber nur bedingt ausreichen, um in die Zukunft zu sehen.

 Beide Texte verfügen über ein komisches Potential, das sich vor allem in den pointierten Dialogen zeigt. Die Handlungen sind stringent und die abschließenden Pointen in allerdings unterschiedlicher Hinsicht überzeugend. Während man bei Kuttner/ Moore zumindest einen kleinen Teil des Endes ahnen kann, ist Boucher konsequenter und nutzt eine Besonderheit, an welche der Leser erst rückblickend denkt. Unabhängig von der Tatsache, dass die Art des Geldverdienens auch einen riesigen Einsatz von Kapital bedingen würde.

 Auch „Die besten Stories von 1941“ ist eine Pflichtlektüre. Viele grundlegende Geschichten sind in diesem Jahr erschienen und werden hier gut zusammengefasst. Wer sich mit der Historie nicht nur des Golden Age, sondern im Grunde des ganzen Genres auseinandersetzen möchte, kommt an dieser kurzlebigen Reihe gar nicht vorbei.             

picture

  • ublication: Die besten Stories von 1941Publication Record # 423366
  • Editor: Isaac Asimov
  • Date: 1981-02-00
  • ISBN: 3-8118-6713-X [978-3-8118-6713-0]
  • Publisher: Moewig
  • Pub. Series: Playboy Science Fiction
  • Pub. Series #: 6713
  • Pages: 334
  • Format: Paperback.