Die Science Fiction Chroniken 3

H.J. Müggenburg

Der dritte Band der Science Fiction Chroniken umfasst drei ursprünglich im Zauberkreis Verlag veröffentlichte Romane aus den Jahren 1975 und 1976, wobei in zwei der drei Fälle wieder auf die Originalmanuskripte zurück gegriffen werden konnte.
H.J. Müggenburg hat nicht nur in seinen „Hexer Stanley“ Werken, sondern auch in den hier chronologisch neu veröffentlichten Science Fiction Arbeiten mehrfach bewiesen, dass er einen flotten Plot mit Humor und durchaus sozialkritischen Seitenhieben auf gegenwärtige – das bezieht sich auf die siebziger Jahre wie die Gegenwart des 21. Jahrhunderts – anreichern kann.


„Eine durchaus friedliche Invasion“ (Zauberkreis SF 160) ist eine interessante Mischung aus Jack Williamsons „Wing 4“ und Invasionsgeschichten wie Fredric Browns „Die grünen Teufel vom Mars“, mit einem Auftakt, der natürlich an „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ erinnert. Nur ohne Gort, den Roboter. Dafür aber mit einem unzerstörbaren Aktenkoffer, der abseits der fast magisch erscheinenden Kräfte des Raumschiffs wahrscheinlich Tonnen wiegt.
Ein Raumschiff landet in Amerika, ein Mann mit dem angesprochenen Aktenkoffer entsteigt dem Schiff. Die paranoide Regierung versucht ihn zu töten, da man in ihm den Vorboten einer Invasion sieht. Müggenburg nimmt sich sehr viel Zeit, diese im Grunde wie ein Klischee erscheinende Ausgangsprämisse auszubauen. Stoisch nimmt der Mann alle immer exzentrischer und extremer werdenden Versuche hin, ihn zu töten.

Am Ende scheint der Regierung buchstäblich der Atem auszugehen. Andere Raumschiffe landen und Klone des ersten Abgesandten übernehmen nach und nach formal die Kontrolle.

Die Idee, das die Fremden den Menschen helfen wollen, ist nicht unbedingt neu. Mit Humanoiden hat es Jack Williamson in seinem satirischen Roman „Wing 4“ schon auf die Spitze getrieben. H.J. Müggenburg geht den gleichen und doch anderen Weg. Die Fremden möchten die wenige vorhandene Intelligenz im Universum vor der Selbstzerstörung schützen. Dazu versuchen sie eine Art Hilfe zur Selbsthilfe. Keine klassische Diktatur, auch keine normale Entwicklungshilfe mit erdrückenden Geschenken. Im Laufe des Buches wird erst klar, wie selten Planeten wirklich sind, die von intelligenten Lebewesen bewohnt werden.
Bei den verschiedenen Gesprächen – unter anderem mit seinen beiden Protagonisten, die als OSS Agenten bis an die Spitze der Macht verstoßen können und leider auch müssen – legt der Autor den Finger in eine Reihe von Wunden. Die Armut, die Korruption, der Egoismus, im Grunde auch die beiden Extreme Kapitalismus und im Gegenzug Sozialismus werden gestreift und schließlich als in der vorliegenden Form untauglich verworfen.
Natürlich macht es sich der Autor politisch auch ein wenig leicht. Die vor allem nebenbei erklärten technischen Möglichkeiten der Fremden geben ihnen auch pragmatisch die Chance, mit mehr als sanftem Druck von außen, aber keiner direkten Gewalt die sozialen Struktur zu ändern, den Kalten Krieg zu beenden und die Masse der Politiker einfach aus ihren Ämtern zu jagen. Dabei werden die Missstände schonungslos aufgeführt, welche die Menschen nur unter größten Anstrengungen und Überwindung einer Reihe von Phlegmas angehen könnten.
Mit dem wahrscheinlich durch einen Putsch an die rudimentäre Macht in den USA gekommenen Präsidenten Sandersaw hat Müggenburg dann auch das ultimative Feindbild erschaffen, der mit der Drohung der Zerstörung von vier eigenen amerikanischen Städten und Millionen von Unschuldigen durch die letzten Atomraketen in einem geheimen Geheimbunker zeigt, wie egoistisch opportunistisch und paranoid das Land geworden ist. An seiner Seite stehen ja vor allem auch Marodeure und ehemalige Bandenmitglieder, die sich in seinem langen Schatten unendliche Vorteile versprechen.

Natürlich zeigt Müggenburg auf der einen Seite menschliche Extreme auf, während auf der anderen Seite die beiden Hauptprotagonisten vor allem auch als intelligente Mittler zwischen den Fremden und Menschen viel zu gut, zu intelligent und abschließend auch durch mehrere Glücksfälle zu effektiv erscheinen, während die Schurken auch an der eigenen Überheblichkeit scheitern.
Es ist schwer, einen solchen Roman zufriedenstellend abzuschließen, aber H.J. Müggenburg gelingt es überzeugend und den Leser nachdenklich stimmend mit einer Art Schlusszeilenholzschlaghammer, der allerdings sorgfältig vorbereitet und nicht aus der Luft gegriffen erscheint. Mit einem hohen Tempo und einem Auge für durchaus berechtigte soziale Kritik auf höherer Ebene die Klischees des Genres überzeugend und routiniert spielend gehört „Eine durchaus friedliche Invasion“ mit den erwähnten Klassikern dieses Subgenres weit nach oben in die Hierarchie dieser Geschichten und ist zu Unrecht von der Zeit vergessen worden.


Nicht nur der Titel „Psychomechanik“ (Zauberkreis 165) erinnert an Philip K. Dick. Als Grundlage seines Plots hat der Autor ein stringentes Agentenabenteuer gewählt. Blackers Stern ist ein von Menschen besiedeltes Sonnensystem, das schon einmal einen Ermüdungskrieg gegen die Erde geführt hat. In den letzten Jahren hat die dortige Diktatur massiv aufgerüstet. Eingeschleuste Beobachter bis auf eine Spitzenkraft verschwinden und die Überwachung wird von der Erde aus immer schwieriger. Darum beschließt der terranische Geheimdienst Terranean Special Service, einen weiteren eher im Service isoliert eingesetzten Mann Gordon Gallagher auf den Hauptwelt in dem System zu schicken, da er sich erstens auf dem Planeten gut auskennt und er zweitens wegen bestehenden Todesurteils in doppelter Hinsicht kein Aufsehen erregen darf. Er soll den immer noch nicht entdeckten Schläfer kontaktieren und hinter die Kulissen der Welt schauen.
Bis zur Mitte des geradlinigen Abenteuers hat der Leser das Gefühl, eine futuristische, aber auch klassische teilweise sogar klischeehafte Agentengeschichte zu lesen. Gallagher bereitet sich intensiv auf die Mission vor. Selbst auf dem Planeten gelingt ihm mit einem Taschendiebtrick, die Kontrollen zu überwinden und seine Identität immerhin viermal zu wechseln.

Dann dreht sich der Spieß quasi um. Gallaghers mühsam aufgebaute Infiltration wird innerhalb von Sekunden zerlegt und er gefangen genommen.

Ab diesem Augenblick wird aus dem immer noch im Hintergrund aktiv vorangetriebenen Agentenabenteuer dank der „Psychomechanik“ Technik eine Geschichte, die Philip K. Dick erfunden haben könnte. Identitäten spielen keine echte Rolle mehr. Persönlichkeiten können archiviert und in neue Körper verpflanzt werden. Ganze Figuren werden auf Datenträger reduziert und am Ende wird eine Art relative „Unsterblichkeit“ angeboten. Dabei sind sich einige Protagonisten nicht mehr ihrer eigenen echten und programmierten Vergangenheit bewusst.
Müggenburg präsentiert ein Feuerwerk vor allem für einen Heftroman der siebziger oder achtziger Jahre ungewöhnlicher, zumindest solide herausgearbeiteter Ideen. Dabei spielt er auch mit der Idee, das der Tod nicht unbedingt das Ende sein muss.
Auffällig ist zwar weiterhin, dass sich Gallagher im Rahmen seiner Mission teilweise doch wie ein Tollpatsch verhält. In einer verlassenen Stadt mit weniger als dreißig Häusern und nur einem Mann auf der Straße muss man nicht gleich mit der Tür in das Haus fallen. Zumal die gesuchte Person für den Diktator überlebenswichtig ist und bei jeder Frage nach seinem Aufenthaltsort doppelt misstrauisch wird. Vielleicht zeugt es auch von Arroganz auf Seiten der Führungsetage, wenn im Grunde ein Schlüsselträger unbewacht und für sich alleine leben kann.
Auch später hilft Gallagher an einigen Stellen der Faktor Zufall, wobei sich der Autor nicht zu schade ist, auch wichtige Nebenfiguren aus dem Nichts heraus zu „töten“. Und einige sind auch wirklich ums Leben gekommen, wenn der Leser die Implikationen genau liest.
Auf der anderen Seite steht das Spiel mit Persönlichkeiten, Kopien und schließlich aus der psychomechanischen, die Gedanken eines sterbenden Menschen aussaugenden Sonde im Vordergrund. Die Action ist gut ausbalanciert, im elementaren mittleren Abschnitt zieht der Autor das Tempo zufriedenstellend mit zwei kleinen Paukenschlägen an, um während des Finals den Agenten gleichzeitig als Sieger und Verlierer darzustellen.
Philip K. Dick geht mit seiner grundlegenden Paranoia noch ein mehr in die Tiefe und hinterfragt in Arbeiten wie „Total Recall“ alles. Müggenburg treibt seinen Plot nicht so weit, aber wie beim Amerikaner weiß der Leser anschließend nicht mehr, welcher Charakter unter der Haut steckt. Zumindest handelt es sich aber noch um Menschen.
Die Antagonisten agieren allerdings wie in James Bond Manier ein wenig zu arrogant, selbstverliebt und schließlich auch egoistisch. Stellvertretend für den Leser werden viele Pläne Gallagher offenbart, die restlichen Informationen erhält er schließlich von dem Schläfer des terranischen Geheimdienstes. Das ist literarisch wie cineastisch schwer anders zu vermitteln, um den Spannungsbogen hoch zu halten, wirkt aber natürlich auch wie eine Art Klischee.
Der Tonfall ist deutlich dunkler als in einigen seiner anderen Science Fiction Romane oder gar den Hexer Stanley Texten. Zwar versucht sich Gallagher an ein wenig zynischen Humor, aber er ist keine Inkarnation der tragischen Hardboiled Helden oder eine James Bond Karikatur.
Zusammengefasst ist „Psychomechanik“ aus anderen Gründen wie „Eine durchaus friedliche Invasion“ ein empfehlenswerter Roman, der weniger auf eine Schlusssatzpointe aus ist, aber im Epilog einen kleinen Paukenschlag bereit hält.
„Die Auserwählten“ (Zauberkreis 171) ist ohne Frage H.J. Müggenburgs am meisten ambitionierter, aber auch ein wenig frustrierender Roman dieser Sammlung. Zwei hoch dotierte Wissenschaftler in unterschiedlichen Bereichen werden von einem in unterschiedlicher Erscheinungsformen auftretenden Außerirdischen in einem Abstand von zwei Jahren entführt und auf einem bewohnbaren einsamen Planeten ausgesetzt. Anscheinend sind die unfreiwillige Mitglieder und vorläufiger Höhepunkt eines seit vielen Generation unauffällig durchgeführten Zuchtprogramms auf der Erde. Sie leben zusammen. Zwillinge werden geboren.
Der Entführer offenbart sich schließlich und präsentiert sie als Schlüssel in einem intergalaktischen Konflikt. Der Auftakt des Romans ist überzeugend und vor allem spannend. Der Autor wirft eine Reihe von Fragen auf und baut kontinuierlich eine Spannung auf. Allerdings respektieren sich wie in „Psychomechanik“ Mann und Frau zuerst, bevor sie im vorher erschienenen Band eine Art Scheinehe eingehen müssen, um ihre Tarnexistenzen aufrecht zu erhalten, während sie in „Die Auserwählten“ im Grunde keine andere Wahl haben. Sie sind ja alleine auf dem Planeten. Die emotionale Ebene wirkt eher pragmatisch entwickelt und H.J. Müggenburg ist in dieser Hinsicht kein Mann wirklich großer Worte.
Der abschließend aufgedeckt Plan wirkt derartig ambitioniert und aufgebläht, kritisch gesprochen auch voller logischer Löcher, dass man es mit Befremden liest. Über Generationen Menschen zu züchten, um in einem anderen Konflikt eingreifen zu können, erscheint absurd. Hinzu kommt, dass die Zwillinge besondere Fähigkeiten entwickeln, die das Ziel des Zuchtprogramms gewesen sein sollen. Warum allerdings plötzlich diese Besonderheiten auftreten, da sie über Generationen eben nicht wie bei den Guppies herangezüchtet werden können, erläutert der Autor nicht.
Das Ende der Geschichte wirkt ein wenig bemüht und kommt relativ hektisch daher. Auch das Happy End inklusiv der Belohnung für die geleisteten Dienste wirkt ein wenig aufgesetzt. Wahrscheinlicher ist, dass der Plot von „Die Auserwählten“ für einen Heftroman grundsätzlich zu umfangreich gewesen ist. In einem Taschenbuch mit mehr Raum zu Entfaltung hätte vor allem die zweite Hälfte der Story vielschichtiger, aber auch spannender angelegt werden können, so dass die inhaltlich logischen Kompromisse weniger störend wirken.
Unabhängig von diesem schwächeren, aber angesichts seiner Ausgangsprämisse auch trotzdem noch interessanten dritten Roman ragen vor allem die ersten beiden Heftromane aus der Masse der siebziger und achtziger Jahre Heftromane deutlich heraus und sind eine Wiederentdeckung in dieser liebevollen zusammengestellten, auf die Original Zugriff nehmenden Sammleredition mehr als wert.

Science Fiction Chroniken 3 (SF Chroniken, Band 3)

  • Taschenbuch: 340 Seiten
  • Verlag: Emmerich Books & Media (3. Mai 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 1091513392
  • ISBN-13: 978-1091513396