James Bond The Body

Ales Kot

Ales Kot geht mit seiner James Bond Geschichte “The Body” einen ungewöhnlichen Weg. Erst am Endes des dritten Teils hat der Leser das Gefühl, als wenn sich die einzelnen durchaus brutalen Missionen zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Der Abschlussband gibt Gewissheit. Es handelt sich um einen ambitionierten Fugenroman, in dessen Verlauf der Agent mit der Lizenz zum Töten nach einer Reihe von Strapazen – nicht alle der Mission geschuldet – schließlich wieder nicht nur London möglicherweise retten, sondern elegant wie unheimlich mit Felix Leiter an seiner Seite einen der Schlüsselmänner erledigen kann.

 Der Klappentext fragt im Grunde ein wenig provokant, was James Bond ist. Die einzelnen Bestandteile wie Gehirn, Magen, Herz, Lunge und schließlich wirklich als all umfassende Klammer der Körper werden in jedem der einzelnen Kapitel gestreift. Aber hat James Bond eine Seele? Die Antwort gibt es in „Das Begräbnis“. Prolog und im Grunde Epilog sind von Luca Casalanguida gezeichnet worden. Jedes andere Kapitel stammt aus einer anderen künstlerischen Feder, wobei sich Antonio Fuso, Rapha Lobosco, Eoin Marron und schließlich Hayden Sherman auch stilistisch annähern und dem Plot eine notwendige visuelle Kontinuität geben.

 Alle Zeichner bevorzugen dunklen Töne. Die einzelnen Protagonisten wirken manchmal ein wenig zu sehr stilisiert und die Arbeiten erscheinen plakativ. Kontinuität wird meistens in den wenigen Actionszenen erreicht. Vor allem bei den beiden intimen Storys wäre weniger mehr gewesen. Die Überzeichnung der Neonazis bis hin zur stupiden Parodie nimmt ihnen ihre Gefährlichkeit und rückt die ganze skurrile Geschichte ohne den inhaltlichen Hintergrund alleine visuell in den Bereich eines Garth Ennis und damit der inhaltslosen Satire. 

 Bei allen Künstlern ist der Stil entweder erstaunlich plakativ wie in den Actiongeschichten um den Attentäter oder das Ausheben eines mit Waffen handelnden Neonazinetzes oder intim bei dem Verhör einer Wissenschaftlerin oder der an Ian Flemings Roman und nicht den Film erinnernden Begegnung mit einer einsam lebenden Frau in „Das Spion, der mich liebte“.

 Vielleicht hätte „The Body“ noch besser harmoniert, wenn alle Missionen aus der Distanz erzählt worden wären. Ein Arzt untersucht und heilt James Bond Verletzungen in „Der Körper“, der Auftaktgeschichte. James Bond erzählt von seiner Mission, ein Attentat auf eine bekannte Persönlichkeit während eines Festes zu verhindern.

 In „The Brain“ wechselt dann die Perspektive. Eine Zelle, eine gefesselte Wissenschaftlerin, welche James Bond ihre Geheimnisse entlocken soll. Sie hat einer Terroristenorganisation einen tödlichen Virus zur Verfügung gestellt. Lange Zeit besticht die Geschichte durch die pointierten Dialoge, in denen das angeblich so unschuldige und sich verteidigende England mit seinem stumpfen Werkzeug James Bond intellektuell stimulierend demaskiert wird. Der erste biologische Krieg der Geschichte... das Geschenk von mit Pocken verseuchten Decken durch die Briten an die Ureinwohner Amerikas. Wo beginnt Schuld und wo endet sie?  Ein wenig konstruiert erscheint, das James Bond auf britischen Boden auch zum Folterknecht werden soll. Am Ende steht er in doppelter Hinsicht auf den ersten Blick als Verlierer dar.

 Der Handlungsfaden wird erst später in „Die Lunge“ wieder aufgenommen. Auf abschließende Antworten verzichtet Kot, so dass der Leser nicht weiß, ob die Wissenschaftlerin doch zu einer kühl kalkulierenden „Heldin“ geworden oder ihre Idee entartet ist. „Die Lunge“ ist eine klassische James Bond Geschichte mit einer Verfolgungsjagd nicht nur gegen die Uhr, sondern natürlich auch einem sportlichen Terroristen durch die dunklen Straßen London folgend.

 Es handelt sich um die am ehesten pragmatisch zu nennende Geschichte und damit auch den bodenständigsten Text der Sammlung. Exzentrischer wird es in „Der Magen“. James Bond gibt sich als Waffenkäufer bei einer Neonazibande aus. Es wird in der Sauna viel getrunken. Die Schwäche dieses Textes liegt in der Tatsache, dass James Bond im Grunde viel zu lange zögert und dann mit viel Risiko operiert, anstatt wenige Augenblicke früher in einem Moment der Schwäche zuzuschlagen. Kot versucht nahe an den Unrealismus der Filme mit ihrem Hang zum Überdimensionalen heranzukommen und verzichtet auf die Kleinigkeiten.

 Höhepunkt der Sammlung ist „Das Herz“. James Bond soll wieder auf britischen Boden einen Killer ausschalten und verliert die Kontrolle. Er wird verwundet und wacht in der einsamen Hüte einer Frau auf, die sich vom Leben zurückgezogen hat. Sie arbeitet als Schriftstellerin. Sie ist pragmatisch. Auf jede von James Bonds Floskeln hat sie eine Antwort. Ein ähnliches Ausgangsszenario hat Ian Fleming im angesprochenen „Der Spion, der mich liebte“ genutzt. Nut ist Kot ein Mann des 21. Jahrhunderts. In einer wunderbaren Wendung erweist sich die Frau als stärker und steigt auch nicht mit James Bond ins Bett. Dieser hat zu Beginn der Mission die Kontrolle verloren und positiv im Laufe der Handlung auch nicht wieder erlangt.

 Im sechsten Teil „Das Begräbnis“ fließen einzelne Aspekte der abgeschlossenen Fugenteile zusammen. James Bond und Felix Leiter treffen sich in einer britischen Kneipe. Es gibt keine echten Actionszenen. Die pointierten Dialoge bauen gut aufeinander auf, fassen das bisherige Geschehen effektiv zusammen. Sie zeigen einen müden James Bond, einen routinierten Leiter. Am Ende im Grunde aus dem Nichts heraus erfüllen sie auf eine distanzierte wie effektive Art und Weise ihre Mission. James Bond hat wieder die Kontrolle gewonnen.

 In keiner der Geschichten findet der Leser James Bond Seele. Er ist keine Figur, die lange analysiert werden soll. Die Daniel Craig James Bond dienen auch nur bedingt als Leitfaden, da einzelne selbstkritische Szenen immer zu Gunsten der Rettung der Welt oder wenigstens des kümmerlichen eigenen Geheimdienstes zur Seite geschoben werden. Auch in „The Body“ scheint James Bond nur über sein Leben nachzudenken. Er ist weiterhin ein effektives, aber deutlich riskanteres Werk des britischen Geheimdienstes. Er macht ohne Frage Fehler und riskiert an einigen Stellen zu viel. Aber er ist effektiv und gleichzeitig emotional nur bedingt involviert.

 Der Fugenroman zeigt einen James Bond auf dem schmalen Grat zwischen Sieg und Niederlage. Die Siege sind eher Pyrrhuserfolge, der Glamour ist aus dem Job verschwunden. Nicht umsonst spielen alle Geschichten in und um England. Die Farben sind dunkel, teilweise verwaschen. Keine hübschen Frauen mehr, die dem Meer entsteigen. Der einzige Glamour ist die Party zu Beginn, auf welcher sich der Aushilfskellner James Bond von einer „Vorgesetzten“ schikanieren lassen muss.   

 Mit der Struktur geht Kot genau wie mit den verschiedenen Zeichnern einen neuen Weg. Der Plot wirkt dadurch ambitionierter, auch wenn er sich selbst in der möglicherweise besten Geschichte „Das Gehirn“ abschließend selbst die Schärfe nimmt. Es wäre interessant gewesen, diese Episode ohne „Die Lunge“ zu lesen. Denn hier wird James Bond aufgezeigt, das er nur ein Werkzeug von Mächten ist, die unbedingt die Kontrolle behalten und jede Kritik unterdrücken wollen. Es kommt immer auf die Perspektive des Betrachters an und angesichts der blutigen Vergangenheit im Grunde aller Länder waren sie immer wieder mal Eroberer und manchmal auch Terroristen. Niemand ist unschuldig und die reine schwarzweiß Malerei von Politikern und Medien verzerrt die schwierige Suche nach der Wahrheit. Leider wird diese Idee in „Die Lunge“ relativiert, aber alleine diese Fragen aufzuwerfen, hebt „The Body“ aus der Masse der manchmal ein wenig stereotyp konzipierten gegenwärtigen James Bond Geschichten heraus.

 

James Bond. Band 8: The Body

  • Gebundene Ausgabe: 136 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1., (19. März 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962192727
  • ISBN-13: 978-3962192723
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