Schwarze Dynastie

Cyril M. Kornbluth

Im Original heißt der Roman „The Syndic“. In den achtziger Jahren legte der Bastei Verlag eine Reihe von Klassikern des Gernes wie Arthur C. Clarke, Robert Sheckley, Lester del Rey und vor allem auch einige Romane von Cyril Kornbluth zum ersten Mal ungekürzt nach verschiedenen Heftrauflagen  veröffentlicht. Neben Kooperation mit Frederik Pohl publizierte der Verlag auch „Nicht in diesem August“, sondern auch „Schwarze Dynastie“.

Das Bastei Taschenbuch verfügt über zwei Nachwörter. Der Herausgeber Gold spricht nicht nur über seine Zusammenarbeit mit Kornbluth, sondern das der Autor als Herausgeber von „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ vorgesehen war. Gold hat ihm ein wenig geholfen. Diese Arbeit hätte ihn finanziell auf sicherer Füße gestellt. Auf dem Weg zum Office des Magazins ist Kornbluth an seinem langjährigen Herzleiden viel zu jung auf dem Bahnsteig gestorben. Frederik Pohl geht in seinem Nachwort ebenfalls auf die Außenwirkung des Autoren ein, während er in seinen einleitenden Worten auf die Zusammenarbeit mit Kornbluth eingeht.

Diese drei sekundärliterarischen Artikel runden eine gelungene Präsentation des Romans ab.

Während Kornbluth in „Nicht in diesem August“ eine Invasion Rußlands und die anschließende Besetzung der USA durchspielt, ist die Ausgangsprämisse bei „The Syndic“ viel exzentrischer. Grundsätzlich ist erst einmal die nordamerikanische Regierung buchstäblich in die See vertrieben worden.  Immer wieder versuchen die korrupten und überholten vertriebenen Politiker mittels der Reste der amerikanischen Armee auf das eigene Festland vorzustoßen, während Europa impliziert nach dem Chaos des Zweiten Weltkriegs in die mittelalterliche Anarchie zurück gefallen ist.

Die USA sind geteilt.

Westlich des Mississippis regiert der Mob. Moralisch in Fragen der Familie, der Hierarchien fast archaisch europäisch regieren sie gegenüber dem Volk mit einer eisernen, aber auch sehr konsequent nachvollziehbaren Hand.

Östlich des gigantischen Flusses herrschen „die Treuhänder“, im Original The Syndic. Es handelt sich um eine hedonistische moralisch fragwürdige Ansammlung von Opportunistischen und Kapitalisten, die ihre Macht schamlos zur Schau stellen. So wird Polo nur noch in Jeeps mit 50 Millimeterkanonen gespielt.

Interessant an dieser politischen Satire ist Kornbluth Einstellung. Während beim Mobland die Gewalt und die Angst regieren, teilt sich der andere Teil der USA auf. Auf der einen Seite diese obszönen spielerischen Gewaltexzesse, auf der anderen Seite die Illusion einer im Grunde kommunistischen Gesellschaft, in welcher das Allgemeingut im Mittelpunkt steht,. Das friedliche Zusammenleben allerdings zum Wohle aller oder mindestens der politischen Führung steht an erster Stelle und wird auch immer wieder propagiert.

Es gibt keine Steuern, keine „Gesetze“ oder die Archivierung persönlicher Staaten. Das System wird durch Spenden aufrechterhalten, welche die Menschen gerne geben, um das Syndic aufrechtzuerhalten. Der Leser kann aber keinen echten Unterschied zwischen den Zwangsgeldern des Mob und dieser Art von Spenden erkennen.

Kornbluth überspannt vielleicht auch ein wenig den Bogen, in dem in Syndic Lebensraum die Wirtschaft sich von jeder Realität abgehoben hat. So spionieren sowohl der Mob als auch die alte amerikanische Regierung in deren Bereich. Selbst Sabotage findet statt, ohne das es einen merklichen Einfluss auf deren Lebensqualität hat. Das wirkt schon ein wenig abgehoben.

In politischer Hinsicht allerdings unterscheiden sich die drei Systeme nicht unbedingt voneinander. Sie brauchen „starke“ Führungspersönlichkeiten und sind absolut hierarchisch aufgebaut.

Der Hintergrund des Romans ist faszinierend. Kornbluth ist ein zu guter Autor, um nicht in vielen kleinen Details diese Welten zu entwickeln. Dabei konzentriert er sich nicht selten auf das Zwischenmenschliche, auf die einfachen Menschen, die in ihren Systemen leben, aber nicht gefangen sind, wie es der Leser empfindet. Dabei ist Kornbluth immer direkt an der „Zeit“ dran. Wie bei einem sehr guten Satiriker außerhalb des Genres arbeitend fokussiert er sich auf einzelne Punkte, die er in einem realistischen wie möglichen Umfeld gut extrapoliert.

Der grundlegende Plot ist dagegen klassisch aufgebaut. Zwei Agenten des Syndic Geheimdienstes infiltrieren die Reste der Marine der gewählten im Exil agierenden Regierung. Ausgangspunkt ist eine Reihe von Attentaten auf wichtige Persönlichkeiten des Mobs. Sie werden immer ausgeführt von im Grunde unbescholtenen und unscheinbaren Männern und Frauen in deren Umfeld, die nach den Taten Selbstmord begehen. Die einzige Gemeinsamkeit ist die Zugehörigkeit zur Marine.

Natürlich müssen die beiden Agenten unterschiedlicher nicht sein, um positiv zusammenarbeiten zu können. Dieser Handlungsbogen folgt bekannten Mustern. Anscheinend eher unbewusst als ein weiteres satirisches Element orientiert sich Kornbluth an den zahllosen Agententhrillern vor allem aus dem Zweiten Weltkrieg mit den im Grunde lebensgefährlichen wie unmöglichen Missionen, welche die Helden nicht selten Willen ausführen müssen. Dabei geht es immer um zwei Wege. Den Weg hin zum imaginären Objekt der Begierde, was sich nicht selten als geheime, aber von Amateuren versteckte Information entpuppt und dann den wichtigeren und schwierigen Weg zurück, um die eigenen Vorgesetzten zu warnen.

Kornbluth macht aber nicht den Fehler, alles auf den Schultern der beiden eher als Antihelden gezeichneten Protagonisten abzuladen. Er gibt ihnen – wenn auch aus dem Nichts kommend – einen Helfer an die Seite.

Mit dieser Nebenfigur verlässt Kornbluth die realistische Ebene und fügt seinem Buch im Grunde unnötig wie überzogen ein phantastisches Element hinzu. Natürlich sind die Anspielungen an den irischen Glauben und damit die Bezüge wieder zurück zu den Wurzeln eines Teils des Mobs gut zu erkennen, aber sie wirken unnötig und übertrieben.

Politisch endet der Roman erstaunlich fatalistisch. Im Grunde muss eine Partei sich überlegen, ob ihr bisheriger politischer Weg in sich ändernden Zeiten weiterhin der Richtige ist.   Verschiedene Alternativen werden in einem imaginären Monolog gegenübergestellt. Dieser Absatz macht den Roman fast unfreiwillig wieder sehr modern, denn die konträren Positionen wirken bis in die Gegenwart des schizophrenen 21. Jahrhunderts deutlich nach. Es sind diese elementaren existentiellen Fragen, die absolut rhetorisch gestellt und an keiner Stelle beantwortet werden. Damit verliert das Buch im Grunde sein zeitloses Schwert.

Der grundlegende Plot wirkt wie einige andere Abschnitte des Buches solide angelegt. Solange die beiden Agenten der Spur der Attentäter und ihrer Hintermänner folgen können, fühlt sich Kornbluth wohl. In der Mitte des Buches mit dem Vorstoß ins Herzen der unwahrscheinlichen Verschwörung hat der Autor im Kern sein Ziel erreicht und weiß nicht, wie er in den Plot weiterführen kann. Vielleicht sind deswegen auch die Kooperationen mit Frederik Pohl und mit Einschränkungen mit Judith Merrill zielführender, weil beide Autoren teilweise zynische Pragmatiker sind, welche die von Kornbluth immer wieder stilisierten Ideale einfach auf links drehen und sie teilweise als Fassade entlarven.

„Schwarze Dynastie“ hätte eine brillante Satire werden können, deren Kritik im Grunde an allen politischen Systemen zeitlos ist. Stattdessen verliert sich Kornbluth an einigen wichtigen Stellen in Nebenkriegsschauplätzen bis zu einer nicht zu Ende gespielten Romanze, anstatt sich auf die satirisch mahnende Seite vor allem in der Zeit McCarthys und seiner Hexenjagd zu konzentrieren.

Es ist trotzdem für die fünfziger Jahre ein ungewöhnlicher wie heute noch mit Einschränkungen lesenswerter Roman, aber Kornbluth verschenkt auch Potential.

Schwarze Dynastie. Das Utopia der Mafiosi. ( Science Fiction).

  • Verlag: Luebbe Verlagsgruppe (Oktober 1987)
  • Umfang: 220 Seiten
  • ISBN-10: 3404220870
  • ISBN-13: 978-3404220878