Im Jahre 1954 veröffentlichte Arthur C. Clarke mit „Island in the Sky“ im Grunde sein erstes Jugendbuch. In der Tradition von Robert A. Heinlein und vor allem auch Lester del Rey präsentierte der Brite einen jugendlichen Helden, sehr an der Raumfahrt interessiert, der aufgrund seines Beharrungsvermögens und einer Portion Glück im erdnahen Orbit eine Reihe von Abenteuern erleben darf.
In Bezug auf Arthur C. Clarkes Gesamtwerk handelt es sich allerdings auch um eine konsequente Fortsetzung der Ideen aus „Aufbruch zu den Sternen“ und „Projekt Morgenröte“. Am Ende von „Aufbruch zu den Sternen“ resümiert der Protagonist von einer Raumstation im Erdorbit über die ersten Schritte der Menschheit ins All. In „Projekt Morgenröte“ beginnt sich eine kleine Gruppe von Marsianern auf dem roten Planeten von der Erde in mehrfacher Hinsicht zu lösen.
„Island in the Sky“ spielt etwas einhundert Jahre in der Zukunft, ausgehend vom Jahr des Entstehens des Romans. Die Menschheit hat inzwischen den roten Planeten besiedelt, wobei ein Überleben nur mittels Sauerstoffgeräten und Atemschutzmasken möglich ist. Aber die raue Siedleratmosphäre aus „Projekt Morgenröte“ scheint in diesen Roman übertragen worden zu sein, auch wenn der Protagonist erst am Ende gleichaltrigen Marsgeborenen begegnet.
„Aufbruch zu den Sternen“ hat die Idee einer geostationären Raumstation erst angerissen. „Island in the Sky“ ist mehrere Schritte weiter. Es gibt unterschiedliche Stationen im All. Die nächste ist eine Art Verbindungsknoten. Weiter draußen liegen die Beobachtungsplattformen, von denen die Menschen die meisten Planeten des Sonnensystems teilweise unter großen Opfern erforscht hat. Arthur C. Clarke ist Wissenschaftler genug, um allerhöchstens rudimentäres außerirdisches Leben seinem Kosmos hinzuzufügen. Es gibt sogar eine Medizinstation im All, welche die Versorgung sowohl der Menschen auf den Kolonien als auch den Stationen übernimmt. Hier scheint weniger die bekannte, zur gleichen Zeit in der Entwicklung befindliche „Space Hospital“ Serie von James White Pate gestanden haben, sondern vor allem die Geschichten und Romane Murray Leinsters.
Die Ausgangslage ist ein klassisches Jugendbuchsujet. Roy Malcom hat bei einer Flugfernsehserie den ersten Preis gewonnen. Er wünscht sich keinen Flug zu einem Punkt der Erde, sondern eine Reise zu der 500 Meilen über der Erde schwebenden Inner Orbit Station. Sein Onkel als Rechtsanwalt hat ihm bei dem Kniff geholfen, den Fernsehsender mit den eigenen verbalen Waffen zu schlagen. Interessant ist, dass Roy Malcom als aufgeweckter Teenanger mit Technik und weniger Sex im Kopf schon viel von der Welt gesehen hat. Sein Vater ist Journalist, ein Bogenschlag zu den oben angesprochenen Romanen, in denen ein Journalist über die ersten Schritt ins All berichten soll und ein Science Fiction Autor mit sekundärliterarischen Texten den Mars bereist.
Der Fernsehsender hat allerdings die Bedingung, dass Roy Malcom sich den Raumfahrtprogramm unterwerfen und alle Tests bestehen soll. Dadurch kann Arthur C. Clarke seine Leser unauffällig und nicht unbedingt belehrend durch die Grundzüge der Raumfahrt sowohl in den fünfziger Jahren als auch der Gegenwart führen. Auf diesen erzähltechnischen Kniff wird der Brite in dem kurzweilig zu lesenden, aber auch in seiner Zeit verbliebenen Buch immer wieder zurückgreifen, wenn wichtige Informationen transportiert werden müssen.
Der Handlungsverlauf des Buches ist eher konservativ. Beginnend mit dem Traum, zu den Satelliten im Orbit zu fliegen erlebt Roy zahlreiche Abenteuer. Auf der Station selbst wird er aufgenommen und durchläuft eine Art schulisches Lernprogramm. Er fällt auf ein Filmteam herein, das zum ersten Mal an Bord eines Raumschiffes einen Science Fiction Thriller drehen möchte. Dabei scheinen Schauspieler Arthur C. Clarke zuwider zu sein, denn er bringt den Leinwandhelden in eine lebensgefährliche Situation, aus der ihn nur die Reaktion der echten Astronauten retten können.
In solchen Szenen zeigt sich, dass Arthur C. Clarke vor allem ein Herz für die zahlreichen namenlosen Arbeiter des Alls hat Hochspezialisierte Männer und seltener Frauen, die im Grunde das Fundament legen, auf welchem die weitere erdnahe Eroberung des Alls basiert. Sie gehen alle sehr höflich miteinander um. Es gibt nur wenige Fotzeleien. Alle sind Profis, alle kennen ihren Job. Aus der Perspektive des Jungen wirken sie teilweise wie Überhelden, die vor allem die Fehler ihrer Kollegen auch gleich ausbügeln. Es ist eine auf der einen Seite fast alltägliche Beschreibung noch utopischer Vorgänge, auf der anderen Seite gelingt es Arthur C. Clarke mit dieser Bodenständigkeit den Fokus auf das Wesentliche zu lenken. Auf die Arbeit, die hinter den Träumen dieser Leser steckt.
Im Gegensatz zu Heinlein oder Leser del Rey, die farbenprächtige und manchmal auch verrückte Bücher für Jugendliche geschrieben haben, geht Arthur C. Clarke ausgesprochen konservativ vor. Jeder kleinen Heldentat, an denen Rox aber im Vergleich zu Heinlein oder del Rey passiv teilnimmt, sie aber nicht aktiv mitbestimmt folgt eine entsprechende Erklärung der technischen Hintergründe.
Der Leser saugt das Wissen also auf Augenhöhe des Protagonisten auf. Die Beschreibungen der verschiedenen Raumstationen und der Raumschiffe sind ausgesprochen detailliert. Arthur C. Clarke steht in diesen Romanen für einen absoluten Realismus, dem er allerdings augenzwinkernd mit den Namen der Raumschiff einen ironischen Kniff beifügt. So gibt es eine „Skylark“, benannt nach einer Abenteuerserie eines in Vergessenheit geratenen Science Fiction Autoren. Eine Hommage an E.E. Smith, dessen farbige Geschichten wahrscheinlich auch einen sehr jungen Arthur C. Clarke geprägt haben, ohne das er dessen expressive und in sich nicht immer logische Art des Erzählens verinnerlicht hat.
Das Tempo des Buches ist ausgesprochen hoch, auch wenn der Handlungsaufbau aus verschiedenen Episoden besteht. Sie gehen ineinander über und gegen Ende holt der Autor auch noch Informationen aus dem Anfang hervor. Dabei wechselt sich Qualität und Quantität ab. Einige der „Abenteuer“ wirken eher wie notwendiges Füllmaterial, nur an einigen Stellen bricht Arthur C. Clarke aus.
Interessant ist, dass die lange Rückreise zur Erde nicht nur Roy Malcolm die Augen öffnet und ihm eine neue Perspektive zeigt, sondern der junge Mann zum ersten Mal auch ein wenig über die Erde schwärmt, die bei Arthur C. Clarkes ersten Büchern noch von einer Art positiver Fontiermentalität geprägt sind. Dabei schaut der Autor aus den Augen eines jungen Marsianers auf den blauen Planeten und zeigt die Wunder, welche Roy Malcolm ohne eine Sekunde zu zögern gegen eine weitere Woche im All eintauschen würde.
Zurück bleibt ein in Ehren ergrauter Jugendroman aus den fünfziger Jahren, der von einem fast naiven grenzenlosen Optimismus geprägt ist. Die Eroberung des erdnahen Raums stellt laut Arthur C. Clarke für die Menschheit den Schritt zum Erwachsensein da. Alle Streitigkeiten und Konflikte werden mit der Überwindung der Schwerkraft zurückgelassen. Die möglichen militärischen Auseinandersetzungen gehören einer im Grunde anderen Zeit an, wobei der Brite deutlich macht, dass in seinem Universum die intellektuellen Wissenschaftler unterstützt von den körperlich austrainierten Piloten die Atmosphäre verlassen und damit kontinuierlich den Intellekt der Menschheit erweitern. Das mag heute naiv erscheinen, aber der Wissenschaftler Arthur C. Clarke hat in den meisten seiner Bücher den Humanismus gepredigt und immer wieder Spannung aus den Wunder des Universums und weniger in zwischenmenschlicher Konflikthinsicht erzeugt.
eBook: März 2014 (Heyne Verlag)
710 KB
ISBN-13: 978-3-641-11625-5