Planet im Nichts

E.C. Tubb

In keinem der frühen Earl Dumarest Romane ist der ewige Wanderer der Erde so nahe gekommen wie in "Rivalen der Macht". Ihm wurde der korrekte Sektor genannt und ein oder zwei weitere Hinweise - diese wären im vorliegenden neunten Abenteuer erfolgt - hätte Dumarest zur Erde geführt, auf welcher der Abschlussband der ursprünglich nur auf zehn Abenteuer konzipierten Serie gespielt hätte. Während der Entstehung von "Planet im Nichts" muss sich Tubb

mit einer Verlängerung der  Serie auseinandergesetzt haben. Anders kann es nicht zu verstehen sein, dass Dumarest an Bord des alten Frachters mit seiner eigenwilligen Besatzung quasi in die andere Richtung der Galaxis getrieben wird. Zusätzlich kommt hinzu, dass insbesondere die zweite Hälfte des Romans eher wie ein psychologisches Verwirrspiel erscheint, in deren Verlauf eine fremde wie künstliche Intelligenz die Stärken und Schwächen der Menschen stellvertretend an

einer Handvoll Überlebender zu untersuchen beginnt. Der ganze Handlungsaufbau ist so weit wie möglich von den teilweise bizarren bodenständigen Abenteuern der ersten Romane entfernt wie die Liebesgeschichte zwischen Earl Dumarest und einer immer noch sehr schönen, aber auch körperlich wie geistig reifen ehemaligen Kurtisane.

 

Zu Beginn des Buches hat Dumarest eine Passage auf einem alten Frachter gebucht. Tubb nimmt sich erstaunlich viel Zeit, die unterschiedlichen Charaktere vom berufsmäßigen Spieler über die Offiziere, den älteren erfahrenen Kommandanten bis schließlich zu Mayenne - die Titel der Dumarestromane bestehen im Original fast nur aus weiblichen Namen - zu beschreiben. Den Leser mit ihnen vertraut zu machen. Wie schon angedeutet hat Mayenne auf den männlichen, aber distanzierten Dumarest ein Auge geworfen, während sich die anderen Männer - arrogante Unternehmer - verzweifelt um ihre Gunst bemühen. Als einer der Passagiere einer arroganten wie adligen Lady ein seltenes, im Frachtraum gefangenes Tier zeigt, bricht dieses aus und verletzt nicht nur die Besatzungsmitglieder, sondern beschädigt mit seinen einer Säure gleichenden Ausscheidungen die Maschinen des alten Raumschiffs.

 

So packend diese Szene auch beschrieben sein mag, sie wirkt künstlich und zu stark konstruiert. Aus dem Käfig hätte sich das Tier anscheinend auch ohne die Neugierde der Menschen befreien können. Alleine zusätzlich die Schwangerschaft dieser seltenen Spezies als Impuls ihres Handelns aufzuführen, wirkt ebenfalls zu aufgesetzt. Das Ziel wird erreicht. Dumarest zeigt zum wiederholten Male im Verlauf der Serie seinen Überlebensinstinkt und seine Fähigkeit, mit dem Messer umzugehen. Das Raumschiff ist beschädigt, die meisten Besatzungsmitglieder tot. Dumarest wird als dritter Offizier zwangsverpflichtet und hilft bei den notdürftigen Reparaturen. Durch einen Zufall finden die den Planeten im Nichts, der nicht nur über eine angenehme Atmosphäre verfügt, sondern auch über eine künstliche Intelligenz, welche die überlebenden Menschen auf eine harte, tödliche Probe stellt.

 

Wie schon angedeutet braucht Tubb für den Handlungsverlauf ein deutlich breiteres Personenspektrum als in den geradlinigen Abenteuern. Vielleicht wirkt die Mischung aus vielen, aber nicht allen gesellschaftlichen Extremen stark konstruiert, aber bei "Planet im Nichts" funktioniert diese Mischung ausgesprochen gut. Earl ist der klassische, aber auch teilweise fast klischeehafte Pragmatiker. Sein Gegenstück ist ein Berufsspieler, dem positiv für den Plot Earl Dumarest nicht das Wasser zu reichen sucht. Dieser

ist sich allerdings auch zu schade, die Hände schmutzig zu machen. Impliziert wird das Verhältnis zwischen dem Kapitän und dem Kartenprofi, der diesen kostenlos als Unterhaltung seiner Gäste an Bord mitfliegen lässt. Ob Gewinne geteilt werden, ist dabei eher unklar. Der fette arrogante Kaufmann besteht im Grunde nur aus Klischees.

Unverantwortungslos, selbstherrlich und von sich eingenommen braucht der Plot im Grunde einen Sündenbock, der die Katastrophe auslöst und der auch entsprechend bestraft wird. Im Schatten des Kaufmanns steht ein unscheinbarer junger Mann, der den Cyber nahesteht, aber die alle Emotionen tötenden Operationen nicht vollzogen hat.

 

Aus dieser nostalgischen Figur - sie sammelt anscheinend Bücher - macht Tubb in der zweiten Hälfte zu wenig. Die junge arrogante Adlige mit ihrer attraktiven Leibwächterin dient eher als Ablenkung von einer der interessantesten Frauenfiguren dieser ganzen Serie. Wie schon angedeutet ist Mayenne keine junge, hilflose, lebensunerfahrene Frau

mit punktuell einsetzbaren Paragaben, in die sich Dumarest als Mann und Beschützer verliebt. Sie ist eine Ghenka, was zumindest indirekt einer Kurtisane bzw. der japanischen Geisha gleicht. Seitdem sie sprechen kann, ist sie in der Kunst des Gesanges erzogen worden. Mit ihren liebreizenden Stimmen können sie insbesondere den Männern direkt in die Seele schauen.

 

Während die erste Hälfte des Romans ein stringentes Weltraumabenteuer mit den fast klischeehaften Abstechern - Aufbruch, Unfall/ Katastrophe und Kampf ums Überleben -ist, erscheint die Begegnung mit dieser offensichtlich künstlichen Welt zu einer existentiellen Auseinandersetzung mit den Grundaspekten des "Menschen" zu sein. Die Begegnung mit deren "Intelligenz" ist eine der seltsamsten Szenen der ganzen Serie und wirkt teilweise ein wenig lächerlich. Als wenn Tubb sich in die Enge geschrieben hat, aus der er ohne Hilfe von außen nicht mehr herauskommen kann.

 

 Mayenne hat im Hintergrund des Funks gesungen, als plötzlich fremde Signale auf ihren Gesang antworten. So wird das schwer beschädigte Raumschiff zu der Welt im Nichts gerissen und landet hart - mit weiteren Verletzen und einem bei der Pflichterfüllung sterbenden Kapitän, der mit dem Ende seines Raumschiffs auch seinen Lebenszweck verloren hat - auf dieser fremdartigen, aber niemals wirklich exotischen Welt. Die Intelligenz mit Namen Tormyle möchte nicht nur etwas über die verschiedenen Geschlechter der Menschen oder  Aspekte wie Mut/ Tapferkeit und schließlich auch körperliches Befinden testen, sie will erfahren, was es bedeutet zu lieben und vor allem eine Seele zu haben. Die grundlegende Idee erinnert an eine Reihe von „Star Trek“ Folgen, die wenige Jahre vorher über die Bildschirme gelaufen sind. Ein neuer Aspekt ist die Art der Prüfungen, bei denen Dumarest durch seine schnelle Entscheidungen teilweise zu hektisch vorgreifend wahrscheinlich falsch reagiert. Aber diese wichtigen Punkte relativiert der Autor im Verlaufe der Handlung wieder und versucht eine Balance zwischen dem überdimensionalen Helden und der später auf ihn reduzierten Herausforderung herzustellen. In dieser Hinsicht ist ein weiterer Aspekt wichtig.

 

Denn Tormyle ist nicht nur eine künstliche Intelligenz, ein gigantischer Wesensplanet, sie erscheint auch als Frau mit der aus dem Nichts kommenden Fähigkeit, Eifersucht zu empfinden und Angst vor der Einsamkeit zu haben. Diese Wandlung wirkt ein wenig aufgesetzt, hebt aber die zweite Hälfte des Romans deutlich positiv aus vergleichbaren Szenarien hervor. Insgesamt für Dumarest keine leichte Herausforderung angesichts der sonstigen Gegebenheiten auf dieser einzigartigen, von Tubb allerdings erstaunlich rudimentär beschriebenen Welt. „Planet im Nichts“ greift nicht als einziges Werk auf die mittelalterlichen Szenarien zurück. Es ist immer wieder erstaunlich, dass archaische Kulturen mit einem Schwerpunkt auf dem Mittelalter überall bekannt sind, aber niemand die Erde kennt oder sich mit diesem mystischen Ort identifizieren kann. Im Zuge der Prüfungen erschafft Tormyle nicht nur eine mittelalterliche Burg aus dem Nichts, sondern setzt verschiedene Ritter – diese treten im folgenden Roman „Planet der Hölle ebenfalls leicht verändert wieder auf – ein, um die Menschen zu bekämpfen. Höhepunkt ist Dumarests Kampf mit dem Drachen, der auf der einen Seite spannend, auf der anderen Seite aber auch befremdlich erscheint. Zu viel Erde in den Tiefen des Alls nimmt Tormyle ihre exotische Konzeption. Tubb unterlegt diese körperlichen Herausforderungen immer mit intellektuellen Spielen der sadistischen künstlichen Intelligenz, die mit grenzenloser „Macht“ ausgestattet die Menschen im Grunde nicht nur analysiert, sondern vernichten will, damit sie Dumarest für sich behalten kann. Das Ende ist auf der einen Seite konsequent, auf der anderen Seite allerdings auch abrupt. Diese Hektik wird ein wenig durch einen eher untergeordneten Aspekt der Cyberjagd auf Dumarest ausgeglichen. Während sie bislang dem Weltraumtramp immer gefolgt sind und auf seine Aktionen reagiert haben, gehen sie dieses Mal einen Schritt weiter und suchen ihn intensiver zu beobachten und aktiver zu manipulieren. Diese Erkenntnis verleiht dem Ende eine bittersüße Note, die viele stereotype Handlungsmuster der letzten „Dumarest“ Abenteuer positiv variiert und vor allem durchbricht.

Zusammengefasst trotz oder vielleicht auch gerade wegen der beiden eher auffällig zusammengesetzten Romanhälften ein unterhaltsames, eher in sich gekehrtes Weltraumabenteuer, dessen zahlreiche Actionszenen in einem engen Zusammenhang mit den einzelnen, differenziert beschriebenen Charakteren steht.

Planet im Nichts

Pabel Verlag, Taschenbuch, 160 Seiten