Planet der Dämmerung

Randell Garrett und Robert Silverberg

Es empfiehlt sich, den Sammelband mit den Nidorian Geschichten aus der Feder Randell Garretts und Robert Silverbergs mit dem Ende zu beginnen. Silverberg hat in seinem Nachwort die Zusammenarbeit mit Randell Garrett ausführlich beschrieben. Auch die Erlebnisse mit dem Herausgeber John W. Campbell, der gerne im Beisein seiner Autoren die Geschichten gelesen hat, ist eindrucksvoll und unterstreicht noch einmal nachhaltig, warum Campbell ein so guter Herausgeber und im Grunde auch Lektor gewesen ist.

Silverberg geht aber auch auf die eigenen Stärken und Schwächen ein, die Garrett exzellent ergänzte. Neben den Geschichten um Nidor haben die beiden Autoren noch zwei Handvoll serienunabhängiger Kurzgeschichten unter zwei Pseudonymen publiziert.  

Zuerst erschienen mehrere Kurzgeschichten im Campbells Magazin, die schließlich zu dem Roman „The Shrouded Planet“ verbunden worden sind. Dieser  erschien als Abschluss ein Jahr nach der vorletzten Kurzgeschichte. Ein Jahr später ist  dieser Band ist bislang als „Der verborgene Planet“ in der Reihe „Abenteuer im Weltenraum“ publiziert worden.

Erst sechs Jahre darauf publizierte der Moewig Verlag in seiner Terra Heftromanserie den Roman „The Dawning Light“.  Der Roman erschien einmal  unter „Nidor erwacht“  auf deutsch.

Garrett und Silverberg hatte einen weiteren Teil ins Auge gefasst, der aber über einen kurzen Entwurf und das Auftaktkapital nicht fortgeschrieben worden ist.

Das Bastei Taschenbuch „Planet der Dämmerung“ präsentiert die beiden Teile neu übersetzt und vor allem ungekürzt. Der Titel ist unglücklich gewählt, denn  Silverberg und Garrett ging es um das intellektuelle Erwachen der ein wenig naiven Nidorianer, deren Planet sich auf einem mittelalterlichen Niveau befindet, als die omnipräsenten, aber im Hintergrund agierenden Menschen mit einer ausgesprochen ambivalenten Technik auf der Welt landen. 

Die aufeinander aufbauenden Geschichten sind interessant gestaltet. Der Roman wird ausschließlich aus der Perspektive der Ureinwohner beschrieben, die zwar körperlich unter anderem mit einem Fell sich von den Menschen unterscheiden, aber ansonsten sich ausgesprochen menschlich verhalten. Das wird vor allem im zweiten Roman deutlich, wo eine Art Gaunerkomödie mit Banküberfall und falschem Geldwechsel inszeniert wird, welche den humoristischen irdischen Krimis entspricht.

Nur zwei Menschen treten im ganzen Buch auf. Sie lassen sich in einem gleißenden Licht vom Himmel fallen oder schweben wieder zu ihrem Raumschiff.  Die Motive der Menschen sind für die Einwohner wie auch die Leser nicht klar ersichtlich. Die Stärke des ganzen Zyklus liegt in der Tatsache begründet, dass die anscheinend guten Absichten zu Beginn des Buches mit der Gründung einer besonderen Schule, einer Art Eliteuniversität kontinuierlich unterminiert werden.

Anscheinend dient sie möglicherweise doch dazu, die Ureinwohner über ihre Kinder zu manipulieren und die Herrschaft über den Planeten an sich zu ziehen. Diese implizierten Motive bleiben lange Zeit im Dunkeln, da die Nordianer im Grunde unter einer sehr langen Leine die gleichen Fehler wie die Menschen hinsichtlich der Entwicklungshilfe unterentwickelter Völker machen.

Sie greifen in den Kreislauf der Natur ein und vernichten einen für die Saat wichtigen parasitären Käfer. Anschließend wird durch Betrug ein neuer spezieller Dünger eingeführt. Die Ausrottung des Käfers und die Entwicklung des Düngers inklusiv des Diebstahls der Entwicklung brandmarken Vater und Sohn als Verräter am Allgemeingut.

Im Laufe der weiteren Geschichte kommt der als getötet geltende Sohn hinter einige der hier angesprochenen Entwicklungen und kann durch eine Sozialisierung einer Düngervariante der Altherrenoberschicht förmlich die Saat abgraben.

Der zweite Roman handelt vom dem Versuch eines Einzelnen, die Erdenmenschen bloßzustellen und sie vom eigenen Planeten zu vertreiben. Das soll aber über die Form einer intellektuellen Selbstbestimmung erfolgen.

Die Stärke der ganzen Geschichte ist die Tatsache, dass Garrett und Silverberg sich immer wieder Gedanken um friedliche Lösungen machen. Das heißt allerdings nicht, dass vor allem während des sehr langen Showdowns vor allem einheimische Anhänger der Priesterschaft sterben müssen oder ein potentieller Verräter ehrenhaft Selbstmord begehen darf oder an einer anderen Stelle ein Mensch öffentlich gesteinigt wird.

Der Aufstand gehen die Menschen soll von List und Tücke dominiert werden. Die gut gezeichneten Charaktere versuchen die Menschen vordergründig mit deren Waffen zu schlagen. Allerdings benötigt der bis dahin fast arrogant agierende Anführer des Umsturzes selbst Hilfe, als sein feiner Plan mit einfachsten Mitteln durchkreuzt wird. Garrett und Silverberg orientieren sich an den cineastischen Vorgaben des Abenteuerkinos der fünfziger Jahre.

Auch wenn vieles an die Erde erinnert, sind die Autoren bemüht, vor allem im längeren zweiten Teil eine intelligente Lösung zu finden. Erst soll die eigene von Edelmetallen unterlegte Währung destabilisiert werden, bevor man selbst quasi die Rettung propagiert, viel Geld verdient und die Menschen blamiert.

Dabei werden aber zwei Faktoren auch ignoriert. An der teilweise auch kirchlichen Schule lernen die Ureinwohner mehr als die Autoren Preis geben. Auch die Rolle der Frauen in Richtung Emanzipation wird ambivalent und je nach der Situation als positiv für die Gesellschaft im ersten Buch, später als Verdummung der Familien im zweiten Teil angerissen. Auch werden die Horte des Wissens zerstört und schließlich sogar eine Tradition zerbrochen, die weit länger als die Anwesenheit der Menschen bestanden hat. Diese Details gehen in der rasanten Handlung unter.

Am Ende des Finales präsentieren die Autoren eine weitere Möglichkeit. Die Idee der Wandlung einer statischen Gesellschaft in eine Progressive wird angerissen. Ob die Motivation ausreicht und sich die einzelnen Teile entsprechend zusammensetzen, bleibt eher unausgesprochen. Auch die Idee des hintergründigen Helden hätte noch mehr Aufmerksamkeit verdient. Positiv ist, dass diese erneute Drehung des Plots vor allem den Protagonisten auf dem falschen Fuß erwischt und die weitreichende Planung der Menschen inklusiv ihrer pazifistischen Absichten aus einer interessanten, für das Genre auch originellen Perspektive beschrieben wird.

Zusammengefast bieten die Romane aber ein gutes Gegengewicht zu den klassischen Frontierabenteuern eines H. Beam „Fuzzy“ Piepers, Lloyd Biggle jr. „Monument für ein Genie“ und schließlich auch Murray Leinsters Geschichten um den Planeteninspektor. In allen Werken helfen einzelne Menschen den Einheimischen zur Selbsthilfe gegen rücksichtslose vorgehende Konglomerate.  Und wenden sich damit gegen das eigene Volk. Da der Roman ausschließlich aus der Perspektive der Fremden erzählt wird, legen die Autoren Wert darauf, dass die im Grunde allerdings von und durch die Menschen aufgeklärten Folgegenerationen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Robert Silverberg geht am Ende in seinem Nachwort zu streng mit den in Ehren ergrauten Büchern um. Sie sind auch heute nicht nur noch lesenswert, sondern angesichts der deplatzierten Entwicklungshilfe und der Ignoranz der ersten Welt den Bedürfnisse der anderen Völker gegenüber immer noch brandaktuell. Hinzu kommt, dass die Autoren sich wirklich Mühe gegeben haben, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge auf ein verständliches Maß zu reduzieren, sie visuell überzeugend zu erklären und anschließend auch wirtschaftlich vertretbare Lösungen zu finden.

Hinzu kommen solide entwickelte Protagonisten, eine zugängliche Welt und vor allem einen stringenten Plotaufbau, der die einzelnen Kurzgeschichten zwar noch kenntlich macht, aber als Familiengeschichte zu überzeugen weiß.         

 

Hefte

  • Taschenbuch: 432 Seiten
  • Verlag: Lübbe (April 1994)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 340422101X
  • ISBN-13: 978-3404221011