Im Wilden Westen Nordamerikas Band 7- Der Schwur der Blutsbrüder

Thomas Ostwald

Mit “Der Schwur der Blutsbrüder” beginnt Thomas Ostwald seinen Zyklus um die neuen Abenteuer Old Shatterhands konsequenter zusammenzufassen und aus dem Plot einen fortlaufenden Roman mit Episoden zu machen. Während der Lektüre der deutlich interessanteren ersten Hälfte entwickelt sich dieser Eindruck noch nicht, aber mit der Rückkehr in den Wilden Westen, die Begegnung mit Winnetou und dem abschließenden Schwur der beiden Blutsbrüder, ein besonders brutales Unrecht zu rächen und vor allem eine Frau aus den Händen der Schurken zu begreifen, greift der Autor auf Aspekte der ersten und zweiten „Trilogie“ seiner Serie zurück.

 Old Shatterhand hat während des Dampferunglücks auf dem Mississippi Klara von Rauten aus den Augen verloren, die mit ihm ja aus Europa in die USA auf der Suche nach ihrem Verlobten an Bord des gleichen Schiffs gereist ist. Bislang hat Thomas Ostwald das eigentliche Schiffsunglück amibivalent behandelt, alleine die Folgen wurden dem Leser deutlich vor Augen geführt. Die Andeutungen im vorliegenden Band unterstreichen, dass es nicht nur kein Zufall gewesen ist, sondern das der Schiffsuntergang noch in einem weiteren Zusammenhang mit Verbrechen und Banditen sowie Waffenschmuggel stehen konnte. Klara von Rauten hat bei dem Unglück ihr Gedächtnis verloren. Durch einen Brief seines alten Freundes und Waffenschmiedes bekommt Old Shatterhand einen Hinweis auf ein junges Mädchen, das anscheinend mit Klara von Rauten entführt worden ist. Old Shatterhand reist umgehend in den Wilden Westen, wobei Thomas Ostwald sich ausreichend Zeit nimmt, um sogar eine weitere Exkursion zu den Abenteuergeschichten Jules Vernes zu unternehmen.

 Im Wilden Westen verbündet sich Old Shatterhand wieder mit Winnetou. Im Grunde beginnt eine Art zwei Frontenkrieg, wie der Leser sie aus Karl Mays Originalen kennt. Die Apachen gegen die Comanchen, die wiederum von raffgierigen weißen Verbrechern direkt oder indirekt unterstützt werden. Im Gegensatz zu Karl May beschreibt Thomas Ostwald die Gewalt direkter und schreckt auch nicht davor zurück, unschuldige Nebenfiguren grausam zu töten. Der Autor geht nicht in die Details, aber sein Bild des Wilden Westens ist dunkler, brutaler und teilweise auch nihilistischer, wobei vor allem natürlich Old Shatterhand und Winnetou die alten Werte vertreten.

 Mit der Realität der Frontierjahre haben die Geschichten trotzdem nur bedingt etwas zu tun. Der Autor bemüht sich, den Geist Karl Mays und seine teilweise auch verklärte Weltsicht den Leser des 20. und 21. Jahrhunderts beizubringen, ohne die Realität gänzlich zu verbiegen. Vor allem geht es Thomas Ostwald auch darum, immer wieder Hintergrundinformationen einzustreuen und den Leser unterhaltsam zu bilden, aber an keiner Stelle zu belehren.

 Auf der emotionalen Ebene wirkt der Versuch, Old Shatterhand eine Art schlechtes Gewissen hinsichtlich Klara von Rauten zu verleihen, bemüht. Es ist ja nicht so, dass er die Suche gänzlich eingestellt hat, sondern die Geradlinigkeit der Handlung und dadurch seiner Reise unterstreicht viel mehr, dass er in diesem Buch ein Getriebener ist, der beginnend mit dem Schiffsuntergang und damit auch seinen eigenen Verletzungen gar nicht die Möglichkeit hatte, unmittelbar mit der Suche zu beginnen. Natürlich passt sich seine Reise den damaligen Gegebenheiten mit einigen Stationen bei netten Gastgebern an, aber es gibt keinen Punkt, an dem ein objektiver Leser dem Charakter den Vorwurf machen kann, auf mögliche Hinweise nicht reagiert zu haben. Und eine Suche ohne Verweise wäre angesichts der Weite des Landes unmöglich gewesen.

 Schade ist nur, dass der eigentlich interessante Handlungsfaden der ersten Hälfte des Romans irgendwie entzwei geschnitten worden ist. Old Shatterhand befindet sich als Gast auf einer Hazienda in Chile. Er will Land und Leute kennen lernen, wobei die Indios von den Weißen genauso unterdrückt und ausgebeutet werden  wie ihre indianischen Brüder.

 Während einer Pumajagd retten Old Shatterhand und seine Gastgeber einen exzentrischen Franzosen, der nach einigen Jahre im Exil wieder als König von Teilen des Landes auftritt. Alleine die Begegnung zwischen dem vermeintlichen König und dem Landbesitzer gehört zu den Höhepunkten des Buches.

 Diese Konfrontation endet in doppelter Hinsicht. Old Shatterhand erhält den erwähnten Brief und muss schnell wieder in die USA aufbrechen, einige Behörden machen mit dem „König“ relativ kurzen Prozess. Aber dieser Handlungsbogen verfügt nicht nur über soviel positives Potential, sondern der etwas andere Hintergrund – auch wenn selbst Karl May seine Figuren nach Lateinamerika führte – gibt Thomas Ostwald die Möglichkeit, eine andere Kultur zu beschreiben, die zwar vordergründig immer noch fest wie arrogant in den europäischen Heimatländern verwurzelt ist, sich aber notgedrungen abzunabeln sucht.

 Die Zeitung im Haus einer österreichischen Familie beweisen allerdings, das die Heimat noch tief in den Herzen der Menschen schlägt.

 Im Wilden Westen angekommen bleibt Old Shatterhand wie Winnetou in diesem ersten Band eines neuen Subzyklus nur die Möglichkeit, auf die verschiedenen Ereignisse zu reagieren. Thomas Ostwald fügt wichtige handlungstechnische Wendepunkte aus den ersten Büchern entweder durch indirekte Erzählung Old Shatterhands gegenüber seinen Lesern oder als Fußnoten ein. Es ist nicht grundsätzlich notwendig, alle Romane bis hierhin gelesen zu haben, als die stetig wachsende Komplexität des Kosmos und vor allem die spürbare Sicherheit des Autoren im Umgang nicht nur mit den bekannten wie vertrauten Charakteren, sondern einer richtigen Balance aus Tempo, Hintergrundinformationen und wissensreichen Exkursen funktioniert von einem Roman auf den nächsten Band immer besser. Daher empfiehlt es sich, die Serie mit dem ersten Buch „Aufbruch ins Ungewisse“ zu beginnen und sich weniger von Old Shatterhands Erzählungen, sondern zu Beginn mehr der an Friedrich Gerstäckers Reiseerzählungen erinnernder Struktur treiben zu lassen.

 „Der Schwur der Blutsbrüder“ ist aber klassischer Karl May. Das Geständnis des einen labilen Schurken angesichts der ihn umgebenden Apachen wirkt nicht nur vertraut, es ist auch notwendig, um die nächste Spur aufzunehmen. Ohne diese natürlich auch konstruiert erscheinenden Szenen mit zu selbst sicheren Schurken, die an den Ort ihrer Verbrechen zurückkehren, würde weder Karl May noch Thomas Ostwalds Bücher funktionieren. Aber sie dienen auch dazu, das Tempo wieder hochzufahren und die Geschichte auf einer fatalistischen Note enden zu lassen, mit welcher der Kopf der Verbrecherbande die Grenze zwischen Kriminalität und persönlicher Rache in die falsche Richtung überschritten hat. Und ein Stammleser dieser Abenteuer weiß, dass es für ihn damit in kürzester Zeit zu Ende gehen wird.

 „Der Schwur der Blutsbrüder“ ist trotz des allerdings einfach umpassenden Titelbildes ein solides Sprungbrett für eine bislang eher klassische, vielleicht auf den ersten Blick auch ein wenig klischeehafte im reinen Wilden Westen spielende Handlung, deren Potential noch nicht absehbar, aber durchaus vorhanden ist.     

Blitz- Verlag

160 Seiten, Taschenbuch

www.blitz-verlag.de

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