Clarkesworld 167

Neil Clarke (Hrsg.)

Neil Clarke geht in seinem ausführlichen Vorwort auf die Bedeutung der Kurzgeschichte nicht nur für das Genre, sondern auch den jeweiligen Autoren ein.  Mark Cole geht in seinem Artikel auf die Science Fiction Fernsehserien der fünfziger Jahren ein und konzentriert sich auf heute kaum noch erhältliche Serien, die eine ungeheure Popularität gehabt haben. Die Beschreibungen sind ausführlich, nicht immer ganz ernst, aber ausgesprochen informativ.

Arley Sorg interviewt mit Lauren Beukes und Michael Swanwick zwei sehr unterschiedliche Autoren. Lauras Beukes stammt ja nicht ursprünglich aus dem Genre und spricht darüber, wie sie ihre  Texte vorbereitet, während Swanwicks Antworten sich von seinem Beginn als Kurzgeschichtenautor über die Romane bis zur Freundschaft zu Gardner Dozois, deren Kooperation Michael Swanwick jetzt abgeschlossen hat.

Insgesamt sechs Geschichten präsentiert „Clarkesworld“ Neil Clarke verzichtet wieder auf Nachdrucke.  Das Thema Epidemie schleicht sich mehr und mehr in die hier präsentierten Texte. Alleine zwei Storys sind klassische Postdoomsday Texte, während die anderen Geschichten eine kritische Distanz zu jeglicher Technik auszeichnet.

„The Lore“ von Fiona Moore ist eine Military Science Fiction Geschichte. Corporal Cooper erhält sich nach der von seine Seite desaströs verlaufenen Schlacht von Kuching. Cooper ist überzeugt, dass sein von einer K.I. gesteuerter Kampfpanzer noch irgendwo dort draußen ist. Die Autorin arbeitet zwar die Hintergründe dieser Obsession nicht wirklich heraus, während die anfängliche Affinität und schließlich Abneigung eher konstruiert erscheint.

Interessant ist, dass die künstliche Intelligenz im Grunde die richtigen Schlüsse zieht und eine entsprechende Gewichtung mit einem dicken grünen Daumen vornimmt, der wiederum den Interessen der Militärs widerspricht. Cooper steht zwischen allen Fronten. Er setzt sich von seiner Truppe ab und tötet auf der Mission Menschen. Das ist durch seine Befehle nicht zu rechtfertigen, da die kriegerischen Auseinandersetzungen ja abgeschlossen worden sind. Seine Handlung ist bis zum Ende auf der einen Seite konsequent, auf der anderen Seite ignoriert er die Intention seiner K.J.

Viele dieser kritischen Punkte werden nicht zufriedenstellend abgeschlossen, so dass die Story zu viel Potential im Grunde verschenkt, auch wenn die Ausgangsbasis sehr interessant ist.

Zu den herausragenden Geschichten gehört Rebecca Campbells „As important Failure“. Die Zivilisation ist untergegangen. Die Menschen haben nicht mehr genug Holz, um Feuer zu machen oder Papier herzustellen. Zwei Brüder suchen den perfekten Baum, um aus dem Holz eine Violine herzustellen.

Auch wenn die Mission mehr und mehr zu einer Obsession wird, schafft es die Autorin nicht, die Protagonisten wirklich sympathisch und überzeugend zu zeichnen. Rebecca Campbell macht es sich aber auch zu leicht. Mason zerstört wertvolle Gegenstände und fällt einen alten Baum für die Musik, während die anderen die Zerstörung Vancouvers überlebenden Menschen vor allem ihre Süchte mit dem Geld aus dem Holz befriedigen.

Auf dem Weg zu seinem Ziel muss Mason nicht nur eine Reihe von Hindernissen umschiffen, er begeht eine Reihe von Verbrechen und ist im Grunde in einer aus den Fugen geratenen Welt eine tragische Figur. Je weiter er mit der Violine kommt, desto schlimmer wird seine Umwelt. Die Naturkatastrophen; die Epidemie und schließlich der blanke brutale Kampf ums Überleben dominieren seinen Tag. Das Innenverhältnis nicht nur zwischen den Brüdern, sondern einigen wenigen sie umgebenen Menschen ist dagegen mit einer gewissen emotionalen Distanz überzeugend beschrieben worden. Auch der zeitliche Ablauf ist für den Leser nachvollziehbar. Das Ende ist dunkel, fatalistisch, aber nicht kitschig. Zwischen den Zeilen besteht die Hoffnung, dass vor allem die Violine als eine Art Fanal die Menschen aus der dunkelsten Zeit wieder ins Licht führen könnte.

Masons Rücksichtslosigkeit ist sicherlich ein Streitthema, aber der Leser muss den Menschen in dessen Zeit betrachten und nicht aus dem hier und jetzt urteilen. Das gibt der Story eine besondere Note.

Yan Leishengs „The Plague“ ist ein Musterbeispiel für die Ambivalenz, mit welcher Neil Clarke bei seinen Projekten vorgeht. Asiatische Autoren in den USA zu präsentieren ist genauso empfehlenswert wie eine Art Kostenteilung zu vereinbaren, in dem das entsprechende Land für die Übersetzungen mittels besonderer Schulen sorgt. Aber dann muss er als Lektor auch die Texte entsprechend bearbeiten. In dieser Hinsicht krankt nicht nur die vorliegende dunkle Geschichte. Inhaltlich ist sie sehr schwierig zu greifen. Eine besondere Art von Seuche lässt die Menschen anscheinend bei vollem Bewusstsein versteinern. Der Protagonist soll diese Körper einsammeln und verbrennen, was bei Steinen generell unmöglich wäre. In einem Kindergarten lernt er von der erkrankten Kindergärtnerin, dass die betroffenen Menschen angeblich noch bei Bewusstsein sind und er ein Mörder ist.

Auch wenn die Ausgangsprämisse zynisch und verstörend ist, wirkt der Anfang der Story eher wie eine Art belehrende Informationsveranstaltung, in welcher mit sehr viel Ambivalenz die Ausgangsprämisse subjektiv und einseitig beschrieben wird. Anschließend fokussiert sich der Autor auf seinen Protagonisten und zeichnet ihn als stupider Arbeiter, der stoisch seinen harten Dienst macht. Aber es fehlen erstens so viele Hintergrundinformationen und zweitens ist die Ausgangslage auch nicht wirklich überzeugend genug, das der Leser diese seltsame Krankheit wirklich glauben kann.   

Frank Smiths „Drawing Lines between the Stars“ ist eine der Space Opera Geschichten, in denen vor allem auch der wissenschaftliche Hintergrund mit viel Phantasie und so gut wie keinen Hintergrundkenntnissen gestaltet worden ist. Der Protagonist rettet eine junge Frau, deren Raumschiff von einem Kometen beschädigt worden ist.  Die Rettungsaktion ist plausibel, aber weder der Weg dahin noch die folgenden Beschreibungen machen Sinn.  Daher ist es schade, dass die stilistisch ansprechende Geschichte mit soliden Charakteren derartig auseinanderfällt.   

L.X. Becketts „The Immolation of Kev Magee” beschreibt einen Hintergrund, in dem viele Menschen auf schwimmenden Städten teilweise in der Arktis leben. Ein junges Flüchtlingsmädchen möchte ihren Lebensunterhalt mit Reality TV Videos verdienen. Breeze ist eine Art Stehaufmännchen, welcher der Leser Erfolg gönnen würde. Allerdings ist sie im Grunde immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Dieses persönliche Pech ist notwendig, damit sie ihren zukünftigen sehr ungewöhnlichen Mentor kennenlernen kann. Das Problem an der Geschichte ist, dass das Ende vorhersehbar erscheint und vor allem die Autorin den Fehler macht, eine ökologisch nicht durchführbare Lösung zu präsentieren, die cineastisch aufregend, aber wie der ganze exotische Hintergrund der Geschichte nicht unbedingt logisch erscheint.

Robert Reed schließt die Ausgabe mit einer weiteren Geschichte um das große Schiff. „Nameless He“ leidet aber unter einer schriftststellerischen Facette, die der Autor mehr und mehr bei diesen Kurzgeschichten anwendet. Die Action findet woanders statt. Dem Protagonisten wird das Geschehen stellvertretend für den Leser erzählt. Dadurch wirken die Texte unabhängig von dem weiterhin interessanten und ausbaufähigen Hintergrund sehr statisch. Robert Reed versucht einen gigantischen Hintergrund zu entwickeln. Ein Roboter untersucht Äonen lang das Wrack eines aufgefundenen Raumschiffs. Der Auftrag kommt von einem Kapitän des gigantischen Raumschiffs. Obwohl die Funde aufregend sind, präsentiert sie Robert Reed distanziert und wenig aufregend.

Zusammengefasst ist „Clarkesworld“ 167 eine solide, qualitativ eher zufriedenstellendere Ausgabe als die letzten Nummern. Neil Clarke sollte nur mehr Wert auf die Hintergrundarbeit vor allem bei den Übersetzungen aus dem asiatischen Raum legen, wenn er anscheinend schon deren Qualität nicht beeinflussen kann.    

E Book, 112 Seiten

www.wyrm-publishing.com