Forever Magazine 67

Neil Clarke (Hrsg.)
In seinem Vorwort geht Neil Clarke nicht nur weiterhin auf Covid 19, sondern auch auf die kaputte Klimaanlage ein. An diesen Alltäglichkeiten erkennt der Leser, dass Herausgeber von Science Fiction Magazinen keine monetären Landschaften um sich herum haben.
 
Wie in der Juliy Ausgabe von "Forever" greift Neil Clarke aber bei der Novelle auf einen Beitrag aus dem Jahr 2019 zurück. Und dieser ist ebenfalls in "Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine" erschienen, was eine unglückliche Konstellation darstellt. 
 
Damit soll nicht die Qualität von "The Work of Wolves" von Tegan Moore in Zweifel gezogen werden. Sera ist ein intelligenter Hund. Auf die einzelnen Aspekte der Intelligenzvermehrung geht die Geschichte nicht ausführlich ein, aber diese Art von Hunden scheint nicht unbedingt selten, aber auch noch nicht alltäglich zu sein. Auch wenn sie bei ihren Such- und Rettungsaktionen einen hervorragenden Job macht, ist es ihr menschlicher Partner, der Probleme mit einem Tier hat, das wahrscheinlicher intelligenter ist und instinktiver handeln kann als der Mensch.
 
Während der emotionale Konflikt zwischen Mensch und Hund sehr gut herausgearbeitet worden ist, geht die Autorin zu fahrlässig mit den Ausgangsdaten um. Sie impliziert, dass selbst Ratten eine gewisse Intelligenzstufe erreichen können, obwohl wie bei Hunden ihre Gehirn dann zu mehr als einhundert Prozent ausgelastet sein müssten.
 
Ignoriert der Leser diese Prämisse entwickelt sich eine sehr interessante Geschichte. Sera ist hochintelligent, emotional überzeugend und beschreibt dem Leser diese unwirtliche und herausfordende Welt überzeugend aus ihrer Perspektive, ohne das Kitsch oder Pathos eine Rolle spielen.
 
Im Mittelpunkt der Geschichte steht auf der einen Seite die Jagd auf eine sehr intelligente Ratte, die wie moderne Terroristen rücksichtslos und mit allen Wasser gewaschen vorgeht. Auf der anderen Seite versucht Sera das Vertrauen ihrer Partnerin Carol zu gewinnen, wobei interessanterweise auf diesen Aspekt die finale Pointe noch einmal subversiv und doppeldeutig eingeht.  Der Versuch, die Erwartung der Leser zu befriedigen und dann auf den Kopf zu stellen, gehört zu den besten und effektivsten Handlungsabschnitten der ganzen Novelle.   
 
Zusammengefasst liest sich "the Work of Wolves" kurzweilig und lange Zeit unter den angesprochenen Einschränkungen spannend, bevor die Autorin eine Harlan Ellison Wendung versucht und die Novelle überzeugend abschließt. 
 
Aber auch bei den Kurzgeschichten greift Neil Clarke wieder zu Anthologien, die in den letzten "Forever" Ausgaben ordentlich gelündert worden sind.  “Because Change Was the Ocean and We Lived By Her Mercy”von Charlie Jane Anders stammt aus Strahans "Drowned Worlds".
 
Die Protagonistin Pris verlässt die überfluteteten Fairtbanks und schließt sich einer Kommune an, die in schwimmenden gigantischen Städten über San Francisco lebt. Dabei stellt sich wie bei vielen anderen Geschichten oder Filmen in der "Waterworld" Traadition die Frage, wie diese gigantischen Plattformen entstanden sind und zweitens im Grunde am Laufen gehalten werden, da alle natürlichen Resourcen aufgebraucht und die Instandhaltung eher schwierig ist.  Die Autorin setzt vor allem auf den Einfallsreichtum ihrer Leser, anstatt einzelne wichtige Passagen abschließend zu entwickelt. 
So schließt sich Pris durch nachvollziehbar einer Gruppe namens "Wrong-Headed Crew" an, bis sie deren Ideale nicht mehr verstehen kann. Sie beginnt, nicht nur diese schwimmende Stadt zu reparieren, sondern verfolgt, wie sich das Leben seinen eigenen Weg in dieser ökologischen Katastrophe erschließt. Ohne die Menschen. Interessant und verstörend ist, dass die Farmer ihre Arbeiter lieber ermorden als sie für deren Arbeit zu bezahlen. In den kleinen Gemeinden muss sich aber eine derartige Vorgehensweise schnell rumsprechen. In dieser Hinsicht agiert Pris fast zu naiv.
Es sind diese kleinen emotionalen Schwächen, der zu distanzierte Schreibstil und schließlich der Rückgriff auf nicht ausreichend entwickelte Ideen, welche die Story zu einem leider mühsamen Lesererlebnis vor einem unterentwickelten Hintergrund machen.  
 
Seth Dickinsons "Three Bodies at Mitanni" stammt aus dem Jahre 2015, sowie dem "Analog" Magazin. Auch in dieser Geschichte ist die Ausgangsbasis ein wenig brüchig. Die Erde schickt ein schwer bewaffnetes Raumschiff aus, das die vor über eintausend Jahren gegründeten Kolonien besuchen und ggfs. alle für die Erde gefährlichen Kolonien vernichten soll.  Interessant wird es, als das Raumschiff die Kolonie Mitanni wiederfindet. Die Menschen haben eine Art Symbiose mit ihrer Umwelt erreicht, die sie nicht gleich als menchlich kennzeichnet. Dabei stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Wesen der Erde gefährlich werden könnten oder nicht. Seth Dickinson ignoriert also die von ihm selbst entwickelte Prämisse, was der Kurzgeschichte an einigen wichtigen Stellen sehr viel Potential nimmt.
 
Auf der anderen Seite schafft es der Autor zusätzlich nicht, die Charaktere auf beiden Seiten dreidimensional genug zu entwickeln, das der Leser nicht nur ihre Handlungen, sondern vor allem
auch diese Art von Gesellschaft einschätzen kann. Vieles wird vorausgesetzt, nur wenig abschließend erläutertt. Auch die Mission macht keinen Sinn, denn die Erde scheint nicht nur, sie ist
den Kolonien in dieser unbestimmten Zukunft überlegen, so dass eine Fernbeobachtung ausreichend gewesen wäre.  
 
"Forever" 67 ist eher eine solide Ausgabe mit lesenswerten, aber auch nicht wirklich herausragenden Texten, wobei das Plündern einzelner Quellen der Idee mehr und mehr widerspricht, seltene Nachdrucke im E Book Gewand zu präsentieren. 
 

Forever Magazine Issue 67 cover - click to view full size

Wyrm Publishing

112 Seiten