Rettungskreuzer Ikarus 78: Die Seelenlosen

Holger M. Pohl

„Die Seelenlosen“ ist der zweite Teil der von Holger M. Pohl geschriebenen Tetralogie, basierend auf seine “Clanhändler“ Trilogie. Nach dem ersten James Bond artigen Höhepunkt am Ende von „Dreißig Minuten“, in dem der potentielle Oberschurke seinen Plan den natürlich bald sterbenden Helden erläutern soll, extrapoliert Holger M. Pohl zu den Beginn des zweiten Teils diesen Plan nicht umgehend. Das kommt später und interessanterweise in nicht vollständiger Form.

Holger M. Pohl führt nach der Zusammenfassung der beiden „Dreißig Minuten“ auszeichnenden Handlungsebenen mit „Die Seelenlosen“ wieder einen zweiten Spannungsbogen gleich zu Beginn des Buches ein.  Auf Vortex Outpost macht sich Wenderveen Sorgen um Trooid, den er ja im Grunde gegen den eigenen Willen und die eigene Überzeugung hat ziehen lassen. Es liegen keine weiteren Nachrichten vor. Der Rettungskreuzer Ikarus beginnt seine Mission. Eigentlich will die Crew auf der autarken Welt der Clanhändler nach Trooid und damit dem Rechten sehen. Allerdings sind sie dort nicht willkommen. Holger M. Pohl hat schon impliziert, dass der Rettungskreuzer nicht nur Teil der möglichen Lösung ist, sondern in Form der versteckt an Bord gehaltenen künstlichen Intelligenz auch ein Teil des Problems sein könnte. Sylke Brandt hat sich in ihrem Doppelband auf eine andere Art und Weise mit diesem Faktum auseinandergesetzt.

So verwundert es die Leser nicht, dass in der zweiten Hälfte des vorliegenden Romans nicht nur ein weiterer potentieller wie allerdings auch altbekannter „Feind“ mindestens indirekt eingeführt wird, sondern der Rettungskreuzer auch von den Clanhändlern bei der Umsetzung ihrer Pläne eine mittelbare Rolle spielen könnte.

Die meisten neuen Informationen erhält der Leser auf der „Rettungskreuzer Ikarus“ Handlungsebene, auch wenn der Cliffhanger Paukenschlag den „Seelenlosen“ und ihrer zukünftigen Bestimmung gehört. Auf der Clanhändlerwelt werden Trooid und Dorian Darkwood – inzwischen beide Gefangene – von dem neuen Anführer der Clanhändler Axis Gambon mindestens in Teile ihres Plans eingeweiht. Dabei greift Holger M. Pohl allerdings auch auf bekannte Versatzstücke zurück, die er erst gegen Ende des Handlungsbogen in die schon angesprochene, auch nicht unbedingt neue, aber eher in Lovecraft Universum angesiedelte Richtung dreht.

Bis dahin ist die Idee des das Bewusstsein beeinflussenden Boomiums, die Versklavung von Menschen in den Mienen unter natürlich unwürdigen Verhältnissen und der die Galaxis umfassende Eroberungsplan Gambons weniger starker Tobak als eine Reihe aus zahlreichen anderen Unterhaltungswerken bekannten Prämissen.

Ob es wirklich sinnvoll gewesen ist, den Spannungsbogen auch mit den erzähltechnischen Klischees eines sich hinsichtlich seiner Pläne rühmenden vorläufigen Erzschurken zu füttern, muss jeder Leser selbst entscheiden. Gegen Ende des vorliegenden Buches versucht sich Holger M. Pohl ein wenig aus der literarisch selbst gewählten Umklammerung zu befreien und erweitert den Handlungsbogen zufriedenstellend.

Wie bei jeder guten Serie dient der zweite Band in erster Linie dazu, das Szenario noch zu erweitern und die zahlreichen möglichen Konfliktpunkte zu definieren, ggfs. auch voneinander abzugrenzen. Es ist zu früh, um sich ein abschließendes Bild über diese Tetralogie zu machen. Dazu deutet Holger M. Pohl auch an, dass selbst Gambon nicht der Marionettenspieler dieser potentiellen Verschwörung ist, sondern auf eine andere Art und Weise ebenfalls nur benutzt wird. Es sind diese den Klischeerahmen sprengenden Szenen, welche das Interesse der Leser eher aufrechterhalten als die wenigen solide beschriebenen Actionlastigen Szenen, die auf typische Verfolgungsjagden oder Fallenstellen verzichten.  

Das Tempo des Romans ist weniger hoch als bei „Dreißig Minuten“. Hinzu kommt, dass Holger M. Pohl noch zu viele vielleicht abschließend wichtige, momentan die Dynamik des Buches bremsende Informationen einstreut. „Die Seelenlosen“ schließt auf einem sehr zufriedenstellenden Nivea an „Dreißig Minuten“, aber die Lektüre befriedigt nicht so sehr wie der deutlich besser strukturierte Auftaktroman der Tetralogie.       

Rettungskreuzer Ikarus 78: Die Seelenlosen

  • Herausgeber ‏ : ‎ Atlantis Verlag (31. März 2020)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 98 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 386402711X
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864027116