Ullstein 4- In der Unterwelt

Ronald M. Hahn

Ronald M. Han präsentiert mit „In der Unterwelt“ den vierten und diesen langen Handlungsbogenabschließenden „Ullstein“ Roman. Der Routinier hatte die Serie auch mit „in der Todeszone“ eröffnet, während Arno Thewlis mit seinen beiden sehr stringenten Romanen in der Mitte das Tempo hochgehalten hat.

Mit „in der Todeszine“ hatte Hahn ein interessantes Szenario etabliert, in das er mit dem fiktiven, immer mit den Verlegern verwechselten Detektiv Ullstein auch eine nicht zu dominante oder gar charismatische, aber nicht zuletzt auch aufgrund seiner Schwächen interessante Hauptfigur platziert hat. Darum hat der Autor nicht zuletzt mit einer Reihe von Seitenhieben historische Figuren wie den Autoren Hanns Heinz Ewers – als amerikanischen Detektiv – oder Hugo Gernsbacher – er versucht, ein Science Fiction Magazin nicht in den USA, sondern im Deutschen Reich zu etablieren -, Thea von Harbou oder Hitler, Goebbles oder schließlich Göring wie Schachfiguren aufgestellt, denen Ullstein auf seiner anfänglichen Mission, in den mittleren Romanen Flucht und schließlich der „Attacke“ auf Stalins Umschlagsaum im vorliegenden vierten Band begegnete. Das Vergnügen der Leser war die Mischung aus klassischer Wiedererkennung, aber auch der satirisch plakativen Verfremdung der historischen Figuren bis zu ihrer Entlarvung als neurotische Feiglinge. Diesen Weg geht Ronald M Hahn in seinem vierten Band weiter, wobei sich der Autor entschließt, zumindest einem der historischen Choleriker eine Abreibung zu verpassen, die aus einem Tarantino Film mit dessen Hang zu blutiger Übertreibung stammen könnte.

Ullstein versucht dem Spion Stalin eine Glasröhre mit einer Flüssigkeit abzunehmen. Sie soll gegen die das Deutsche Reich isolierende Neopest helfen. Der Herkunft dieses Serums ist unbekannt, eine junge Chemikerin soll die Substanz untersuchen, zu einer Übergabe kommt es allerdings nicht und die Röhre gilt als verschollen. Stalin trägt sie eher unabsichtlich in seiner Hosennaht. Ullstein braucht wieder die Hilfe von nicht nur einer Frau – Alexandra von Xanten -, sondern indirekt mehreren Frauen, wobei er bei einem Mädchen sogar den ursprünglich vom Hellseher Hanussen in „In der Todeszone“ erteilten Suchauftrag indirekt erfüllen kann. Nachdem ihn Hanussen eher widerwillig in bar bezahlt hat. Damit schließt sich ein Spannungsbogen.    

Auch wenn der Autor Ronald M. Hahn handlungstechnisch an einer Stelle vor dem eigenen Plot kapituliert und auf Erklärungen hinsichtlich der Flucht aus dem unterirdischen Bunker mit seinen stählernen Türen vor den Zellen zu Gunsten einer Fußnote verzichtet, überzeugt die Mischung aus dem dekadenten Flair der dreißiger Jahr, den historischen Figuren und vor allem der verzweifelten Mission, das Reich dank eines Serums aus der Isolation zu holen.

Ronald M. Hahn ist aber auch ein eher ambivalenter Autor. Nicht selten sollen seine Texte satirischer Natur sein und sein Hang zu einer an Slapstick erinnernden Übertreibung in Kombination mit pubertierenden nicht unbedingt wirklich erotischen Wachträumen und Vorstellungen sowie exzessiven, aber manchmal auch flapsig inkonsequent geschriebenen Dialogen erstickt normale Spannungsbögen im Keim.

Der laufende Gag ist, dass Ullstein mehrmals das Bewusstsein vor allem durch Gewalteinwirkung verliert. Er verliert sich in Alptraumvisionen, die immer bizarrer werden. Die erste den Leser wie Ullstein eher orientierungslos zurücklassende Sequenz gleich zu Beginn des Buches mag noch gequält lustig sein, beim dritten ausufernden Mal ist das leider nicht mehr der Fall.

Das Ronald M Hahn Satire und Plot gut miteinander verbinden kann, zeigt sich in dem bizarren Verhör Martin Bormanns.  Kurze knappe Dialoge, bissige Kommentare und theoretisch sogar den Spannungsbogen vorantreibend.  

Dann finden sich wieder erotisch wirkende Passagen, in denen sich Ronald M. Hahn eher absichtlich oder unabsichtlich auf dem literarischen Niveau eines Pennälers bewegt. Hinzu kommen die inneren Monologe Ullsteins, der mit Alexandra von… - egal wie sie wirklich heißt – vieles anstellen möchte. Am Ende wird er im Epilog zum „Schuß“ nach mehreren Fehlversuchen kommen.  Aber angesichts des überschaubaren Umfangs des Buches nerven diese sich wiederholenden Szenen vor allem, weil Hahn den stringenten und nicht immer im Detail originellen Plot mit dieser Vorgehensweise routiniert auf eine Romanlänge bringt. Und das ist in seinem umfangreichen derartig oft der Fall, dass man eher von einer Marotte als einer schriftstellerischen Eingebung schreiben kann und muss.

Absurd und das bisher etablierte Szenario verlassend wird die Geschichte gegen Ende. Ob es sich alles um eine Traumvision Ullsteins handelt, soll dahingestellt sein. Die Idee von den fliegenden Untertassen und möglichen im All herrschenden Herrenrasse hat Ronald M. Hahn ja schon an das Ende des Bormann Verhörs gestellt. Auf den letzten Seiten greift er diese Idee mit das Bewusstsein übernehmenden Außerirdischen noch einmal auf. Wenn der Autor damit die Herrenrassephantasien der Nazis noch einmal karikieren sollte, geht das in diesem nach einem guten Auftakt mehr und  mehr frustrierenden vierten Teil unter.

„In der Unterwelt“ ist der schwächste Band der Serie. Das liegt unabhängig vom interessanten und von Hahn auch konsequent wie effektiv genutzten semifiktiven Hintergrund wieder an seiner schriftstellerischen Unart, den Bogen mit flapsigen Bemerkungen und nicht unbedingt mehr witzigen Exkursen zum wiederholten Mal zu überziehen und damit die grundlegende gute Intention zu unterminieren.  

Taschenbuch, 162 Seiten

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