Maddrax 29- Misanthropolis

Ansgar Back

Mit Ansgar Back debütiert in "Misanthropolis" ein neuer Autor bei den Zaubermond "Maddrax" Abenteuern. Für die laufende Heftromanserie hat er eine Handvoll von Abenteuern verfasst.

Es handelt sich um ein solides Debüt, das in erster Linie weniger über die stringente Handlung, sondern die beiden wichtigsten Pro bzw. Antagonisten Ketcher Laymon und den psychopathischen Massenmörder Bullseye definiert wird. Handlungstechnisch fallen dem aufmerksamen Leser eine Reihe von Vorlagen vom klassischen Western über die Kurosawa/Leone Variationen bis zur christlichen Leidensgeschichte ein. Das Endzeitszenario der "Maddrax" Serie eignet sich sehr gut für die Vorgehensweise, während auf der anderen Seite das brutale Ende fast zu schnell kommt. Der größte Unterschied zu den erwähnten Vorlagen besteht in der Tatsache, dass opportunistische Helfer der Politiker auf die beiden wichtigsten Figuren Ketcher und Bullseye förmlich aufgespalten worden sind und so das politische Hintertreiben einer friedlichen Gemeinschaft und die radikale Beseitigung des machthungrigen Krebsgeschwüres in diesem Fall in zwei Händen liegen. 

Die Grundposition macht der Autor im brutalen Auftakt relativ schnell klar. Ein junges Mädchen wird brutal vergewaltigt, ihr kleiner Bruder muss deren Tod unter dem Bett hilflos mit ansehen. Die Gemeinde ruft den legendären Fänger Ketcher Laymon. Die Fänger sind Kopfgeldjäger, die gegen einen kargen Lohn für Recht und Ordnung gesorgt haben. Und Ketcher Laymon ist einer ihrer besten Männer gewesen. Vor Jahren ist seine Frau brutal ermordet worden. Seitdem sucht er verstärkt nach dem Täter. Wenig überraschend stellt sich heraus, dass der Mann beide Frauen ermordet haben könnte. Schon aus Rachegelüsten macht sich Laymon auf die Spur und ist sich bald aufgrund weiterer brutaler Taten sicher, dass es sich um den Mörder seiner Frau handeln könnte. Diese Grundprämisse ist wenig überraschend und Angsar Back behilft sich mit eher brutalen Beschreibungen außerordentlicher Gewalt als das er die einzelnen Figuren dreidimensional entwickelt.

Der Plot erhält eine auf den ersten Blick überraschende Wendung mit dem Ashville, einer der aufstrebenden Gemeinden Meerakas. Sie verfügt neben einer guten Infrastruktur und einer Druckerei mit einer mehr oder minder freien Presse sogar über Strom. In der Stadt und dem Umland gibt es einen Konflikt zwischen den gewählten Stadtvertretern und der Glaubensgemeinschaft der Kristianer, die aus dem kargen Umland fruchtbaren Boden gemacht haben und die Stadt zu deren Leidwesen sogar versorgen können. Die Spirale der Gewalt ist nicht überraschend, doch mit Bullseye Auftreten erreicht sie eine neue Dimension. Ein Mitglied des Stadtrats heuert ihn an, um die Opposition der Kristianer einzuschüchtern und sogar zu vernichten. Sie sollen das jetzt nutzbare Land verlassen. Natürlich ahnen die Auftraggeber nicht, dass sich ein Bullseye bei der Verrichtung seiner liebsten Tätigkeit - dem Töten von Menschen - nicht aufhalten und schon gar nicht kontrollieren lässt. Ketcher hat eher das Problem, das er neben den politischen Ränkespielen bei der Suche nach dem Mörder nicht richtig weiterkommt, da Bullseyes aufgrund der verschiedenen Informationen ihm immer einen kleinen Schritt voraus ist. Im Konflikt zwischen den Städtern und den Kristianer entschließt er sich schließlich, Partei zu ergreifen und ahnt nicht, dass er zum zweien Mal eine junge attraktive und intelligente Frau verlieren könnte, die ihm vertraut. 

Der Mittelteil des Romans ist trotz einiger konstruierter Szenen der stärkste Teil des Romans. Nicht wirklich originell und weiterhin so übertrieben brutal, das der Autor seine Intention mehrfach unterläuft, aber solide geschrieben. Zum einen macht die Nutzung von Bullseye als Instrument nur wenig Sinn. Zu brutal, zu egozentrisch und vor allem zu schnell für selbst machthungrige Politiker nicht kontrollierbar überspannt er alle Bögen und fordert mit seiner Vorgehensweise weniger Reaktionen als Stillstand heraus. Auf der anderen Seite müsste er zumindest wenigen nicht korrupten Elementen auffallen, dass Bullseye Auftreten sanktioniert ist.

Natürlich wird impliziert, dass Bullseye auch für das eigene Vergnügen mordet und kaum verstehen kann, dass man ihn für diese Freude noch bezahlen will. Als Figur an sich erscheint der Massenmörder eher wie eine Chiffre. Eine Synthese auch bekannten Elementen, deutlich stärker extrapoliert und mit Brutalitäten förmlich überhäuft. Nur in einer einzigen Szene nähert sich Back seiner Figur überraschend gut. Die Stadtwache fällt nicht auf dessen dürftige Tarnung herein und verhaftet ihn beim Betreten der Stadt durch keinen offiziellen Zugang. Anstatt aus dieser Situation mehr zu machen, wird er fast umgehend von den Hintermännern, die alle eindimensional bleiben und dadurch nichts zur inneren Spannung des Buches beitragen, zwangsverpflichtet.

Back versucht dessen Vorgehensweise hinter verschiedenen Verschachtelungen zu verstecken, aber es wirkt nicht alles wirklich fließend und von den offensichtlichen Vorlagen abhebend originell. Sehr viel interessanter ist die kleine Stadt an sich. In mehr als dreihundert "Maddrax" Heften ist der Leser immer wieder auf diese Oasen der sich wieder aufrappelnden Zivilisation gestoßen und Ansgar Back beschreibt einige der hier ablaufenden Entwicklungen fundiert, dreidimensional und vor allem auch nachvollziehbar. Der Konflikt mit den Kristianern basierend auf Neid und Missgunst ist ein klassisches, aber auch klischeehaftes Motiv, um diese Idylle zu zerstören. Nur wenige Menschen wehren sich dagegen und diese Figuren wirken im Romanverlauf eher unterentwickelt. 

Das Ende ist für "Maddrax" auf der einen Seite passend dunkel ohne das zumindest emotionale Happy End, auf der anderen Seite angesichts der verschiedenen Entwicklungen auch ein wenig zu abrupt und hektisch. Angesichts des "langen" Aufbaus insbesondere auch von Bullseyes Hintermännern geht diese Entwicklung zu schnell zu Ende. Zumindest verzichtet der Autor auf den leider zu oft verwandten Epilog, in dem die Situationen mit einer Art Holzhammereffekt noch einmal aufgerufen werden. 

Dagegen erscheint der „Held“ Ketcher eher als zugänglichere Mischung aus dem „Mann ohne Namen“ und „Django“. Sein Stigma – der Verlust seiner Frau – trägt er förmlich auf der Stirn und Back versucht ihm vergeblich Emotionalität zu geben, in dem er den Leser mittels indirekter Rede bei jeder Begegnung mit dem anderen Geschlecht an das Trauma erinnert. Auch dass sich Bullseye als der Mörder seiner Frau entpuppt, gibt der grundlegenden Dramaturgie keine Schärfe, sondern ist höchstens konsequent. „Maddrax“ funktioniert meistens so gut, weil die Autoren bekannte Szenarien verfremden und den Leser dann auf dem falschen Fuß erwischen. Davon kann aufgrund der Überzeichnung der Figuren keine Rede sein und mit mehr Subtilität oder vielleicht nur wenigen falschen Spuren hätte der Autor sehr viel effektiver und für den Leser greifbarer das Ziel erreichen können. Gegen Ende erinnert Ketcher sehr stark an „Shane“, gespielt von Alan Ladd, der in der Stadt auch nach der Erfüllung der Mission nicht bleiben wird. Während Bullseye zu dunkel, zu brutal, zu verrückt beschrieben worden ist, wirkt Ketcher zu sehr wie das „gute“ Gegenteil mit einer entsprechenden Mission, die ihn natürlich fordert, aber nicht für grenzenlose Probleme stellt. Back ist ein junger, ohne Frage talentierter Autor mit seinem ersten längeren Text, so dass für die ungleiche Charakterisierung der Figuren und das nicht immer zufriedenstellende Heben der entsprechenden Potentiale durchaus auch mit Querdenken Verständnis aufgebracht werden muss.  

Die eher streitbaren Kristianer hätten durchaus mehr Potential, das nur zu Beginn des Romans ausgeschöpft wird. Gegen Ende verlässt sich der Autor auf die lange „geplante“ finale Konfrontation, die wie schon angesprochen zu schnell kommt, aber zumindest eine tragisch zynische Überraschung in sich bürgt.Zusammengefasst ist „Misanthropolis“ ein kurzweilig zu lesender, aus bekannten Elementen zusammengesetzter „Maddrax“ Roman, der ohne alle Hauptfiguren auskommt und fairerweise auch serienunabhängig spielen könnte, vielleicht auch vor einem anderen Hintergrund konzipiert und niedergeschrieben worden ist. Er passt sich aber gut in den Heftromankosmos ein und unterhält unter den bekannten Prämissen sowie der Berücksichtigung der angesprochenen Schwächen solide kurzweilig.   

 

 

 

 

Taschenbuch, ca. 200 Seiten

Erschienen im März 2014

www.aubermond.de