Call me a Cab

Donald E. Westlake

Am Ende des Buches geht “Hard Case Crime” Herausgeber Charles Ardai auf eine weitere Erstveröffentlichung eines Donald E. Westlake Romans ein. Im Gegensatz zu “Memory” oder “The Comedy is finished” gab es verschiedene “Fassungen” des Buches. Die Variationen bezogen sich auf einzelne Kapitel, aber nicht den grundlegenden Plot. In Kleinarbeit haben die Witwe von Donald Westlake und Ardai eine interessante, inhaltlich sehr stringente Fassung vorgelegt. Es gab aber bei dem mit einem wirklich atemberaubenden Titelbild ausgestatteten Roadmovie noch ein weiteres Problem. Wie schreibt man eine Suspense Geschichte ohne ein Krimielement? Die gleiche Frage stellte sich beim ebenfalls innerhalb  dieser Reihe veröffentlichten Roman “Brother Keeper”, in welchem Donald E. Westlake einen Caper Roman geschrieben hat, eben ohne den großen Coup. In beiden Fällen liegt die Antwort bei den Protagonisten, die der amerikanische Autor erschaffen hat. Bei “Brother Keeper” hat sich Westlake in seine New Yorker Mönche derartig während des Schreibens verliebt, das er sie als Verbrecher wegen der Enteignung ihres Klosters nicht im Gefängnis sehen wollte. Bei “Call me a Cab” besteht der Suspense alleine aus der möglichen Antwort auf die Frage, welche abschließend drei Menschenleben beeinflusst.  Auch wenn der Titel nicht ganz richtig ist - der Plot beginnt schon in dem herbeigerufenen Taxi -  lebt dieses wunderschöne Roadmovie von im Grunde zwei Charakteren und einer auf den ersten Blick absurden Reise durch die USA. 

Tom ist Taxifahrer in New York. Er arbeitet im väterlichen Betrieb, nachdem er vorher einige Jahre nach einem abgeschlossenen Studium in verschiedenen Städten gelebt hat. Tom ist gerne Taxifahrer, im Grunde will er nichts anderes mehr machen. Auch wenn er weiß, das es eine Sackgasse für den vor einigen Jahren geschiedenen Mann ist.

Katherine - sie macht gleich deutlich, das sie keine Kate oder Kathy, sondern nur Katherine ist - befindet sich in Toms Taxi auf dem Weg zu Flughafen. Sie will von New York nach Los Angeles fliegen, um ihren langjährigem Freund Barry, einem Schönheitschirurgen die Antwort auf seine Frage zu geben, ob sie seine Frau werden will. 

Durch einen Zufall kommt der attraktiven Landschaftsarchitekten eine Idee. Sie  hat Barry versprochen, bei ihrer Ankunft in Los Angeles klar zu antworten. Sie hat aber nicht versprochen, wann und wie sie nach Los Angeles kommt. Sie heuert den überforderten Tom an, sie für 4000 Dollar plus Spesen durch die USA nach Los Angeles zu fahren, damit sie statt fünf Stunden jetzt fast eine Woche Zeit hat, die Fragen zu beantworten. 

Donald Westlake ist als populärer Massenschreiber positiv verschrien. Seine Bücher sind niemals wirklich langweilig, höchstens manchmal stereotyp. Das ist angesichts der Geschwindigkeit, mit welcher Westlake Romane verfasst hat, schon ein doppeltes Kompliment.  Auf jedem Nachdruck von Hard Case Crime steht eine Lobeshymne von Stephen King. Und die beiden Autoren sind sich auf eine erstaunliche Art und Weise ähnlicher als man es denkt. Die Erstveröffenlichungen von Manuskripten zeigen deutlich, das Donald E. Westlake vor allem als etablierter Autor immer wieder Herausforderungen gesucht und neue Wege beschritten ist. Dabei ging es ihm nicht unbedingt um die Veröffentlichung, sondern um sich selbst zu beweisen, dass man die Prämissen ändern und trotzdem etwas mindestens lesbares erschaffen kann. 

Auch Stephen King hat in seiner langen Karriere immer wieder an den literarischen Knöpfen gedreht. Vor allem in den frühen neunziger Jahren mit Stoffen wie “Dolores Claibourne”, “Rose Madder”, später den drei für Hard Case Crime verfassten Büchern oder den jetzigen Exkursen in den Bereich des Krimis. Daher sollte die Bewunderung Stephen Kings Donald Westlake gegenüber echt sein. 

Und jetzt ein Buch über zwei Menschen in einem New Yorker Taxi. Es ist aus heutiger Sicht auch ein wunderbar unschuldiger Blick in die späten sechziger Jahre. An einer Stelle ist erkennbar, das der Roman 1968 in einer USA spielt, die weder vom Vietnamkrieg noch den Rassenunruhen, aber auch nicht dem Flower Power Sommer zerrissen worden ist. Diese Scheuklappen Mentalität der tatsächlichen Realität gegenüber wäre ein klassischer Angriffspunkt, aber Westlake will ein Land beschreiben, in dem jedes Hollywood Inn tatsächlich wie das Andere aussieht. Tom hat irgendwann auf der Reise den Eindruck, als wenn er sich zwischen den Hotels gar nicht mehr bewegt. 

Auf der Reise werden einige Klischees gestreift. So helfen sie einer hochschwangeren Frau, deren Wagen liegen geblieben ist, rechtzeitig ins Krankenhaus. An einer anderen Stelle bleibt das Taxi in einem wirklich Gott verdammten Nest liegen und die Reparatur wirft sie im Zeitplan zurück. Für Tom eher eine Katastrophe als für Katherine. Einsame Kellnerinnen streifen Toms weg. Abschluss dieser Begegnungen mit einem im Grunde in dieser friedlichen Eintracht fiktiven Land ist der wilde Abend, den Tom/ Katherine mit einem anderen Ehepaar verbringen. Sie fahren über die Grenze und besuchen eine Reihe von Spelunken. Oz und Kanas Witze inklusive. Es ist eine Reise durch die USA, als es eben noch keine durchgehenden Interstate Highways gab und man mittels einer Karte und der Himmelsrichtung sich orientieren musste. 

Dazwischen steht aber immer die Frage, ob sich die beruflich erfolgreiche Katherine für ihren Barry entscheidet oder vielleicht doch den attraktiven, bodenständigen Tom? Ohne zu viel zu verraten bleibt Donald Westlake seiner Linie treu und hat einen Roadmovie, aber keine klassische Romanze beschrieben. Katherine ist eine Frau, die es aus eigener Initiative auch mit Willen geschafft hat. Sie gehört zu einer neuen Generation von Frauen, auch wenn sich Tom /Donald Westlake an einer Stelle des Buches argumentativ arg in die Enge manövrieren und verzweifelt versuchen, die neue Berufswelt als einfacher für entschlossene Frauen zu definieren. 

Ihr Freund Barry in Los Angeles ist dagegen absichtlich oder unabsichtlich eindimensional beschrieben worden. Er ist Mister Right. Verständnisvoll, reich (Schönheitschirurg), einfühlsam, nicht eifersüchtig und attraktiv. So perfekt, dass es langweilig sein muss. Egal, was Katherine für Argumente hinsichtlich Barrys perfekten Charakter sucht. Und das ist vielleicht auch die einzige Schwäche des Buches. Tom und der Leser lernen Barry bis auf einzelne Telefonate beginnend von der Idee einer Taxi Reise über die verschiedenen Zwischenstopps sowie Diskussionen über die Route bis zum letzten fast bizarr erscheinenden Abschnitt zu wenig kennen, um ihn wirklich als Charakter zu beurteilen. 

Tom ist das Gegenteil von Barry. Er hat eine schlechte Ehe hinter sich, auch wenn er irgendwie noch seiner Frau nachtrauert. Im Leben hat er seinen bescheidenen Frieden gefunden. Er mag Katherine, auch wenn sie eine schwierige Frau ist. Tom kann nicht mal sagen, was sie bis auf den Sex während dieser Reise von dem Paar unterscheidet, das mit ihnen durch die Spelunken zieht. Vielleicht ist es nur die Tatsache, dass die Anderen inzwischen verzweifelt nicht mehr alleine sein wollen, während Tom/ Katherine als platonisches Paar am besten in der Isolation des New Yorker Taxis selbst ohne Klimaanlage in der Wüste funktionieren. 

“Call me a Cab” ist eine überzeugende Charakterstudie zweier unterschiedlicher Menschen, die sich durch einen Zufall begegnen und im Grunde nicht aufeinander fliegen, sondern sich emotional als Freunde zuerst brauchen, um die jeweiligen Schwächen zu bearbeiten oder vielleicht sogar zu überwinden. Am Ende dieser Reise sind sie keine anderen Menschen, aber sie haben sehr viel gelernt und sich weiterentwickelt. Alleine diese Erkenntnisse sind die von Westlake allerdings auch ein wenig wie aus einem Reiseprospekt beschriebene Fahrt von der Ost-  an die Westküste wert.   Neben den dreidimensionalen, aber auch eckigen Charakteren ist Donald E. Westlake ein Meister des nicht immer subtilen, aber niemals ordinären Dialogs. Es ist kein klassischer Westlake - das sind fast alle Veröffentlichungen im Rahmen der “HArd Case Crimes” nicht -, sondern ein wunderbares romantisches Roadmovie aus den beschaulichen Endsechzigern, das in der Gegenwart zumindest während der Lektüre ein wenig ablenkt, aber auf jeden Fall grandios kurzweilig unterhält.   

  

Call Me A Cab (Hard Case Crime, 152)

  • Herausgeber ‏ : ‎ Titan Publ. Group Ltd. (22. Februar 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Englisch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 255 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 1789098181
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-1789098181
Kategorie: