Einer der wenige Fixed Up Romane aus Alfred Elton van Vogt Spätphase, der keine Übersetzung ins Deutsche erhalten hat, ist “The Secret Galactics”, der zwei Jahre später 1976 noch einmal unter dem Titel “Earth Factor X” neu publiziert worden ist.
Es ist auch der im Grunde einzige Roman, den van Vogt nur als Erweiterung einer Kurzgeschichte angegangen ist: “The Sound of Wild Laughter”.
Die Ausgangsidee ist selbst für die siebziger Jahre noch interessant. Van Vogt ist mit seinen Angaben nicht unbedingt präzise, daher muss der Leser sich einzelne Segmente im Grunde irgendwie gedanklich zusammensetzen. Vor einer unbestimmten Zeit irgendwann zwischen mehreren tausend Jahren und/ oder der relativen Gegenwart haben sich Mitglieder verschiedener außerirdischer Rassen auf der Erde niedergelassen und quasi sich innerhalb der Menschheit assimiliert. Die Basisidee ist eine Invasion der Erde. Dabei stehen sich die Mitglieder der verschiedenen Rassen im Grunde auf den Füßen herum. In den vergangenen Jahren/Jahrzehnten/Jahrhunderten oder Jahrtausenden haben sie gemerkt, das sie nicht alleine zwischen den Menschen sind und die Motive im Grunde gleich erscheinen. Da die Fremden noch weit von ihrem eigentlichen Plan der Eroberung der Erde entfernt sind, konzentrieren sie sich auf eine aktive Beobachterrolle und versuchen mit der Menschheit im Allgemeinen klarzukommen. Im Laufe des Romans stellt sich aber noch ein anderes eher soziales Ziel der Fremden heraus. Bis dahin konzentriert sich der utopische Teil der Handlung auf teilweise pointierte Dialoge, ausführliche pseudowissenschaftliche Belehrungen und schließlich auch einige wenige Konfrontation in Form von dann wieder gut geschriebenen Actionszenen.
Die Zeichnung der Fremden ist in einem Punkt ausgesprochen ambivalent. Sie wirken trotz ihrer Technik und vor allem auch ihrer von van Vogt eher improvisierten Intentionen menschlich. Menschlicher als es der Autor vielleicht im Sinne hatte. Da die Invasion und damit auch die Vernichtung der Menschheit nicht unmittelbar bevorstehen, baut sich auf diesem Handlungsbogen auch wenig Spannung auf. Es ist bezeichnend, daß der Plot schließlich quasi im Nichts endet.
Dabei hat die Erde im Grunde nur einen Schatz, der sie schließlich für die Außerirdischen unwiderstehlich macht. So kitschig es klingt und so sehr das Thema auch in C Filmen wie “Mars needs Women” angesprochen worden ist, van Vogt versucht mit einer fast an Sendungsbewusstsein erinnernden These die vor allem männlichen Leser als Alter Egos der Außerirdischen zu begeistern und zu belehren. Die Außerirdischen wollen das Unmögliche: sie wollen verstehen, wie irdische Frauen ticken.
Und diese im Grunde in der vorliegenden Form fast paranoid präsentierte Idee läßt “Earth Factor X” altbackener erscheinen als es der Pulpautor Alfred Elton van Vogt wahrscheinlich beabsichtigt hat. Viele der jungen Autoren verstanden im Zuge der New Wave Bewegung nicht nur Frauen, sie standen im Mittelpunkt ihrer erotischen Phantasien und fast alle Tabugrenzen fielen zu diesem Zeitpunkt im erzkonservativen Genre.
Für Neuleser van Vogts muss diese The bizarr erscheinen. Wer sich vor allem mit dem aus Fixed Up Romanen bestehenden Alterswerk auseinandersetzt, wird auf eine Reihe von Themen stoßen, die der Amerikaner immer wieder in seinen dann aber deutlich utopischeren Romanen aufgegriffen hat.
Die schmale männliche Grenze zwischen Dominanz und Gewalt. Vielleicht würden diese hier vorliegenden späten Science Fiction Romane ganz anders aussehen, wenn van Vogt einen literarischen Erfolg mit seinem Kalten Krieg Roman “The Violent Man” gehabt hätte. In diesem Buch geht es neben dem angesprochenen Kalten Krieg Szenario in Form eines politischen Gefangenen, dessen Geheimnisse mittels moderner Methoden aus seinem Geist gepresst werden sollen, vor allem auch um den Drang von Männern, Probleme mit Gewalt zu lösen. In diesem Buch sind es weniger die irdischen Männer als die Außerirdischen, welche der Versuchung unterliegen.
Männliche Potenz ist ein weiterer Aspekt. Ausgedrückt durch die Hilflosigkeit eines Wissenschaftlers, der nur noch dank der außerirdischen Technik als Gehirn existiert und deswegen im Grunde kein Mann mehr ist. Als passiver Beobachter, vielleicht sogar als eine Art platonischer Voyeur könnte er der Mittler zwischen Mann/ Frau und damit auch Außerirdischer/ Menschheit sein, aber van Vogt lässt die Figur im Laufe der Handlung förmlich verschwinden und erwähnt das Schicksal des körperlosen Mannes erst während des hektischen und viel zu abrupt abbrechenden Finales.
Neben der unvollständigen Kommunikation auch zwischen den angesprochenen Gruppen geht es van Vogt um die schwierige Beziehung zwischen Männern und Frauen, die aus seiner Sicht keinem logischen Prozess folgt, sondern eher wie eine Art Klassenkampf erscheint. Auch wenn van Vogt seinen Frauen eine gewisse eigenständige Sexualität zu gesteht, sind es vor allem die Männer, welche immer wieder nicht nur auf Erfahrungssuche sind, sondern vor allem alle Spielarten ausprobieren wollen. Am besten außerhalb der Ehe aber mit einem weiblich Fixpunkt an der Seite. Sex wird nicht expliziert angesprochen und im Gegensatz zu Robert A. Heinlein, der ebenfalls alle Variationen in seinen späten Epen ausprobierte, bleibt van Vogt abschließend erstaunlich konservativ. Es ist eher die Unfähigkeit seiner Protagonisten stellvertretend für die Leser/ Menschheit die Schwierigkeiten einer normalen Beziehung vor allem von Männern zu Frauen auf einer gleichberechtigten Eben zu verstehen, was allerdings konservativ bis verklemmt den Reiz dieses Buches ausmacht. Nicht umsonst haben sich die Außerirdischen ausschließlich in Männerkörpern niedergelassen, obwohl sie sich nicht fortpflanzen können. Nicht umsonst schreibt das schwebende Gehirn ein Buch mit dem Titel “Women are Doomed” und fast parodistisch kommen die manchmal sehr eindimensionalen Charaktere zu der Erkenntnis, daß irgendwann auch die Frauen über die Erde herrschen könnten. Aber darunter schwebt die Fußnote, niemals in einem van Vogt Buch.
Im Gegensatz zu den aus verschiedenen Kurzgeschichten voller interessanter, aus den vierziger Jahren bestehenden anderen Fixed Romanen kann sich “Earth Factor X” nicht richtig entscheiden, welche Geschichte erzählt werden soll. Hinzu kommt, dass van Vogt im Grunde sich niemals auf die Ebene seiner Protagonisten begeben hat und immer versuchte, nicht nur mindestens einem Schritt dem Leser, sondern teilweise frustrierend auch zwei oder drei Meter vor seinen Charakteren zu sein. Das macht die Lektüre bestehend aus teilweise seitenweise Dialogen um die klassische Quadratur des Kreises nicht einfacher. Bei einem Roman voller Tempo und teilweise konträrer Ideen - nicht alle Kurzgeschichten lassen sich wirklich miteinander verbinden - fällt diese Ignoranz des geistigen Leserhorizonts weniger auf als in einer sozialen Studie, wie sie van Vogt für diesen Roman vorschwebte. Van Vogt meint seine Geschichte ernst. Im Laufe seiner langen Karriere hat er sich niemals als Satiriker oder Parodist versucht. Liest man dagegen einige Hinweise Robert A. Heinleins zu seinem eigenen Spätwerk, so spricht der Amerikaner von literarischen Komödien, in denen er mit den Rollenklischees zu spielen versucht. Daher ist der fast frauenfeindliche Plot ernst zu nehmen und anscheinend fühlt sich van Vogt mehr und mehr von der modernen Frauen im Gegensatz zu seiner eher konservativen Ehefrau bedroht. Immerhin steht er seinen Frauen vier in einem Körper innewohnende Persönlichkeitsaspekte zu: von der liebenden Mutter bis quasi zu allzeit bereiten “Hure”. In den fünfziger Jahren hätte van Vogt mit dieser Idee sicherlich für Aufruhr auch außerhalb des Genres gesorgt, die siebziger Jahren haben diese Idee inklusiv des klischeehaften Rollenbildes im weiblich positiven Sinne überrollt. Und das müssen nicht nur die immer wieder überforderten Außerirdischen in dieser Geschichte erkennen, sondern vor allem auch der Leser selbst, der dem Geschehen mit gehörigen Abstand und Staunen hinsichtlich einzelner, argumentativ tot gekauter Aspekte folgen wird.
- Sprache : Englisch
- DAW Books, 165 Seiten
- ISBN-10 : 0879972491
- ISBN-13 : 978-0879972493