Heliosphere 2265- Band 16 "Freund oder Feind?"

Andreas Suchanek

Im sechzehnten Band der Serie treibt Andreas Suchanek den Plot auf insgesamt drei Handlungsebenen nicht nur sehr zufrieden stellend voran, er demontiert zum zweiten Mal das Weltbild eines der wichtigsten Protagonisten und hat sogar den Mut, viele Aspekte der Zeitreisegeschichte aus einer nicht unbedingt gänzlich anderen, aber perspektivischen Sichtweise zu relativieren.

Die Entdeckung des sechsten Zeitreisen – es handelt sich um Cross Freund Janis Tauser – ist zunächst ein schock für Cross. Mehr und mehr kristallisiert sich heraus, dass die Zusammensetzung der „Hyperion“ Crew weniger das zynische Produkt der Admiralität ist, Unzufriedene und schwierigere Charaktere abzusondern, sondern Teil eines langfristigen Plans, von dem der Leser bislang nur Bruchteile in Erfahrung gebracht hat. Cross fühlt sich verraten. In einem sehr langen, emotionalen Rückblick werden die Führungscrew und die Leser auf den Stand des Geschehens gebracht. Dieser Rückblick relativiert nicht nur die Ansichten des Kommandanten, sondern zeigt die andere, deutlich schwieriger zu fassende Seite von beabsichtigen oder zufälligen Zeitparadoxa, die mehr als nur eine Parallelwelt zum bekannten, nach den Veränderungen allerdings untergegangenen „Ursprungsuniversum“ ausbilden. Andreas Suchanek gelingt es, durch Janis Tausers Erzählung die Absichten zumindest einer kleinen Teilgruppe der Zeitreisenden zu relativieren und andere Ziele zu definieren. Cross reagiert mit ein wenig Verständnis, aber weiterhin enttäuscht und gekränkt, obwohl er objektiv betrachtet den echten Janis Tauser niemals kennen gelernt hat. Andreas Suchanek versucht anschließend nicht zum ersten Mal im Verlaufe seiner Serie, Cross menschlicher und damit auch verletzlicher darzustellen, wobei die Reaktion überzogen erscheint. Natürlich besteht immer noch das Momentum des Zweifels, aber die Geschichte erscheint nicht nur plausibel, die Absichten auch in Hinblick auf die Mission der „Hyperion“ logisch. Mit der Verlagerung des Schwerpunkts innerhalb der „Hyperion“ Kommandostruktur setzt der Autor andere Schwerpunkte und zieht vielschichtige Charaktere insbesondere aus dem ersten Zwölfteiler nach deren persönlicher Regeneration wieder in den Mittelpunkt der Handlung, aber zusammengefasst gehört dieser Abschnitt des Romans zu den besten Passagen der bisherigen Serie und zeigt vor allem nachhaltig auf, wie intensiv Andreas Suchanek bislang „Heliosphere 2265“ trotz des diskussionswürdigen Jahrtausendplans am Ende des ersten Zwölfteilers geplant hat.

 Auch die beiden anderen Handlungsebenen beinhalten Sprengstoff. Im Sjöberg/ Putschisten Spannungsbogen beantwortet Andreas Suchanek eine Reihe von Fragen und bietet gleichzeitig weitere zukünftige Konfliktherde auf. Vielleicht erscheint manches zu minutiös erklärt, aber der Autor macht sich wegen den Verhaltensänderungen einiger seiner Protagonisten sehr viele Gedanken. So geht es um die Hintergründe, die Sjöberg vom Agierenden wieder zu einem Handlanger machen. Die Klonthema und die Kopien verschiedener terranischen Linien ist vielleicht nicht unbedingt neu, aber die Art und Weise, wie Andreas Suchanek sie in die Handlung einbaut und den Ketaria Bund als reinigendes Element nutzt, ist lesenswert. Es wird vielleicht angesichts der Entwicklungen auf der „Hyperion“ Handlungsebene zu kompakt dargestellt und hätte in einem eigenständigen Roman effektiver und hintergründiger weiterentwickelt werden können, aber keine Verschwörung in „Heliosphere 2265“ ist das, was sie erscheint. Etwas übertrieben erscheint, dass es auf der einen Seite sechs Zeitreisende gibt, die mit unterschiedlichen Intentionen durch das Wechseln von Körpern unbemerkt in der Vergangenheit agieren können und es jetzt eine begrenzte Handvoll von Klonen gibt, die Meriadian anscheinend teilweise mit außerirdischem Erbgut erzeugt hat. Damit intrigiert der Autor die Hinweise auf die Marskolonie und deren sektengleichen Experimente zufrieden stellend in die Handlung und schlägt sogar einen Bogen zu Tess Kensington, aber zu viele Suchen nach zu kleinen Gruppen könnten in den zukünftigen Romanen die Handlung zu sehr aufsplittern. Unter Verzicht auf Action geht es Andreas Suchanek in erster Linie darum, Spannung innerhalb der Sjöberg Handlung zu erzeugen und seinen Hintergrund weiter aufzuhellen. Das ist Andreas Suchanek ohne jede Frage zufrieden stellend bis teilweise interessant angelegt gelungen.

Die dritte Handlungsebene verläuft was unmerklich im Hintergrund, wird aber die nächsten Bände dominieren. Der Wahlkampf im Rebellensystem. Andreas Suchanek geht soweit, dass er sogar Parteiflyer und Wahlzettel veröffentlichen wird. Diese Liebe zum Detail ist bewundernswert, nur sollte die Plotentwicklung nicht drunter leiden. In den letzten Romanen hat der Autor sehr gut dargestellt, dass die Rebellen im Grunde gegen die natürlich opportunistischen Politiker wenig Chancen haben, die sich auf einem nicht von ihnen bestellten Feld breit machen. Diese potentiellen Konflikte sind sehr gut vorbereitet worden. In diesem Punkt herrscht in „Freund  oder Feind?“ ein wenig Stillstand. Verschiedene Ideen – wie kann man eine neue Währung angesichts noch nicht hochgefahrener Produktion und damit entsprechenden Gegenwerten bewerten ? – werden angeschnitten und die Dialoge sind solide geschrieben, aber im Vergleich zu den Paukenschlägen der anderen beiden Handlungsbögen schleppt sich dieser Abschnitt ein wenig dahin und geht insbesondere im Vergleich zu den anderen Konflikten fast unter. Das ist schade, da hier Andreas Suchanek von den Klischees des Genres noch mehr abweichen und sich selbst von den politischen Entwicklungen des „Battlestar Galactica“ Remakes – die Situation ist nicht ganz vergleichbar, aber ähnlich – absetzen könnte.

Zusammengefasst ist „Freund oder Feind?“ qualitativ einer der besten Romane der zweiten Ministaffel. Wie in den ersten zwölf Romanen bemüht sich Andreas Suchanek, sein Universum rückblickend bis zum ersten Roman weiter auszubauen und verschiedene Aspekte durch neue Perspektiven aber wie bei einem schwierigeren Puzzle, deren Gesamtbild nicht als Muster vorliegt, unbekannte Fakten zusammenzusetzen. Dabei legt er auf Überzeugungsarbeit wert und führt seine Leser an einer kurzen Leine, aber sehr entschlossen zu den Brandherden. Nichts wirkt hinterher aus exposetaktischen Gründen eingeschoben und viele versteckte Hinweise geben jetzt einen Sinn. Die Figuren sind weiterhin solide gezeichnet, wobei sich Andreas Suchanek auch nicht zu schade, anfänglich statthafte Helden wie Jayden Cross in emotionale Engen zu drängen, die sie zeitweise sogar dienstunfähig machen. Stilistisch weiterhin ansprechend geschrieben mit einem guten Gespür für Tempo und Spannungsaufbau gehört „Heliosphere 2265“ weiterhin zu den besten fortlaufenden Science Fiction Serien der Gegenwart. 

Heliosphere 2265 - Band 16: Freund oder Feind?
von Andreas Suchanek
(Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dyck)

E-Book (128 Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane) - ca. 250 Seiten