Rho Agenda Band 1 "Das zweite Schiff"

Richard Phillips

Mit dem ersten Band der „Rho Agenda“ Serie legt der Piper Verlag eine in den USA extra für Amazon Kindle geschriebene Science Fiction Action Trilogie Richard Phillips nicht nur in der Tradition der „Roswell“ Fernsehserie vor, sondern den Gesetzen vieler Coming of Age Jugendbücher folgend.

Die ersten dreißig Seiten des Romans mit der Idee, dass in Roswell nicht nur ein Raumschiff gestrandet ist, sondern es mindestens ein weiteres Raumschiff ist, wird gut vorbereitet und dem Autoren gelingt es, eine bedrohliche und intensive Atmosphäre aufzubauen. Durchsetzt wird allerdings dieser Auftakt schon durch einen zweiten, sehr schwachen Handlungsbogen mit einem psychopathischen wie sadistischen Massenmörder, der auch in einem Zusammenhang mit einem dieser Raumschiffe steht. Das Problem dieses Handlungsarms ist die Vorhersehbarkeit der Bewegungen dieser Figur. Hinzu kommt, dass selbst ein erfahrener Schriftsteller wie Joe Haldeman in „Camouflage“ dieser Prämisse keine neuen Impulse geben konnte. Angesichts der Entwicklungen innerhalb des Plots wirkt sie nicht nur störend und deplatziert, sie schleppt sich viel zu lange bis zum vorläufigen und angesichts der Serienkonzeption auch frustrierend offenen Showdowns hin.

 Dabei verfügt die Serie über einige sehr interessante und hoffentlich in den nächsten Romanen noch zu extrapolierende Idee. Auch wenn das „X- Files“ Konzept weiter verfolgt wird und die Regierungsapparate natürlich ein gigantisches Netz des Schweigens über den 1947 erfolgten Absturz spinnen, will der amerikanische Präsident sechzig Jahre später einen Teil der gefundenen Technologie der Öffentlichkeit nicht nur präsentieren, sondern der Menschheit zugänglich machen. Als erstes handelt es sich um eine Energiequelle, welche die klassischen Rohstoffe vollständig und umweltfreundlich ersetzen kann. Die Erdölindustrie ist schockiert, die Rohstoffpreise wie Aktienkurse fallen in den Keller und zumindest kurzzeitig kommt nach dem politischen Anklagen, den Absturz auf amerikanischen Gebiet so lange verheimlicht zu haben, ein kleines Wehklagen auf. Anstatt auf dieser Prämisse aufzubauen und die drastischen, im Grunde die ganze Weltwirtschaft betreffenden Folgen zu beschreiben, relativiert der Autor diesen Aspekt zu schnell und sieht die amerikanische Industrie als eine Art Chamäleon an, das wenige Tage nach der Verkündigung schon mit dem Anpassungsprozess beginnt. Eine Schwäche nicht nur dieses Romans, sondern einer ganzen Reihe utopischer Arbeiten, welche die Auswirkungen wichtiger von außen gemachter Erfindungen – im Gegensatz zu den jahrelangen Entwicklungen wie das Batterieauto – unterschätzen.

Was im Großen schon nicht funktioniert, wirkt auch im Kleinen bemüht. Die Serienkillerhandlung soll einige groteske Brutalitäten eines natürlich von den Fremden beeinflussten Menschen beschreiben, während an einer anderen Stelle eine Wissenschaftlerin in einem im Grunde aufgegebenen Laboratorium – trotzdem wird weiter geforscht und natürlich macht sie eine wichtige Entdeckung – nicht etwa die Öffentlichkeit informiert, sondern ihren Chef zur Rede stellt, seine Karriere bedroht und schließlich ihm in einen verlassenen Bereich der Anlage folgt, um nicht mehr wieder gesehen zu werden. Die Handlungen insbesondere der Erwachsenen bis auf den amerikanischen Präsidenten wirken zu stereotyp, zu sehr geplant und zeigen die Unerfahrenheit Phillips im Umgang mit der Entwicklung von überzeugenden Protagonisten. Das ist insbesondere hinsichtlich eines noch implizierten Aspektes des Buches deutlich. Mehr und mehr treten bei einigen der Erwachsenen wie beim Serienkiller zu Beginn psychotische Aspekte ist. Ob diese schon in einem Zusammenhang mit dem ersten Schiff stehen und die Begegnung der Jugendlichen mit dem zweiten Raumschiff ähnliche Folgen haben könnte, bleibt offen. Es wäre aber ein sehr interessanter, nicht unbedingt neuer, aber in der Gegenwart gut zu extrapolierender Handlungswinkel, denn Phillips bislang eher ignorierend behandelt.    

 In dieser sich wie ein roter Faden durchziehenden Ambivalenz liegt eine weitere Schwäche begraben. Phillips kann sich nicht wirklich entscheiden, für wen der Roman geschrieben worden ist. Von der Struktur her ist es eher ein Jugendbuch. Pieper vermarktet es vielleicht auch wegen der ein oder zwei Vergewaltigungen und brutalen Morde als klassischen Science Fiction Roman. Erzähltechnisch erinnert vieles an die Pulpgeschichten der fünfziger Jahre, während die beschriebene Technologie teilweise bis in die kleinsten unnötigen Details es als modernen SF Roman kennzeichnet. Normalerweise ist dieses zwischen alle Stühle setzen nicht schlecht und bedenkt der Leser zusätzlich, dass die gegenwärtige Jugendbuch SF voller Ideen auch für Erwachsene steckt und Impulse fürs ganze Genre bringt, ist diese ambivalente Zielgruppenausrichtung auch geschickt gewählt. Nur leider handelt es sich bei „Rho Agenda“ um das falsche Buch.

 Drei Jugendliche werden ausführlich vorgestellt. Bei einem ihrer Jagdausflüge finden sie ein zweites Raumschiff tief unter der Erde in einer Höhle und probieren die Technologie aus, die anscheinend ihre Bewusstseinsebene erweitert oder in einem speziellen Fall seine körperlichen Fähigkeiten steigert. Das gipfelt in der Tatsache, dass sie in der Schule nicht mehr aufpassen müssen, da sie ganze Texte auswendig lernen. Der Leser mag glauben, dass sie zumindest mit ihren neuen Fähigkeiten anfänglich überfordert sind, dass sie diese aber so wenig verstecken, das erscheint unglaubwürdig oder besser noch naiv. Sie fallen das erste Mal in der Schule auf, als sie alle drei als Antwort auf eine Frage einen ganzen Abschnitt wörtlich zitieren. Einer der Gruppe wird plötzlich zum Basketballstar und kümmert sich wenig um die Öffentlichkeit. Später bricht er heimlich den Weltrekord im Gewichtheben. Zwar nehmen die Drei die Veränderungen zur Kenntnis, reflektieren sie auch in langweiligen und selbst in der deutschen Übersetzung einer erfahrenen Mediatorin zwischen den Sprachen steifen Gesprächen, bevor die Öffentlichkeit und damit auch das Militär auf sie aufmerksam wird. Vor allem fehlt Phillips die Fähigkeit, entweder auf die Sorgen und Nöte der Teenager einzugehen oder aus ihrer jetzt gehobenen Position heraus für Spannung zu sorgen. Der sich nähernde Massenmörder unter Alieneinfluss reicht dazu nicht aus. Mit einem gleich bleibenden Tempo schleppt sich der Roman insbesondere im schwach geschriebenen und zu wenig editierten Mittelteil Zentimeter für Zentimeter bis zum offenen Ende vorwärts.

 Lächerlich wird das Buch bei der Beschreibung der NSA Agenten, die eher teilweise an die attraktiven „Men in Black“ ohne deren subtilen Humor erinnern. Die Grenzen der Glaubwürdigkeit überschreibt der Autor auch, wenn er die später noch angeführten technischen Effekte zu Gunsten von Wunderheilungen verlässt und den Leser vor allem mit fingierten Spannungsaufbauten in einem belehrenden Ton immer wieder frustriert. Dieser uneinheitliche Ton könnte auf der einen Seite anarchistisch befreiend erscheinen, wirkt aber im seriösen Einband eines Paperbacks eher überzogen.

Auf der anderen Seite zeigt Phillips in den wenigen und sogar gut platzierten Actionszenen, dass er schreiben kann. Immer wieder zieht er in diesen wenigen Höhepunkten das Tempo an und präsentiert sie aus unterschiedlichen Perspektiven, die routiniert und interessant zusammenlaufen. Auch die außerirdische Technologie ist trotz der hinsichtlich ihrer Auswirkungen wenig überzeugend extrapolierten Auswirkungen interessant und entwicklungsfähig. Natürlich wirkt der „Deus Ex Machina“ Effekt genauso überdehnt wie die angebliche Parallelität der Entdeckung des zweiten Schiffes und der Durchbruch bei der Untersuchung des ersten Schiffes nach mehr als fünfzig Jahren. Anstatt aus diesen Zufällen eine Verschwörungstheorie zu machen oder sie zumindest nachhaltiger in die Handlungsentwicklung zu intrigieren, verlaufen diese beiden Ebenen unbekümmert und ohne Tempo nebeneinander her.

 Natürlich lässt sich die Serie nicht unbedingt nach dem ersten Band beurteilen, aber die Schwächen einer direkt im Internet veröffentlichten Trilogie mit einem sehr offenen Ende sowie einer unterdurchschnittlichen Charakterentwicklung sind offensichtlich. Hinzu kommt, dass die Trilogie in den USA bei Amazon teilweise gratis – der erste Band – oder in günstigen Kompaktpreisen angeboten worden ist, während die deutsche Veröffentlichung im Paperbackformat erfolgt. 

Erschienen am 10.06.2014
Übersetzt von: Birgit Reß-Bohusch
432 Seiten, Kartoniert
ISBN: 978-3-492-26991-9