The Platform Edge

Mike Ashley (Hrsg.)

Züge im allgemeineren Sinne von der Dampflok bis zur U- Bahn stehen im Mittelpunkt dieser von der British Library in Person von Mike Ashley zusammengestellten neuen Sammlung von „Tales of the Weird“. Es handelt sich vor allem um eher unbekannte Texte, der Zeitraum umfasst allerdings bis in Jahr 1976 über einhundert Jahre. Auf markante Storys wie Charles Dickens „The Signal- Man“ hat der Herausgeber verzichtet. Auf der anderen Seite finden sich einige Handlungsstränge aus Dickens faszinierend zu lesender Story auch in den hier präsentierten Texten wieder.

 Der erste Abschnitt der Sammlung handelt von Eisenbahngeschichten. Das wirkt auf den ersten Blick konträr bei einer Sammlung von Geschichten, die von „Railways“ im weiteren Sinne handeln, wird aber hinsichtlich der Trennung zwischen über- und unterirdisch deutlicher.

 Victor L. Whitechurch hat eine Reihe von Kurzgeschichten geschrieben, in denen Züge eine Rolle spielen. Allerdings handelt es sich eher um Detektivgeschichten mit Verbrechen und dem entsprechenden Ermittler an Bord der Züge. In „The Strange Story of Engine Number 651” ist es der Zug selbst, der zu einer Persönlichkeit wird. Es handelt sich um eine von zahlreichen Geschichten, in denen einem Protagonisten stellvertretend für den Leser das Geschehen der Vergangenheit verbal erzählt wird. Es gibt Texte, in denen das möglicherweise Übernatürliche ungeklärt bleibt. Bei anderen Geschichten dient die Erzählung innerhalb der Story als Sprungbrett für weitere Ermittlungen. Niemand kommt in Whitechurchs Geschichte mit dieser besonderen Dampflok 651 wirklich zurecht. Sie ist wartungsanfällig, es sind immer wieder kleinere Reparaturen. Sie häufen sich, nachdem ein Heizer während der Fahrt vom schmalen Gang zwischen Kohlentender und Dampflok gefallen und ums Leben gekommen ist. Die wahren Hintergründe kommen erst ans Tageslicht, als es zu einem schrecklichen Unfall kommt.

Auch in „The Conductor´s Story” (Zoe Danna Underhill) steht eine Zugkatastrophe im Mittelpunkt der Geschichte. Der Ich- Erzähler begegnet dem Schaffner, der damals viele Menschen gerettet hat, durch einem Zufall einige Jahre später wieder. Er kennt ihn vor vorherigen Fahrten, war aber während der Katastrophe nicht an Bord des Zuges. Trotzdem sieht der Mann gebeugt und reumütig aus. Er erzählt dem Protagonisten seine Geschichte. Auch wenn er viele Menschen in dieser Nacht gerettet hat, ist er aus seiner Sicht schuldig, weil er nicht auf das Läuten einer besonderen Glocke achtete. Diese kündigte immer wieder eine Katastrophe an und zweimal konnte er sie durch sein beherztes Eingreifen verhindern.

Der Hintergrund der Geschichte – das Läuten der Glocke durch einen „Geist“ basiert nicht auf Rache von jenseits des Grabes, sondern fast krankhafter Mutterliebe – macht den Reiz des Textes aus. Am Ende zeigt die Recherche, dass alle Informationen „wahr“ sein könnten und doch spricht einiges auch für einen zufälligen Ablauf, der zweimal beinahe durch das impulsive rachsüchtige Verhalten eines irischen Dickkopfes in Katastrophen hätte enden können. Die Verschachtelung der Geschichte und das auf den ersten Blick verquere Agieren aus dem Jenseits haben diesen kurzweilig geschriebenen, atmosphärisch deutlich stimmigeren und weniger dramaturgisch als „The Strange Story of Engine Number 651“ auf einen früh erkennbaren Höhepunkt hin konstruierten Text positiv aus den vielen, sehr unterschiedlichen Geisterbahngeschichten dieser bemerkenswerten Anthologie heraus.  

 Auch „A Desperate Run“ – der Name des Autoren konnte nicht ermittelt werden – handelt vom verzweifelten Versuch eines Toten, ein Eisenbahnunglück zu vermeiden. Die Kürze der Story lässt die dramatische Situation mit dem Wecken eines Kollegen deutlich dramatischer erscheinen als bei einigen anderen Geschichten. Während in vielen der hier gesammelten Texte die Geister reaktiv handeln, ist es zum zweiten Mal nach „The Conductor´s Story“ in dieser Anthologie eine proaktive Aktion.

 Die Folgen von menschlichem Versagen – dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Versehen oder König Alkohol handelt – zeigen sich in „ A Strange Night“ von L.G. Moberly. Zwei Freunde übernachten in einem verlassenen Hof nahe der Schienen in einem abgeschieden gelegenen Tal und werden Zeugen einer Zugkatastrophe, die sich jede Nacht wiederholt. Durch die Ballung vergleichbarer Plots in „The Platform Edge“ können einzelne Texte ihre Originalität nicht wirklich entfalten. Vieles wirkt in dieser sich ruhig entwickelnden Geschichte eher wie ein Versatzstück.

 „Railhead“ von Perceval Landon beginnt im Grunde mit einer falschen Fährte. Der Auftakt spielt im fernen Asien, wo manche Brücken einfach gebaut werden. Ob es architektonisch und mathematisch passt oder nicht. Anschließend springt die Geschichte nach Europa, wo der Protagonist über Nacht einen toten Arbeiter in seinem abgeschlossenen Raum hat. Dazu die Wochenlöhne, die am nächsten Tag ausgezahlt werden. Der Nachrichtenticker warnt ihn vor einer Gefahr. Der Nachrichtenticker rettet ihn auch. Aber niemand scheint hinter den Nachrichten zu stehen. Die Geschichte ist atmosphärisch beklemmend und dicht entwickelt. Ohne die Hinweise auf die seltsamen, aber verständlichen Nachrichten aus dem Ticker wäre die Story wahrscheinlich zugänglicher und der Plan hinter dem klassischen Überfall auf die Lohngelder sehr viel leichter zu durchschauen. Kritisch gesprochen braucht es die übernatürlichen Elemente nicht, aber sie funktionieren ausgesprochen gut.

 Der erste Abschnitt mit Eisenbahngeschichten im direkten Vergleich zu den folgenden U-Bahn Storys endet mit einer Miniatur, die effektiver nicht sein könnte. Der Titel von Dinah Castles „A Ghost on the Train“ ist auch gleich Programm. Ein Mann setzt sich zum Erzähler in dessen Abteil und fragt ihn nach Beerdigungen aus. Anscheinend ist seine Mutter verstorben, die er plötzlich als „Erscheinung“ sieht. Der Hintergrund ist aber gänzlich anders und die Auflösung dieser kleinen, wunderbar geradlinig erzählten Geschichten gegensätzlich. Die übernatürlichen Elemente werden ohne weitere Erklärungen effektiv eingesetzt, so dass nicht nur der Erzähler, sondern auch der Leser verblüfft zurückbleibt. 

 Es gibt aber auch einige Kurzgeschichten, die aufgrund ihrer Originalität aus dem Rahmen fallen. Zu den humorigen Texten gehört „A Smoking Ghost“ (W.G. Kelly). Wenn ein Fremder einem Fahrgast anbietet, den Platz zu tauschen, sollte er hellhörig werden. Das kann zumindest kurzzeitig fatale Folgen haben, zum auch noch das Rauchverbot innerhalb des Zugs gebrochen wird. Die Geschichte ist unterhaltsam, die Grundidee ausreichend bizarr, um die Aufmerksamkeit des Lesers aufrechtzuerhalten und auch die verschiedenen jenseitigen Regeln laden zum Schmunzeln ein. 

 Einige Geschichten enthalten keine phantastischen Elemente und gehören trotzdem vom Geist her gut in diese Sammlung. Huan Mee – das Pseudonym zweier Autoren – präsentiert einen perfekten und doch ungewöhnlichen „Closed Room“ Krimi: „The Tragedy on the Train“. Ein Mann wird alleine in seinem Abteil erschossen aufgefunden. Selbstmord scheidet aufgrund des Schusswinkels aus, ein Mörder kann nicht eingedrungen sein. Auch eine Mordwaffe wird nicht gefunden. Die „Closed Room“ Mysterien gehören sicherlich zu den besten, interessantesten, aber aus Sicht des Autoren schwierigsten Kriminalgeschichten. Der Leser darf nicht betrogen werden. Huan Mee gehen aber noch einen Schritt weiter. Sie präsentieren das wirklich perfekte Verbrechen; der Täter entkommt und der Leser folgt den Gedankengängen des rücksichtslosen Mörders auf Augenhöhe. Er wird buchstäblich zum Mitwisser, wobei die präsentierte Erklärung hinsichtlich des Ablaufs der Tat; das Verschwindenlassen der Mordwaffe und gleichzeitig deren Verwandlung in ein nachgeschobenes Beweismittel schon verblüfft. Ein kriminalistisches Kleinod ohne Netz und doppelten Boden.

 Auch „The Man with the Cough“ (Mary Louisa Molesworth) ist eine interessante Kriminalgeschichte, deren einziges phantastisches Element das Antreten der Reise ist. Ein Kurier aus Deutschland wird mit wichtigen Unterlagen nach England geschickt. Zwei Seiten der zu verkaufenden Erfindung werden per Post geschickt, damit sich ein Diebstahl nicht lohnt. Während der Fahrt im Nachtzug begegnet der Erzähler nicht nur immer wieder mit dem Mann mit dem Husten, sondern ist es nicht mehr sicher, in welchen Zug er wirklich eingestiegen ist. Wie bei einem klassischen Krimi ist es nur eine kleine Nuance, welche den komplexen, aber interessant aufgebauten Plan der Verbrecher durchkreuzt.

 Die beiden Kriminalgeschichten sind sorgfältig durch komponiert, überzeugen durch ausgefallene Ausgangsideen bzw. Verläufe und sind trotzdem untrennbar mit dem Grundthema der Anthologie „Züge“ verbunden.   

 Edgar Wallace dürfte zu den bekanntesten, heute noch verlegten Autoren dieser Sammlung gehören. „The Barford Snake“ könnte übernatürliche Elemente enthalten, muss es aber nicht. Sie gehört zu den besten Storys dieser Sammlung. Bis auf einen störrischen Bauern konnte die Eisenbahn um die kleine Gemeinde Barford herum alles Land einkaufen und die Stadt mit der Eisenbahn verbinden. Er gründet mit seiner attraktiven Frau eine Art Freikirche, in welche sie die Eisenbahner von ihrem Unglück und damit auch den Zügen zu befreien suchen. Durch das fehlende Land muss die Trasse einen Bogen, eine Art Schlangenrücken fahren. Zwei Züge verunglücken, weil sie mit rasender Geschwindigkeit wie auf einer geraden Strecke aus den Gleisen geschleudert werden. Der Ich- Erzähler wird als Nächster auf de Strecke beordert und kann einige Wochen lang ohne Probleme den Bogen fahren, bis er ein schönes, junges Mädchen kennen lernt.

 Das übernatürliche Element muss ambivalent betrachtet werden. Es gibt auch einige andere Erklärungen für das seltsame Verhalten der Lokomotivführer. Erklärungen, auf welche Edgar Wallace in einigen seiner Krimis auch gerne zurückgegriffen hat. Unabhängig von einem übernatürlichen Element oder nicht handelt es sich mit dem seltsamen Bogen mitten auf gerader Strecke; dem bekehrenden Verkaufsunwilligen und seiner hübschen Tochter sowie den seltsamen Unfällen um eine spannende, intensiv geschriebene Geschichte.

  Das erste Teilstück einer Untergrundbahn entstand 1863 in London. Die britische Hauptstadt verfügte auch wenige Jahrzehnte später über das erste in sich geschlossene System. Kein Wunder, dass die meisten der hier gesammelten Kurzgeschichten in London spielen.

Rosemary Timperleys „The Underground People“ ist weniger eine Kurzgeschichte al sein beklemmendes Manifest einer neuen Art von Mensch. Sie leben unter der Erde, sie sammeln sich natürlich in den Stoßzeiten auf den Bahnsteigen und sie blockieren die Ein- und Ausgänge der U- Bahnen. Sie sind überall und nirgends. Sie werden immer mehr und sie entsagen dem Tageslicht. Intensiv und kompakt geschrieben, zeitlos – wie viele Pendler bestätigen werden – und gleichzeitig von einer faszinierend einfachen, aber griffigen Idee durchdrungen.

„A Romance of the Picadelly Tube” (T.G.Jackson) trägt einen unpassenden Namen. Es gibt keine Romanze, allerdings natürlich die U- Bahn. Ein Vater will im Sterben sein Testament ändern. Die jüngere Sohn soll alles erben, die ältere spielsüchtige George nur 1000 Pfund, nachdem ihn den Vater von seinen Schulden befreit hat. Durch einen Zufall trifft George auf den Familienanwalt mit dem geänderten Testament und stößt ihn aus Versehen im Gedränge vor die einfahrende U- Bahn. Das Dokument findet sich plötzlich in seinen Händen wieder.

T.G. Jackson hat eine interessante Geschichte um Schuld und Sühne geschrieben. Auf den ersten Blick scheinen die Positionen klar. Der gefallene Bruder soll ohne Hilfe in seinem Leben klar kommen, da beruflich glänzend dastehende jüngere Bruder ist  zusätzlich unter der Fuchtel seiner Frau. Wenn die Ergänzung des Testaments vernichtet wird, erfährt offiziell niemand von der Änderung.

Zweimal erscheint der Anwalt dem älteren Bruder in Form eines Geistes, bevor dieser seine eigene Entscheidung trifft, die natürlich ebenfalls tragisch endet. Einzelne Stellen wirken konstruiert, müssen so erscheinen, damit der Plot funktioniert.  Auch das Verhältnis der beiden Brüder wird ambivalent beschrieben. Mit der zänkischen Ehefrau nimmt der Autor dem jüngeren Bruder die Chance auf einen Schlag durch den gordischen Knoten. Auf der anderen Seite drückt das Gewissen den älteren Bruder unabhängig vom Unfall mit dem von beiden Brüdern verehrten Anwalt stärker, je länger er im Besitz des Testaments ist.

Eine Familientragödie, bei welcher die U- Bahn eher Mittel zum garstigen Zweck ist, aber kein elementarer Bestandteil.

Auch „In the Tube“ von E.F. Benson handelt eher von einer zwischenmenschlichen Tragödie als der U- Bahn per se. Es ist wieder eine Geschichte, in welcher das eigentliche Geschehen – die Begegnung mit einem von inneren Dämonen gejagten Mann  - auch außerhalb der Tube stattfinden könnte. Aber die dunklen Gänge, die vor allem Abends und Nachts fast menschenleeren Bahnsteige und das Gefühl des Verlassenseins in der unirdischen Endlichkeit sind ideale Beete für emotionale und damit auch schwächere Gemüter beeinflussende Ereignisse. Auch hier ist das Übernatürliche kein elementarer Teil der Geschichte. Ob es sich um verlorene Seelen in Form der angesprochenen Astralkörper handelt oder Menschen am Abgrund spielt keine Rolle. Kritisch gesprochen sind die zugrundeliegenden Ereignisse – ein Mann will sich endlich von seiner Frau scheiden lassen, nachdem er sich neu verliebt hat, sie lehnt es aber ab und wird beinahe im Affekt erwürgt – teilweise auch klischeehaft und bedeutend für die Zeit, in welcher diese Geschichten entstanden sind. Alleine die schon angesprochenen Begegnungen in der U- Bahn geben ihnen ein Anrecht auf einen (Sitz-) Platz in dieser Anthologie mit einigen latenten, aber nicht übergewichtigen übernatürlichen Spuren.  

Zu den besten Geschichten dieser Sammlung gehört A.J. Deutschs „A Subway Named Moebius“. Durch die Eröffnung eines weiteren Teils einer U- Bahnstrecke scheint eine Moebiusschleife zu entstehen, in welcher nächstens eine U- Bahn verschwindet. Ein Wissenschaftler wird zu Rate gezogen, ein Spezialist auf diesem Gebiet sitzt ausgerechnet in der wie ein Geisterzug seine Bahnen ziehenden U- Bahn. Nur die Warnsignale lassen erahnen, dass dort seit Monaten eine weitere Bahn fährt. Die Auflösung kommt eher nach dem Prinzip Zufall und gehört zu den besten Sequenzen der ganzen Geschichte, mit dem Überdecken von zwei Realitäten. Alleine an den Monate alten Zeitungen lassen sich die in der Schleife gefangenen Menschen erkennen. Natürlich hält A.J. Deutsch in seiner teilweise ein wenig bizarren Warnung vor einer erdrückenden Technik und dem Biegen von „Naturgesetzen“ noch eine böse Pointe bereit. Auch die Idee der Moebius Schleife und ihre Auswirkungen werden erstaunlich verständlich beschrieben.

Wahrscheinlich inspirierte diese Kurzgeschichte in den achtziger Jahren einen brasilianischen Regisseur, der seine Moebiusschleife in der U- Bahn Buenos Aires platzierte.  

 

Michael Vincents „The Last Train“ ist deutlich simpler gestaltet, aber nicht weniger pointiert. Verlassene Bahnhöfe, deren Zugänge zugemauert worden sind, aber die immer noch von U- Bahnen passiert werden, habe ihre ureigene Faszination. Kurz vor seiner Pensionierung ist einer der U- Bahnfahrer der Ansicht, in dem Bahnhof des Museums etwas gesehen zu haben. Er entschließt sich, dort zu halten. Auch wenn Michael Vincent keine finale Erklärung liefert und der Erzähler selbst kurz vor seiner Pensionierung eine gänzlich andere Reaktion zeigt, überzeugt die Geschichte durch die morbide, geisterhafte Atmosphäre der verlassenen Station und ihren Auswirkungen auf die einzelnen Fahrer.

 Von Geistern einer besonderen Art der Vergangenheit handelt „The Underground“. Ein nicht mehr gänzlich junges, aber noch unverheiratetes Mädchen lernt in R. Chetwynd- Hayes Story einen jungen Mann in Uniform kennen und beginnt sich, in ihn zu verlieben. Ihr Vater sieht das eher mit Misstrauen, hat er doch einen anderen Freier im Auge. Während des dramatischen Finals kommt eine doppelte Wahrheit ans Licht. Es sind diese finalen Momente, während der lange sich fast phlegmatisch entwickelnden Geschichte ihre besondere Würze geben. Rückblickend macht der Verlauf der Handlung nicht immer final Sinn, es ergibt sich aber ein interessantes Zwischenbild und nicht ist so fein gesponnen, dass es nicht ans Licht der künstlichen U- Bahn Beleuchtung kommt.  

 Der letzte Abschnitt der Sammlung „Return to the Light?“ besteht nur aus zwei Geschichten, bei denen der Titel trotz des Fragezeichens nur auf eine Story zutrifft. F. Scott Fitzgerald hat einige Kurzgeschichten mit phantastischem Inhalt geschrieben und der ironisch klingende Titel „A Short Trip  Home“ unterstreicht die finale Pointe.

Der Protagonist macht sich Sorgen um seine Freundin. Sie lehnt das heitere Leben ab, agiert verschlossen und will Freunde in Chicago besuchen, die sich zu dieser Zeit allerdings in Florida aufhalten. Er schließt sich ihr gegen ihren Willen an, will ihr nicht einmal zwei Stunden gönnen, in denen sie sich mit einem fremden seltsamen Mann trifft. Sie weiß nicht einmal, warum sie ihn treffen will.

Beginnend mit den Exzessen des Bohemme Lebens einer priviligierten Oberschicht – allerdings nicht in Europa, sondern den Staaten – wird die Geschichte immer dunkler. Der Protagonist spürt, dass seine Frau in Spe nicht ganz sie selbst ist. Diese kann sich die Begegnung und damit die einhergehende Veränderung auch nicht erklären. Am Ende der Geschichte erfährt der Leser dank der Recherche des Protagonisten einmal den Hintergrund der nicht zufälligen Begegnung, aber viel mehr den Übergang ins Phantastische.

F. Scott Fitzgerald ist ein expressiver Autor. Das zeigt sich auch zu Beginn der Geschichte mit seiner stilistischen Sprunghaftigkeit. In der beklemmenden Enge der Züge mit der Begegnung zwischen dem Fremden und dem Erzähler erzeugt er allerdings eine bedrohliche Atmosphäre, gepaart mit den leeren Blicken in die Unendlichkeit, welche die Seele niemals wieder loslassen.

Die neuste, wenn auch 1976 in seiner Frühphase entstandene Geschichte stammt aus der Feder Ramsey Campbells. Nach Zügen und U- Bahnen; nach der allerdings falschen Implikation, dass nach jedem Tunnel wieder die Sonnen scheinen muss fehlt nur noch ein Element: Die Geisterbahn.   In „The Companion“ hat sich der alleinstehende Erzähler vorgenommen, immer wieder Karnevalmärkte in ganz England zu besuchen und deren Attraktionen zu nutzen. Er gibt vor, irgendwann ein Buch darüber schreiben zu wollen. Aber das ist im Kern nur die Befriedigung des eigenen schlechten Gewissens, Kind sein zu wollen. Dieser Jahrmarkt ist aber seltsam, er wirkt verlassen und fast feindlich. Trotzdem entschließt sich der Protagonist, kurz vor der Schließung alleine die Geisterbahn zu nutzen. Der Leser weiß natürlich, ein schlechter Gedanke.

Ramsey Campbell ist zu Beginn seiner Karriere vor allem von H.P. Lovecraft beeinflusst gewesen. Dazu kommen Kurzgeschichten und wenige Romane, in denen der Brite auf psychologische Komponenten zwar Wert legte, aber mittels einer kraftvollen Pointe einige Längen in seinen Texten überdeckte. „The Companion“ – der Titel bezieht sich auf die letzten beiden Absätze der Geschichte – funktioniert als melancholischer Abgesang auf die Jahrmärkte damals in der Vergangenheit des Erzählers wie heute in den siebziger Jahren ausgesprochen gut. Heruntergekommen, fehlendes Geld und ein wenig Elend des fahrenden Volks. Dazwischen ein Mann, der im Grunde wie ein Fremdkörper agiert. Ramsey Campbell legt einige falsche Spuren und führt schließlich alles in diesem finalen Ritt zusammen. Hier springt der Funke über. Die Fahrt wird immer bizarrer und trotz oder geraden wegen des offenen Endes hinterlässt der Autor im  Leser das Gefühl eines nicht nur wohligen Schauers. Hinzu kommen die zahlreichen Anspielungen auf unzählige Filme beginnend mit der Riesenradszene in „Der dritte Mann“ und endet bei einigen britischen Schockern aus den sechziger Jahren.

Mike Ashley hat in dieser empfehlenswerten Anthologie eine Reihe von ausgesprochen guten Texten zusammengestellt. Viele heute inklusive der Autoren gänzlich vergessen. Mit Edgar Wallace und F. Scott Fitzgerald finden sich zwei Schriftsteller, welche der Leser nicht automatisch zum Gerne rechnet. Fast einhundert Jahre (Eisen-) Bahn Geschichte sind in dieser Sammlung bis 1976 vereinigt. Es macht Spaß, diese vor allem auch literarisch- stilistisch überzeugenden Texte in ihrer teilweise ein wenig romantischen Ausführlichkeit zu lesen. Manche Schrecken wie ein Stoß vor einen einfahrenden Zug werden nie verschwinden. Damals wie heute. Aber die Begegnungen mit den zahlreichen Geistern in den alten von Dampfloks angetriebenen Zügen haben schon etwas Einzigartiges, etwas Faszinierendes in sich. Natürlich ist es am Besten, die Geschichten während U-Bahn, S- Bahn oder Zugfahrten zu lesen. Dann springt der Funke endgültig über.     

 

The Platform Edge: Uncanny Tales of the Railways (British Library Tales of the Weird): 6

  • Publisher ‏ : ‎ British Library Publishing
  • Publication date ‏ : ‎ 1 Sept. 2019
  • Edition ‏ : ‎ 1st
  • Language ‏ : ‎ English
  • Print length ‏ : ‎ 304 pages
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 0712352031
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-0712352031
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