Coup D´Etat

Ben Coes

Mit “Coup d´Etat” liegt der zweite Band der inzwischen offenen Serie über Ben Coes überdimensionalen Helden Dewey Andeas vor. Die Handlung setzt ein gutes Jahr nach dem Erstling „Power Down“ ein. Nicht alle Handlungsarme es ersten Buches sind wirklich abgeschlossen. So scheint Dewey tatsächlich nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus und der Erfüllung eines persönlichen Racheauftrages nach Washington kurzzeitig zurückgekehrt zu sein, um erstens einen Orden zu erhalten und zweitens ein kurzzeitiges Verhältnis mit der einzigen attraktiven Frau des ersten Buches – die Beraterin des amerikanischen Präsidenten in Sicherheitsfragen Jessica Tanzer – zu beginnen.  Zu Beginn des Buches hat sich Dewey nach Australien abgesetzt und lebt dort auf einer Farm isoliert von der Zivilisation, verdingt sich allerdings als Held.

Wie im ersten Roman ist ein grundlegender Verschwörungsplot, der direkt oder indirekt mit den USA zusammenhängt, in die Derwey Handlung mit eingebaut. Während dieser aber als Opfer des ersten Anschlags in „Power Down“ nur reagieren kann, wird er aufgrund der Notlage der USA im zweiten Band nicht nur instrumentalisiert, er kann auch seine persönliche Abrechnung mit der Fortuna Familie weiterführen.  Wie der erste Band zerfällt der Roman im Grunde in zwei Ebenen. Da wären neben dem überdimensionalen Derwey die Schurken. Pakistan wird von einem blinden Islamisten geführt – ein Schelm, der nicht gleich an den Iran denkt -, der aufgrund eines Grenzzwischenfalls und den ausbrechenden Kämpfen mit Indien schließlich als Warnung eine Atombombe über einer kleinen abgeschiedenen Gemeinde abwerfen lässt.  Der radikale Geistliche wird natürlich von den Fortunas – in diesem Fall dem Vater – unterstützt. Kritisch gesprochen bedient der Autor mit den Antagonisten alle Klischees. Der Geistliche sieht sich als Rache Allahs und will die Ungläubigen vernichten. Dazu zählen in diesem Fall auch die Inder. Politisch ohne Erfahrung sieht das Abwarten der Inder – das hat seinen Grund – als deren Schwäche an. Schlimmer sind seine Generäle. Sie sind alle bestechlich und natürlich in ihrer Loyalität flexibel. Am Ende des Buches hat der Leser fast den Eindruck, als wolle der Autor unbedingt alle Klischees abarbeiten. Hinzu kommt ein dekadenter Lebensstil, wobei er dem einen General sogar so etwas wie Klasse zuspricht. Dann blieben noch die Fortunas. Ihr Sohn Alexander hat seiner Familie aus den Geschäften in einem engen Zusammenhang mit der Anschlagserie  insgesamt 10 Milliarden hinterlassen, mit denen sie den Terror füttern können. Angesichts der Tatsache, dass Bin Laden nur 200 Millionen zur Verfügung hatte, ist Alptraum für die USA. Einer der Söhne schwelgt im Luxus, der fünfundsiebzig Jahre alte Vater hat eine sehr junge knackige Geliebte – wobei Ben Coes hier zumindest die Situation etwas relativiert – und gemeinsam agieren sie verzweifelt bis arrogant naiv. Sie versuchen auf der einen Seite des islamistischen Glauben mit Feuer und Schwert allerdings im Hintergrund operierend zu verbreiten, auf der anderen Seite wirkt ihr Leben wie eine Kopie des amerikanischen Überfluss. Es ist schade, dass sich Ben Coes nicht sehr viel mehr Mühe mit den wichtigen Antagonisten gemacht hat. Auch die einzelnen Handlanger in dieser brutalen, fast unwirtlichen Welt sind ausschließlich funktionell gestaltet.

Auf der Heldenseite stehen Devey einige etwas ambivalenter gezeichnete Figuren zur Seite. Die Liebesgeschichte mit Jessica Tanzer wirkt dabei eindimensional. Sie eine attraktive wie intelligente, aber auch einsame Frau, er der Lonely Wolf auf einer „unendlich“ erscheinenden Mission.  So sehr sich der Autor auch bemüht, echte Emotionen in dieser Beziehung aufkommen zu lassen, so aufgesetzt wirken die Sequenzen und reduzieren teilweise die entschlossene wie intelligente Jessica Tanzer auf das Niveau einer bangenden zukünftigen Ehefrau. Die israelischen Elitesoldaten sind alle Helden und helfen den Amerikanern selbstlos. Hier scheint der Brückenschlag zu Golda Meir ein Hinweis auf den potentiellen Plotverlauf des dritten Bandes im Epilog zu sein. Selbst die Derwey schließlich begleitenden USA Delta Soldaten dienen teilweise nur als Staffage. So wird eine Einreise erschwert, der Mann erweckt den erdacht der Zollbehörden und es ist erstaunlich, wie schnell und wie simpel die Tarnung durchschaut wird. Aber die Pakistani machen aus dieser Situation viel zu wenig, um gegen Ende des Buches Spannung zu erzeugen.

Im Vergleich auch zu „Power Down“ wirkt der Plot auf der einen Seite vielschichtiger, ist aber nach gut zwei Drittel des Romans plötzlich zu Ende. Die grundlegende Prämisse könnte nicht waghalsiger sein, funktioniert aber ausgesprochen gut. Durch den Grenzvorfall und den Atombombenabwurf droht ein nuklearer Krieg zwischen Indien und Pakistan. Auf der einen Seite unterstützt China Pakistan, auf der anderen Seite sollten sich die USA hinter Indien stellen. Eine Eskalation des Krieges könnte zum Einsatz von amerikanischen Bodentruppen direkt gegen chinesische Kräfte führen. Die einzige Alternative wäre ein Staatstreich – der Coup d`Etat des Titels, ein Wort, das stoisch pragmatisch zu oft in den dieses Mal eher sperrigen Dialogen verwandt wird – und vor allem die Einsetzung einer neuen Regierung innerhalb von noch nicht einmal 48 Stunden, da nach Ablauf dieser Frist Indien Pakistan dem Erdboden gleich machen würde. Die Amerikaner möchten keine eigenen Truppen einsetzen. Ein Spezialkommando kommt nur unter einem Kommando in Frage: natürlich Dewey Andreas, weil er sich in „Power Down“ quasi als ziviler Delta zurückgemeldet hat. Als Bezahlung will Andreas den Aufenthaltsort der Fortunas haben, die ihn gerade in Australien wieder jagten. Jetzt spielen die 10 Milliarden Terrorgeld nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ist erstaunlich, dass dieser Staatsstreich so einfach von der Hand geht. Die richtigen Helfer ausgesucht, die Trittbrettfahrer in Position gebracht und das Land trotz aller Schwierigkeiten beginnend mit der Einreise auf den Kopf gestellt. Die Szenen sind ohne Frage spannend und brutal effektiv, sie wirken aber im Vergleich zum Gesamtplot zu komprimiert und sogar zu unglaubwürdig. Anschließend nimmt die Rachegeschichte beginnend mit dem Bruch eines Paktes einen breiten Spielraum ein. Immer wieder sind insbesondere die entsprechenden Helfer vor Ort und wenn Dewey sich aus ausweglosen Situationen befreien kann, dann erinnert der vorliegende Band ohne Frage eher an die „Die Hard“ Romane denn die politisch erzkonservativen Tom Clancy Thriller, in denen Gewalt relevant und effektiv eingesetzt wird, aber der grundlegende Plan nicht zuletzt dank Jack Ryan vielschichtiger erscheint.  Als Identifikationsfigur des Lesers ist Dewey ohne Frage eine Art Superheld, der zwar ein schlechtes Gewissen – immerhin sind sechs gute junge Männer bei seiner Befreiung gefallen – kurzzeitig hat, aber Amerika als Überpatriot überall auf der Welt vertritt. Schon „Power Down“ hatte eine politische schwarzweiße Darstellung der Welt, konnte diese aber aufgrund der internen Kritik am korrupten System zumindest relativieren. Die Schwächen der amerikanischen Außenpolitik finden im vorliegenden Roman so gut wie nicht statt. Wie passend, dass der „Feind“ in Form des gewählten pakistanischen Staatschef nicht nur ein Islamist und Fanatiker ist, sondern kurze Zeit später ein charismatischer Verführer der Massen. Da erlaubt man sich den ersten Staatsstreich seit vielen Jahren, wobei es nicht einmal drauf ankommt, einen den USA hörigen zu etablieren, sondern nur einen politisch religiös Andersdenkenden.   Und da sind dann alle Mittel recht. Dewey ist der verlängerte Arm einer amerikanischen Außenpolitik, der gleichzeitig den Terror bekämpft. Da seine Bezahlung in erster Linie Informationen sind, lässt sich diese Vorgehensweise sogar gut dem Publikum verkaufen.

Wie der erste Band sind die Actionszenen effektiv beschrieben und Ben Coes kennt sich in modernster amerikanischer Ausrüstung sowie Waffen sehr gut aus. Die Tötungsmechanismen dieser emotionslosen Menschmaschinen beschreibt er nüchtern distanziert. Auch wenn das Blut in Strömen fließt, bewegt sich sein Plot immer am Rande des erträglichen Sadismus, wobei Folter auf beiden Seiten unter pragmatischer Informationsbeschaffung abgeheftet werden muss. Die Struktur wirkt ein wenig unbeholfen. Nach der Hälfte ist der Staatsstreich durch und es geht weniger um das Aufräumen mit entsprechendem Zynismus, sondern um die persönliche Abrechnung Deweys mit den Fortunas und anders herum. Da Dewey keine Figur ist, die sterben kann oder schwerverletzt werden darf, fehlt einigen Sequenzen eine zusätzlich innere Dramaturgie. Von der Grundidee vielschichtiger gestaltet als der allerdings ansprechendere, aber nicht nachhaltig ausgeführte Anschlag gegen die USA in „Power Down“ wirkt „Coup D´Etat“ bemühter, nicht unbedingt schwerfälliger, aber zu sehr auf den cineastischen Eindruck des geschriebenen Wortes hin konzipiert.         

     

Autor:Coes, Ben
Buchreihe:Festa Crime
Auflage:Deutsche Erstausgabe
Buchseiten:608 Seiten
Ausführung:Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik
Format:20 x 12,5 cm
ISBN:978-3-86552-335-8
Originaltitel:Coup D'État
Übersetzung von:Claudia Rapp
Erscheinungsdatum:24.11.2014
Kategorie: