Perry Rhodan Neo 82 "Scherben der Vergangenheit"

Rainer Schorm

Mit Rainer Schorms Roman „Scherben der Vergangenheit“ kommt endlich ein wenig Fahrt in den Minizyklus „Protektorat Erde“, wobei die Aufteilung in einzelne Zwölferzyklen im Grunde sinnfrei ist. Schon der letzte Übergang stellte kein Ende und damit einen neuen Anfang dar, sondern war fließend. Unabhängig von der komplexen, teilweise allerdings auch unnötig kompliziert aufgebauten Handlung sind es zwei Spannungsbögen, die unabhängig voneinander funktionieren und damit auch die Schwierigkeit der Serie umschiffen, am Ende eines Taschenheftes die beiden Bögen teilweise sehr bemüht zusammenzuführen. Insbesondere die letzten Romane litten förmlich unter dieser zu statischen und gegen Taschenheftende auch zu abrupt die anfänglich sehr phlegmatisch beginnenden Spannungsbögen zusammenzuführen.

Auf der einen Handlungsebene werden John Marshall und Quinu Soptor zu einem Rückzugsort auf die Azoren verwiesen, wo Gucky als Kontaktpersonen ihnen den Weg zum Bareonenkreuzer zeigt, der sich im Krater des Vulkans Pico versteckt hat. Hier stellt sich der Leser wieder unwillkürlich die Frage, wie gut die technologisch den Menschen überlegene Arkonidentechnik wirklich ist, denn erstens hätte die Überwachung des Sonnensystems komplexer sein müssen und zweitens wissen die Arkoniden, dass Menschen wahrscheinlich sogar Perry Rhodan mit einem Raumschiff auf der Erde gelandet sind, so dass die Suche inzwischen erfolgreich hätte abgeschlossen werden können. Noch schlimmer ist allerdings Schorms Erklärung. Gleich nach der Besetzung des Solsystems haben die Arkoniden Atlans Kuppel zerschossen und der Vulkan deswegen zu tektonischen Aktivitäten angeregt, die ihn angeblich als Versteck sicher machen. Es gibt noch keine Erklärung, warum die Arkoniden vielleicht im Auftrag der Imperatrice die Kuppel mit wichtigen Informationen aus der Vergangenheit zerstört haben. Immerhin konnten sie die gut getarnte Kuppel schnell finden, während ein Raumschiff anscheinend nicht auffindbar ist. Warum allerdings tektonische Aktivitäten eines Vulkans einen Schutz darstellen sollen, wird nicht erläutert. Entweder liebt die Raumschiffhülle hohe Temperaturen oder die Schutzschirme sind aktiviert, was wiederum der Überwachung auffallen müsste.       

Quinu Soptor wird behandelt und erzählt plötzlich auch dem wieder auf der Erde befindlichen Crest – wurde hier ein Handlungsteil im Verlaufe der „Neo“ Serie unter den Tisch gekehrt – ihre Geschichte. Diese sich stetig wiederholende verbale Zusammenfassung der Vergangenheit sowohl in der Erstauflage als auch der „Neo“ Serie soll den Leser auf der einen Seite intensiver an die Handlung binden, weißt aber die typische Schwäche auf, dass zumindest der Erzähler bei einer fairen Behandlung der Leser überleben muss. Quinu half vor unzähligen Taschenheften dem beschädigten Rico zur Flucht vor den in Atlans Kuppel eindringenden Terranern. Ihre Odyssee führte ungefähr zehntausend Jahre in die Vergangenheit. In der Erstauflage wurden Zeitreisen relativ selten und dann effektiv eingesetzt. Schon in der „Stardust“ Miniserie haben die Autoren bewiesen, dass sie mit diesem Instrument nicht wirklich effektiv umgehen können und Frank Borsch zeigt mit der Idee, zehntausend Jahre in die Vergangenheit zu reisen, um so nach Wanderer zu kommen, auch nicht unbedingt Originalität. Die Begegnung mit dem Raumschiff der Goldenen wird pragmatisch beschrieben, zumal diese Oberidentitäten bislang eher erstaunlich passiv und wenig für den Leser nachvollziehbar agiert haben. Im vorliegenden Roman muss sich Rainer Schorm gefallen lassen, geschickt Seiten geschunden zu haben.  

Auf Wanderer kann Homunk Reisende nur akzeptieren, wenn sie als Sucher der Unsterblichkeit über den angeblich vorgeschriebenen Weg nach Wanderer gelangt sind. Quinu wird verhört und Rico dürfte kein sonderliches Interesse an der Unsterblichkeit und plötzlich auch nicht mehr an seinem Reisebegleiter haben, obwohl dieser auf dem Weg die Lebenwesen eines Volkes assimilierte. In letzter Sekunde wird Quinu von den Ilts auf Wanderer gerettet, zu einem Transmitter gebracht und kommt plötzlich auf einem arkonidischen Kolonialplaneten raus. Ob die Ilts das Ziel absichtlich einprogrammiert haben, ist nicht erkennbar, aber zumindest wird plötzlich der erste Konflikt mit den Maahks beschrieben. In dieser Sequenz gelingen Rainer Schorm eine Reihe von wirklich spannenden und effektiven Szenen, in denen er die so abartig verschiedene Mentalität der Maahks zu beschreiben sucht. Leider relativiert sich die Szene am Ende, wenn plötzlich Rico erscheint und die Sequenz schließlich wieder auf Atlantis endet. Es ist schadet, dass Rainer Schorm das Vergangenheitsszenario zu wenig nachhaltig und etwas innovativer zu Ende führen kann. Die Grundidee scheint tatsächlich zu sein, dem Leser viele Informationen anzubieten und lange verschlossene „Figuren“ wie unter anderem Ernst Ellert zum Einsatz zu bringen. Da wird allerdings zu viel in letzter Sekunde verwandelt und die Identität gewechselt.   


.Der zweite Handlungsbogen beschäftigt sich mit Reekha Chetzkel, der Terraner auf ihre Eignung für die Arkonflotte überprüfen soll. Gleichzeitig nehmen die Arkoniden auch das Terraformingprojekt des Mars wieder auf. Chetzkel will mit vier (!) Terranern zur Probe die Geheimnisse des Sonnensystems erkunden. Warum er allerdings seinen Privatgefangenen Ras Tschubai nicht nur mitnimmt, sondern auch ausbilden will, ist eines der Geheimnisse dieses Romans. So darf Ras Tschubai in der Ortungszentrale arbeiten. Ausbildung geht normalerweise anders, aber wie sonst lässt sich aus dieser eher bemühten Prämisse Spannung erzeugen? Auf einem Minimond entdeckten sie eine Struktur, die an eine Stufenpyramide erinnert. Ras Tschuabi findet den Code heraus, um die Räumlichkeit betreten zu können. Die Räumlichkeiten erinnern an ein Labyrinth allerdings von „lebenden“ Strukturen, die vor ihren Eindringlingen zurückweichen könnten. Am Ende finden sie humanoide mit schwärzlicher Haut versehene Mumien, die über einen sie vor dem Vakuum schützenden Überbezug verfügen. Chetzkel hofft, auf eine geheime arkonidische Waffenforschungsbasis gestoßen zu sein, als die Mumien plötzlich lebendig werden und die Eindringlinge mit futuristischen Waffen angreifen, die immaterielle „Netze“ verschießen, welche die Energie der Anzüge absaugen und die Menschen/ Arkoniden zu kleinen winzigen Kügelchen zusammendrücken. Diese exotische anscheinend über eine unendlich Energie verfügende Waffe ist der zweite Höhepunkt dieses Romans. Hier haben sich die Autoren wirklich etwas Außergewöhnliches ausgedacht. Ras Tschubai wird von den Fremden entführt, ohne das es allerdings dafür ein Motiv oder nur einen Hinweis gibt. Durch die Entführung kann er mithören – obwohl die Vibrationen anscheinend sprachlos erscheinen – und dem Leser wichtige Informationen vermitteln, bevor Chetzkel das Problem auf seine Art und Weise zu lösen sucht. Auch hier hat der Leser unwillkürlich den Eindruck, als wenn Frank Borsch und seine Kollegen ohne Frage exotische Ideen entwickeln, die aber in der Gesamthandlung keine relevante Bedeutung haben. Nicht zum ersten Mal fragt sich der Leser am Ende eines Romans, was nachhaltig für den Handlungsbogen übrig geblieben ist. Und das ist leider in diesem vorliegenden Band gar nichts,  denn alle Exkursionen sind trotz einer interessanten Extrapolation urplötzlich entweder relativiert oder mit einfachen Mitteln aufgelöst worden. Keine Bedrohung ist nachhaltig relevant und viele Fakten stürzen auf den Leser ein, von denen einige wahrscheinlich erst wieder in Monaten auf gelöst werden. Anstatt zu einer einfachen, aber auch spannenden Struktur zu greifen, greifen immer wieder im letzten Moment lang vermisste Figuren wie entweder Rico – ein grandioser Auftritt, der sich immer am Rand zur Parodie bewegt – oder in diesem Fall Ernst Ellert ein. Ras Tschubai kann relevante Fakten „hören“ und rechtzeitig speichern, bevor dieser Handlungsstrang offen bleibt. Am Ende wird mittels Gewalt aufgeräumt und de Ausflug in die Vergangenheit so schnell beendet, das dem Leser wirklich angesichts der Nutzlosigkeit dieses Exkurses die Sprache weg bleibt.

Zwischen diesen ganzen chaotisch präsentierten Splittern finden sich einige wenige Fakten, welche die Handlung noch komplexer als notwendig erscheinen lassen und die offene Frage bleibt, was die Arkoniden wirklich im Sonnensystem wollen, denn ihre Vorgehensweise ist bislang so ambivalent wie die ganze „Neo“ Serie. Zumindest hat Rainer Schorm einen stilistisch lesbaren Roman abgeliefert, in dem er sich bemüht hat, einige Szenen emotional zufrieden stellend zu beschreiben.    

Pabel- Verlag

Taschenheft, 160 Seiten

Erschienen im November 2014

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