The Magazine of Fantasy & Science Fiction September/ October 2013

Gordon van Gelder (Hrsg.)

Die September/ Oktober Ausgabe 2013 des „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ ist eine sehr gelungene Mischung  aus Science Fiction Geschichten und Urban Fantasy. Es sind die kurzen Texte, welche dieser Nummer eine ganz besondere Würze geben. Lucius Shepard verreißt „Star Trek- Into Darkness“ und „After Earth“ auf eine genüßliche Art und Weise, die den frühen Tod des brillanten Autoren und Kritikers noch schmerzlicher erscheinen lassen.

 „Hhsalin“ aus der Feder Susan Palwicks ist einer der wie schon angesprochen vielen ungewöhnlichen Science Fiction Geschichten dieser Ausgabe. Mit einem anfänglich bewundernswerten, immer melancholischer und süßsaurer werdenden Unterton wird die Geschichte einer der wenigen Überlebenden der ursprünglich einen fremden Planeten wohnenden Rasse beschrieben, die sich inzwischen bei den Menschen mit ihren erstaunlich gegenwärtigen Beschäftigungen als Dienerin verdingt. Interessant ist, dass die Autoren die Kolonialgeschichte der irdischen Vergangenheit mit allen Missverständnissen und Vorwürfen in eine Zukunft übertragen hat, die fern und nah zu gleich ist. Die menschlichen Protagonisten sind absichtlich wie Schemen eindimensional beschrieben worden, um die Fremde Lhosi besonders „menschlich“ erscheinen zu lassen. Zumindest verzichtet Susan Palwick auf ein tragisches Ende und schenkt dieser fast ausgerotteten Rasse eine sehr kleine zweite Chance. 

Robert Grossbach hat eine interessante Geschichte geschrieben, die als Science Fiction Cyberpunkversion von Stephen Kings Roman „Cell“ in die Historie eingehen könnte. Mit immer neuen Mobilphonideen verlinkt sich die Menschheit mehr und mehr. Die ganze Menschheit. Nein, ein alter sturer Großvater verweigert sich dieser neuen Technik und zieht sich anfänglich den Zorn seiner Familie zu. Das Ende ist vorhersehbar und der Versuch, den Plot teilweise belehrend mit einer Botschaft zu versehen, erscheint nicht gänzlich überzeugend. Aber die dreidimensionale Zeichnung aller Protagonisten und der subtile Humor entschädigen für die Schwäche am Ende.

Albert E. Cowdreys Kurzgeschichten sind fast wie Romane. „The Collectors“ spannt den Bogen vom Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Unter den zahlreichen gestohlenen Nazischätzen befindet sich auf ein MacGuffin Teil namens „Monstrance“, das über besondere Kräfte verfügt. In dieser grundsätzlich semirealistischen Geschichte spielt die Mutter des jetzigen Besitzers als Hexe eher die Rolle eines Plotauflösers, da sonst die Schätze in dem einbruchssicheren Safe für immer verborgen wäre. Distanziert, aber kompakt entfaltet sich ein Szenario, das zu wenige Überraschungen beinhaltet und vor allem wie bei einigen anderen  Cowdrey Texten eher das Konzept für eine Novelle oder gar einen Roman sein könnte.  

„After the Funeral“ von Daniel Marcus ist eine sehr nachdenklich stimmende Geschichte. Nach der Beerdigung ihres Mannes findet sich Alice Osseuse mit seinen Sachen in einem plötzlich viel zu großen Haus wieder. Sie erhält zwei Besucher, von denen Sam anscheinend ein künstlich intelligenter gemachter Hund ist, während der andere Gast eine neue Existenzstufe vertritt. Stimmungsvoll und melancholisch zu Beginn versucht der Autor die Gefühle der Witwe in ansprechende orte zu fassen, während die eigentliche Handlung am Ende zu viele Fragezeichen offen lässt.

„The Game Room“ aus der Feder KJ Kabzas ist einer dieser seltsamen Geschichten, die eine bekannte Idee – in einem Haus beginnen sich die Räumlichkeiten zu verändern, ohne System verschwinden sie oder fügen fremde Epochen hinzu – hervorragend variieren und spätestens mit dem Verschwinden eines wichtigen Protagonisten auch anrühren. Das Ende wirkt ein wenig abrupt, aber der gänzliche Verzicht auf Erklärungen lässt den Plot geheimnisvoller erscheinen als er in Wirklichkeit ist.

 Rachel Pollack präsentiert im Bereich der Urban Fantasy mit "The Queen of Eyes" eine neue Jack Slade Geschichte. Der Plot ist unabhängig und baut nicht auf "Jack Shade in the Forest of Souls" auf. Es ist aber empfehlenswert, die erste Geschichte wegen des Hintergrunds des Charakters zu kennen. Als eine junge Frau ihn bietet, nach ihrer verschwundenen Mutter zu suchen, lehnt Jack Slade als Wanderer zwischen den Welten erst einmal ab. Erst als er erfährt, dass ihre Mutter "The Queen of Eyes" - eine Schlüsselfigur der Fantasy- Aspekte dieser Geschichte - ist, beginnt er mit seiner Suche, die ihn durch mehrere Welten und vor allem zu verschiedenen mystischen Figuren führt. Am Ende erkennen der Leser und der Protagonist, das viel mehr hinter den Taten steht als er erahnen könnte. Emotional einfühlsam mit bizarren und doch auch vertrauten Charakteren folgt die Autorin in das Gaiman Reich und verbindet die Gegenwart in erster Linie mit exzentrischen Mythen. Vielleicht spielt sich einiges zu sehr im theoretischen Bereich ab und das Ende inklusiv der Wiederkehr von Slades Tochter wirkt stark konstruiert, aber die erzählerische Stärke und vor allem einige Ideen im elementaren Mittelteil machen den Text zu einem der Höhepunkt dieser Ausgabe. Als Hommage auf Jack Vance funktioniert „Half as Old as Time“ von Rob Chilson sehr gut. Neben den getragenen Dialogen sind es die zeitlos erscheinenden Charaktere sowie der sehr gut herausgearbeitete Hintergrund, die eine Brücke zum vor wenigen Monaten verstorbenen Meister schlägt. Schwer in einen möglichen Gesamtkontext ist der Text aber einzuordnen. Nicht selten hat der Leser das Gefühl, als wolle Chilson mehr erzählen, als sein diese Arbeit nur Teil eines ganzen Zyklus. „The Shore at the Edge of the World“ aus der Feder Eugene Mirabellis ist dagegen eine klassische Fantasy. Ein Fremder besucht ein kleines Fischerdorf und gibt sich als Bote Gottes aus. Bei den Gesprächen kommt heraus, dass Gottes Ansichten anscheinend antiquiert sind. Bevor der Bote von den Bewohnern vertrieben wird, nimmt ihn ein junge Frau auf. Dank Mirabellis lyrischem Stil überzeugt diese kleine Anekdote, auch wenn die Positionen der beiden konträren Parteien nicht gänzlich nachhaltig herausgearbeitet worden sind. 

Zu den humorvollen Alternativweltgeschichten gehört ohne Frage „Rosary and Goldenstar“ aus der Feder Geoff Ryman, in der Shakespeare mit einem Amateurastronomen namens Thomas Diggens und einem Faktotum John Dee herumhängt, was seine weitere Entwicklung als Autor nachhaltig beeinflusst. Ryman ist ein extrovertierter Autor, der seine Ideen in erster Linie durch pointierte und meistens auch doppeldeutige Dialoge gerne umsetzt. Dabei formen sich die neuen Bilder dieser fremden und doch vertrauten Welt ausschließlich im Auge des Betrachters. Oder in diesem Fall des Lesers.

Zu einem ganzen Zyklus von Erzählungen gehört ohne Frage „Bemused“ von Marc Laidlaw. Das merkt man insbesondere hinsichtlich des offenen Endes. Bedenkt man, dass der erste Teil seiner Saga um Sir Gorlen Vizenfirthe, den Barden mit der Gargoyle Hand vor drei Jahren erschienen ist, fällt es sich, gleich in diese archaische und doch phantastische Welt einzutauchen. Erst im Verlauf der Novelle werden die einzelnen Hintergründe und Bezüge wieder deutlicher, so dass der Leser gut unterhalten wird. Das Ende ist wie schon angedeutet zu offen und so lässt sich der Zyklus wahrscheinlich erst beurteilen, wenn alle Teile in Buchform vorliegen.  

Neben den angesprochenen Kurzgeschichten/ Novellen gehören auch die kurzen, aber nicht unbedingt inhaltsleichten Beiträge dazu."Un Opera Nello Spazio" aus der Feder Oliver Buckrams ist eine dieser amüsanten Annekdoten, die fast jede Ausgabe des "The Magazine of Fantasy& Science Fiction" auszeichnen. Eine tradionelle Space Opera in der konzeptionellen, aber stark gerafften Form einer richtigen Oper. Nett zu lesen, aber in der vorliegenden Kürze liegt nicht unbedingt die Würze und die Idee hätte ohne Probleme ausgebaut werden können. „Affirmative Action“ aus der Feder James Morrows ist eine breite Satire, ausgehend vom Sklavenhandel auf der Erde bis hin zur Naivität der angeblich so überlegenen Außerirdischen. Kurzweilig mit pointierten Dialogen unterhält der Text auf wenigen Seiten prächtig. 

Daneben finden sich unterschiedliche Buchrezensionen aus der Feder Charles de Lints und Michelle West sowie in diesem Fall ein Hinweis auf ein literarisches Kuriositätenkabinett von Douglas A. Anderson.Zusammengefasst vom schönen Titelbild David A. Hardys zu „The Shore at the Edge of the World“  ausgehend eine überdurchschnittliche und sehr empfehlenswerte Ausgabe dieses seit nunmehr über sechzig Jahren erscheinenden Magazins, das seine Stärken sowohl in der nicht technokratischen Science Fiction als auch der klassischen Fantasy hat.  

 

 

Paperback, 263 Seiten

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2 moantliche Erscheinungsweise