Perry Rhodan Neo 84 "Der Geist des Mars"

Rainer Schorm

Zum wiederholten Male ist der letzte Band eines Zwölfteilers  - in diesem Fall „Protektorat Erde“ – nicht ein Höhepunkt oder gar Abschluss eines Zykluses, sondern im Grunde nur ein fließender Übergang zum nächsten vermeintlichen Serienabschnitt. Diese Willkür wird sowohl Neueinsteiger als auch die alten Fans frustrieren, hat aber wahrscheinlich auch kommerzielle Gründe, da ein echter Abschluss die Gefahr birgt, das unzufriedene Leser diese Klippe zum Absprung nutzen könnten. Rainer Schorms Band „Der Geist des Mars“ setzt die unlogischen Plotentwicklungen seiner Vorautoren nahtlos fort. Vor allem ist bedenklich, dass die Autoren wahrscheinlich der Friedensideologie Frank Borschs folgend – Menschen sind anders zu behandeln als Außerirdische – ihre eigenen Konzepte in einer „Pro terra“ Phase auf den Kopf stellen. Während Rhodans Besuch im arkonidischen Reich hat der Autor mehrfach erfahren, wie die arroganten Besetzer mit der einheimischen Bevölkerung umgehen. Warum machen sie bei den Menschen einen Unterschied. So sind die Arkoniden nach nur wenigen Monaten dazu übergegangen, den Mars mit den Unruhestifter zu bevölkern, anstatt diese an die buchstäbliche Wand zu stellen und entsprechende Exempel zu statuieren. Weiterhin werden auch hier unerklärlich unter großer Geheimhaltung die radioaktiven Materialen aus Kernkraftwerken und Nuklearanlagen gesammelt. Um das Ziel dieser Verschiffungen herauszufinden, lässt sich Betty Toufry genau wie einige andere Mitglieder der Gruppe von den Arkoniden festnehmen. Vielleicht der einzige Grund, warum in diesem Fall nicht gleich hingerichtet wird.   

Das Infiltrationskommando erreicht den Mars, wo John Marshall relativ schnell Ärger bekommt. Interessant ist, dass die Arkoniden auf dem Mars aus dem Nichts heraus einen Weltraumlift und eine Basis auf einem Schildvulkan errichtet haben, um dort den Atommüll zu lagern. Die Technik der Wetraumlifte macht vor allem in der dünnen Atmosphäre des Mars noch weniger angesichts der arkonidischen Technologie Sinn. Wie wenig die Konzepte im „Neo- Rhodan“ Universum durchdacht sind, zeigt sich an der Tatsache, dass es ein Arkonforming geben soll, um mittels fünfdimensional aufbereiteten Atommüll in den flüssigen Planetenkern und einer Reaktivierung des marsianischen Magnetfelds den Planeten zu wandeln. Auf dem Marssand sollen genetisch gezüchtete Bakterien ausgesetzt werden. Das hätte auch atmosphärische Veränderungen zur Folge, denen der Weltraumlift in der bekannten und genutzten Form nichts entgegenhalten kann. Zusätzlich benutzen die Arkoniden gigantische Raupenfahrzeuge, die anscheinend mittels Versorgungsschiffen im System angekommen sind. Natürlich konzentriert sich Rainer Schorm auf die subjektive Perspektive der Mutanten, welche den Mars infiltrieren und kann so viele Fragen aufschieben. Aber zusammenfassend macht die ganze Aktion vor allem in Hinblick auf die bisherige Vorgehensweise der Arkoniden mit ausreichend Welten zum Bewohnen und ihrer militärischen Aggressionsstrategie wenig Sinn.  Wenn dann auch noch ohne Probleme eine kleine Saatraupe übernommen wird und der Fahrer den Mutanten hilft, dann ist der langweilige und extrem konstruierte Plot perfekt.

Viel schlimmer ist der Hang, aus Viren inhaltliche Heilsbringer zu machen. So schafft ein im Sand schlummender Virus eine schnelle und gründliche Umweltanpassung von verstorbenen Menschen. Interessant ist, dass die Neo- Marsianer im Marssand schwimmen können. Die Verwandlung ist von Rainer Schorm emotional gut beschrieben worden. Er versucht insbesondere die Nebenfiguren weiter zu entwickeln, aber im Gesamtkontext des Romans geht dieser wichtige Aspekt auch zu schnell unter. Die Begegnung mit dem in diesem Band zum ersten Mal seit langem wieder effektiv eingesetzten und an die Vorlage der Erstauflage erinnernden Gucky ist einer der Höhepunkte dieses Buches.

Auf dem Mars finden schließlich die Mutanten eine seltsame Struktur, wo die Leichen einer „Goldenen Raumschiff“ Crew sich befinden. Ein insektoider Leichnam wird geborgen. Bevor aber weitere Informationen – die Goldenen ziehen sich wie ein ambivalenter MacGuffin durch die „Neo“ Rhodanserie – eruiert werden können, zeigt das Arkonforming Wirkung und die Höhle wird vom freigesetzten Magma überspült. Wie schone eingangs angedeutet, sind die Folgen dieser Operation insbesondere auf der Oberfläche des Mars deutlich spürbar, so dass erstens der Fahrstuhl zu den Sternen keinen Sinn macht und zweitens angesichts der mechanischen Veränderung des Mars das frühe Aussähen von Bakterien, die im Magmastrom nicht überleben können, von den Autoren nicht überdacht worden ist und drittens die zum Mars entführten Menschen keine echte Funktion haben. Viel interessanter wäre es doch bei einem solchen Projekt gewesen, nach Freiwilligen zu suchen, die sich der Herrschaft der Arkoniden unterstellt der Herausforderung stellen. Denn egal wie man es dreht, der Widerstand der Menschen ist auf der einen Seite spürbar, auf der anderen Seite aber zahlenmäßig wirklich überschaubar.    

Gucky schafft es dann doch, einem der seltsamen Wesen zu begegnen, das von dem Ilt nicht unbedingt begeistert ist, ihn aber zumindest akzeptiert. Vorher muss der unvorsichtige Ilt durch den Stich eines Rings seiner Fähigkeiten beraubt um sein Leben am Grund eines sich mit Lava fühlenden Schachts kämpfen. Die Energiesphäre rettet ihn. Der Lazan beseitigt ebenfalls alle Spuren der Goldenen, rettet aber zumindest Gucky. Auch diese „Deus Ex Machina“ Variante ist einmal zu oft in der „Neo“ Serie verwandt worden. Rainer Schorm kann in dieser Szene keine Spannung aufbauen. Mit Lee Va Tii, der im Marskern gefangen gehalten worden ist, wird der irgendwo zwischen dem Realismus der ersten „Perry Rhodan“ Romane der Erstauflage mit der allerdings eher rückläufig verlaufenden Expansion in die Tiefen des Alls und dem späteren von William Voltz voran getriebenen Oberbau verlaufende Plot weniger gestärkt, als eine weitere weit in die Zukunft reichende Vision hinzugefügt.  Auch die Idee, das es auf dem Mars früher eine Zivilisation gegeben hat, die in das Ringen der ominösen Allianz eingegriffen hat, fruchtet in der vorliegenden Form zu wenig. Das Sonnensystem als Zentrum von kosmischen Auseinandersetzungen hat es in der Erstauflage so oft gegeben. Es ist schade, dass Frank Borsch zusammen mit Rainer Schorm hinsichtlich der Andeutungen eines ultimativen Vorstoßes und eines möglichen Sieges der Allianz  natürlich ausgerechnet im Sonnensystem diese Zufälligkeiten weiter vorantreiben.

Mit einem Hinweis auf einen Vorfahren des Chaosduo aus der alten Serie wird eine weitere Figur im Grunde vorgezogen. Betrachtet der Leser „Der Geist des Mars“ nicht nur unter dem Aspekt, dass sich wieder viele Hinweise, aber so gut wie keine Antworten in diesem Band finden, dann kann das Urteil befriedigend lauten. Sieht man allerdings kritischer, das es sich um den möglichen Abschlussband eines zwölfteiligen Zyklus handelt und der nächste Roman natürlich wieder mit dem Hinweis, jetzt einzusteigen, versehen worden ist, dann ist die Enttäuschung groß. Der Handlungsverlauf ist höflich gesprochen phlegmatisch und unlogisch. Immer noch haben die Autoren sich nicht bequemt, so etwas wie ein Konzept oder eine Vision zu präsentieren. Bruchstückhaft werden immer wieder Aktionen der Arkoniden beschrieben, die ihrer bisher bekannten Vorgehensweise widersprechen. Spannung wird so gut wie keine aufgebaut und der Widerstand agiert nach dem Zufallsprinzip. Noch stärker als in den letzten Minizyklen werden die Protagonisten in letzter Sekunde durch Zufälligkeiten aus ihren Gefahren gerettet. Die Vorgehensweise der einzelnen Widerstandsgruppen ist eher oberflächlich und kaum durchgeplant. Alleine die Tatsache, dass der farblose Rhodan nicht immer im Mittelpunkt der Ereignisse steht und andere Figuren ihre fünf Minuten des Ruhm ernten dürfen, rettet einzelne Teile dieser weiterhin von Frank Borsch überambitioniert konzipierten „Neo“ Serie vor der gänzlichen Katastrophe. Es ist schade, das selbst gute Grundideen wie die Besetzung der Erde durch die Arkoniden als Gegenentwurf zu Scheers gegen alle Wahrscheinlichkeiten erfolgreicher Optimismuspolitik durch unnötige Nebenkriegsschauplätze, die Betonung der kosmischen Bedeutung der Erde und dem Gipfeltreffen von rudimentär entwickelten Überwesen unterminiert werden. Da kann selbst Rainer Schorms angenehm zu lesender Stil in der vorliegenden Langeweile nichts mehr retten. 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 694 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 185 Seiten
  • Verlag: Perry Rhodan digital (4. Dezember 2014)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00KKQ73X6
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