Perry Rhodan Neo 86 "Sternenkinder"

Rüdiger Schäfer

Rüdiger Schäfers großer Vorteil ist es im vorliegenden Roman, im Grunde auf den ersten Blick losgelöst von der laufenden Handlung mittels eines langen Rückblicks ein Einzelabenteuer verfassen zu können.  Die Rahmenhandlung ist spärlich. Ras Tschubai, Frederick Anderson und der Arkonide Lorir befinden sich in der Hand der Orristan, die den im Sterben liegenden Arkoniden nicht mehr verhören können. Um nichts zu verschwenden, sollen Ras Tschubai und Anderson die Reste des Toten verspeisen. Ein wenig unbeholfen erscheint, dass Ras Tschubai im Grunde die Fähigkeiten neu ausgebildet hat, die in extremen Situationen passend benötigt werden. So kann er mit seinem Supergehör und den entsprechenden Resonanzsignalen die Schottverriegelung ihres Gefängnisses knacken.  Auch wenn das fast antiquiert erscheinende Knacken der Schottverriegelung notwendig ist, um die laufende Handlung in Gang zu bringen, wirken diese Szenen seltsam  antiquiert. Durch ihre Flucht erhält der Leser stellvertretend auf Augenhöhe der Protagonisten einige Informationen über das Raumschiff, das zusätzlich ein als Asteroid getarntes Mini- Raumschiff  an Bord führt.  Ihre Flucht ist nicht lange, sie werden prompt wieder gefangen genommen.  Ras Tschubai und Anderson werden schließlich zum Ratssaal gebracht, wo der Mutant quasi das gleiche Ritual wie beim Knacken der Schlösser durchführen muss, um den Schläfer zu erwecken. Interessant ist, dass diese Sequenz in einer der wenigen Actionszenen gipfelt und die sich stetig auf der Flucht befindlichen, im Grunde paranoiden Orristen überhaupt nicht wehren können.  Armbrüste gegen moderne Energiewaffen, selbst wenn diese aus der Zeit der Ersten stammen. Wie oft sind diese Szenen schon beschrieben worden und wie hoch ist die Erfolgsquote dieser „terroristischen“ Aktionen. Vielleicht hätte de „Sternenkinder“ in dieser Szene geholfen, wenn Rüdiger Schäfer auf das Klischee des ohne Waffen zu betretenden Schreins zurückgegriffen hätte. Die ganze Aktion hätte glaubwürdiger wirken können und vor allem weniger mechanisch. In der vorliegenden Konzeption werden die pazifistisch feige eingestellten Orristan zu sehr ins Abseits gedrängt und der Leser fragt sich, warum fünfzig bleiche Errkarem auf den Planeten nicht vorher aufgefallen sind.  Durch diese unlogische Sequenz wird aber aus dem potentiellen Gefangenen mit einem Todesurteil der Opposition im Nacken eine Art Heilsbringer für die nächsten Romane.  Ras Tschubais Position wird dadurch ein wenig gestärkt. Rüdiger Schäfer gibt sich Mühe, dieser geradlinigen Sequenz deutlich mehr Spannung zu geben als dem unwahrscheinlichen Fluchtversuch Perry Rhodans und Thoras im vorangegangenen Roman. Allerdings kann er die Mechanismen dieser Ideenkonstruktion auch nicht ganz umschiffen und vielleicht ist es auch von der grundlegenden Struktur der Serie eher unglücklich, zweimal wichtige Protagonisten aus ohne Frage bizarren Umgebungen hintereinander fliehen zu lassen.  Ras Tschubai kommt auch zu schnell mit seinen neuen Fähigkeiten zurecht. Wenn die Autoren die Schemata der alten Serie zumindest ankratzen, wenn nicht durchbrechen möchten, dann sollten innere Zweifel stärker gesät und vor allem Hindernisse dreidimensionaler ausgebaut werden.

Einen Großteil der Handlung nimmt allerdings ein Rückblick auf die Geschichte des Volks von Orristan ein, die erstens ihre Herkunft auf die Ersten zurückführen und zweitens das große Imperium auch kennen. Das Volk lebt in ständiger Furcht vor den Arkoniden. Die Ersten lebten früher auf der Warmen  Welt, womit die Erde gemeint ist.  Angeblich verstießen diese Ersten gegen universelle Gesetze und wurden von den Bestien vertrieben. Wie in der Erstauflage ist die Erde anscheinend schon seit vielen Jahrtausenden im Mittelpunkt verschiedener kosmischer Ereignisse. Das Problem ist aber in „Neo“, das im Grunde alles überambitioniert beschrieben wird und die vielen Schalen die brüchige Handlung eher erdrücken. Nicht zum ersten Mal wünscht man sich in der laufenden Serie, dass Frank Borsch nicht immer wieder neue Situationen, andere Völker oder noch mehr Pseudogeschichte einführt, sondern die Handlung mit Rasanz, Tempo und detaillierter beschriebenen intelligent aufgebauten Szenen vorantreibt. Die sogenannten Sternenkinder oder Orristan sind zurückgeblieben, um die Warme Welt quasi aus der Entfernung in der Theorie zu hüten, in der Praxis passiv zu beobachten. In erster Linie geht es den Orristan darum, die eigene Haut zu retten. Die Überwachung aus der Ferne macht wenig Sinn. Es gibt zu wenig Hinweise, warum und woher die Sternenkinder die Arkoniden vor allem vor der Invasion schon kannten.  So haben die meisten Orristan Selbstmord begangen, als die Arkoniden ihre Heimatwelt entdeckten. Eine eigene Technologie haben sie nicht entwickelt.  Das Problem an dieser Geschichte sind die verschiedenen Mythen, die aufeinander treffen. So haben die Orristan Technik der Ersten, die angeblich von der Erde stammt und haben die Menschheit sowie deren Funk überwacht.  Sie verfügen über eine perfekte Tarntechnologie und bringen sich eher im Moment der Invasion der Arkoniden um, obwohl das ja auch gegen den Auftrag der Ersten verstößt, die Erde und ihre Bewohner zu überwachen und zu behüten.  Rüdiger Schäfer versucht wirklich die Quadratur des Kreises, aber sein Rückblick hätte ohne die Einbeziehung der Erde überzeugender gewirkt. Vor allem wenn er dann noch mit den Errkarem als Bewohner der Heißen Welten eine Oppositionsgruppe gibt, die gegen Ende des Taschenheftes eingreifen. Auch die politisch gegenpoligen Strukturen unter den herrschenden Orristan sind keine Überraschung.

Im Mittelpunkt ihrer Kultur steht zusätzlich der Schläfer aus der Zeit der Ersten, der noch mehr als sein Volk die meiste Zeit im Stasisschlaf verbringt.  Die Erweckerin konnte ihn schon lange nicht mehr erwecken, so dass sie entsprechende Orakelsprüche gefälscht hat.  Warum sie sich von Ras Tschubais Ausbrecherfähigkeiten und seinen seltsamen Tönen ein Erwecken des Schläfers verspricht, erscheint eher unwahrscheinlich und gehört zu den zu starken Konstruktionen dieses Buches. Auch die Idee der jungen Wilden, welche die Passivität der  „Vätergeneration“ unterlaufen und gegen die Arkoniden zu Felde ziehen wollen, ist kein wirklich neuer Aspekt der „Neo“ Serie. Zumindest kann Rüdiger Schäfer einige exotische, aber dreidimensionale Figuren kreieren.   

Zusammengefasst bringt „Sternenkinder“ die laufende Handlung leider keinen Meter weiter. Die Nebenhandlung ist zwar rückblicktechnisch solide erzählt und Rüdiger Schäfer gibt sich sehr viel Mühe, das Volk der Sternenkinder überzeugend zu beschreiben, aber viele Aspekte wirken eher konstruiert bis aus unzähligen Variationen bekannt. Nur einige Nebenfiguren ragen aus dem Buch positiv heraus. Ras Tschubais Aktionen bilden keinen echten Kontrast zu der wenigen Handlung, die auf den einhundertsechzig zumindest routiniert geschriebenen Seiten präsentiert werden. 

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 813 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 162 Seiten
  • Verlag: Perry Rhodan digital (1. Januar 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00PAXJWCY
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