Perry Rhodan Neo 95 "Im Fluss der Flammen"

Perry Rhodan Neo 95 "Im Fluss der Flammen"
Rainer Schorm

Rainer Schorm treibt zwar mit „Im Fluss der Flammen“ nicht den gesamten Minizyklus voran, aber mit seiner vor Action strotzenden Geschichte lenkt er nicht nur den Fokus auf die bislang eher im verborgenen stattfindende militärische Auseinandersetzung, sondern mit dem auf den ersten Blick dunklen Ende – der Einsatz einer Arkonbombe ist sowohl in der alten Serie als auch der „Neu“ Interpretation ein erschütternder Moment – fehlt das bisherige Pioniermomentan, das selbst unlogische Missionen noch irgendwie positiv gestaltbar ausgezeichnet hat. Nicht jede der beschriebenen Aktionen ist wirklich in sich logisch und an einigen Stellen ist eher der Wunsch Vater des Gedanken als reine militärische Führung, aber zusammengefasst handelt es sich um einen der besten Romane dieser Miniserie. Erstaunlich ist, dass die ersten „Neo“ Abenteuer seit der Besetzung der Erde unter dem Faktor Zeit litten. Für die fiktiv vergangene Zeit ist zu viel erreicht worden. Auch folgten die Arkoniden dem flüchtigen Rhodan zu sehr auf dem Fuß. In diesem Roman wirkt etwas anderes nach. Auch wenn immer wieder betont wird, dass die Arkoniden aufgrund der Unruhen mit den Maahks inzwischen ihre neusten Raumschiffe an die wahrscheinlich neu aufbrechende Front ziehen müssen, erscheint die Präsenz der Arkoniden angesichts der Größe ihres Reiches und vor allem der anscheinenden Wichtigkeit der Erde verschwindend gering. So muss als Kernpunkt dieses Buches auf eine weitere Einheit bestehend aus neunzehn Raumschiffen – ein Schlachtschiff, zwei Kreuzer und sechzehn Frachter – gewartet werden,  die quasi wie die grauen Wölfe im Zweiten Weltkrieg von einem modernen Raumschiff – der im Besatzung der Menschen befindlichen VEAST´Ark – angegriffen werden. Normalerweise müssten diese Transporte regelmäßiger stattfinden und vor allem macht der Angriff angesichts der vorhandenen Daten wenig Sinn. Alleine die Aufmerksamkeit auf den Stützpunkt der Menschen / Naats zu lenken und die Besatzer zu erzürnen scheint angesichts des verschwindend geringen militärischen Potentials der Menschen nicht die richtige Taktik zu sein. Zwar impliziert der Autor Konflikte zwischen den Naats und den Menschen, aber vor allem in den ersten Taschenheften zu Beginn der Invasion haben sich die Naats eher als Feiglinge erwiesen. Nach dem Pyrrhussieg neben die Menschen die überlebenden Arkoniden auf und verfolgen die flüchtigen Schiffe nicht. Auch in dieser Hinsicht macht die ganze Aktion keinen Sinn. Über dem Planeten können die beiden Kreuzer erstaunlich lange die zahlenmäßig überlegenen Arkoniden binden, so dass der Angriff wie in „Star Wars“ eher zu einem Exempel der simpleren Art wird. Die Ambivalenz, mit welcher die jeweiligen Stärken oder Schwächen der einzelnen militärischen Auseinandersetzungen genutzt oder verdammt werden, negiert die schon angesprochenen gut geschriebenen Szenen. Immer wieder ist Rainer Schorm auf der anderen Seite für cineastische Bilder wie das gigantische Kugelraumschiff, das mit seinem Atmosphärenflug die Rebellenstation großflächig zerstört. Alleine der Einsatz einer der seltenen Arkonbomben wirkt übertrieben. Es war in diesem Minizyklus schon lange überfällig, dass die Arkoniden einmal nachhaltig zeigen, wer die Aggressoren sind. In den auf der Erde spielenden Szenen glichen sich gegen alle Logik am Ende die Kräfte des Widerstandes und die teilweise Naivität der Besatzer an. Spätestens mit dem absurden, manipulierten Prozess haben die Autoren gezeigt, dass diese Arkoniden nichts mit dem Volk gemeinsam haben, dem Perry Rhodan auf der sinnlosen Suche nach dem Epetransarchiv begegnet ist. Mit dem aggressiven Chetzel und dieser Aktion schafft es Rainer Schorm, zumindest ein wenig Vertrauen in die brutalen Arkoniden wieder herzustellen und die Leser Zufriedenzustellen.

Leider gibt es in diesem Roman noch einen zweiten Handlungsbogen. Orsons, Tiffler und Tschato dringen unter dem Kommando von Crocker durch die Wasserversorgung auf dem Stützpunkt Baikonur in die AGEDEN ein. Medikamente haben sie zu Wasseratmern werden lassen. Vom technischen Standpunkt aus wäre das nicht einmal notwendig gewesen, denn mit einer vernünftigen Tauchausrüstung hätte das auch funktioniert. Über die Logik, dass in den Tiefen des Alls operierende und damit über ein perfektes Recyclingsystem verfügende Raumschiffe einen Wasseraustausch überhaupt vornehmen müssen, haben sich die Autoren wenig Gedanken gemacht. Viel schwieriger ist es, diese Wunderdroge so genau einzusetzen, dass das Team im richtigen Moment von Wasser auf Sauerstoffatmung „umschwenkt“, um in den nicht feuchten Teilen des Raumschiffs agieren zu können. Das parallel auch ein Virus eingeschleust wird, der es den Terranern ermöglicht, in die Waffenkammer einzudringen und dort quasi sich selbst bedienend zu agieren, ohne das es jemanden auffällt, wirkt unglaubwürdig, muss aber diesem stark konstruierten Plot geschuldet so akzeptiert werden. So übernimmt eine Art Programminstanz – von dem Fürsorger installiert – schließlich im Hintergrund die Leitung der Mission und räumt dem kleinen Kommandotrupp nicht nur systematisch und zielstrebig, sondern in diesem Fall auch notwendig verschiedene Hindernisse aus dem Weg. Es ist nicht die erste Mission, die dank dieser „Deus Ex Machina“ Lösungen erfolgreich sein kann. Auf der einen Seite ist interessant, dass anscheinend sich nur die Menschen als Hacker versuchen und diese Taktik auch in ihren Offensivbemühungen anwenden. Auch Emmerichs „Independence Day“ basierte zum Teil auf diese unwahrscheinlichen Prämisse. Vielleicht ist das auch die Erklärung, dass insbesondere die Arkoniden mit dieser Angriffsvariation im Grunde überfordert sind, weil sie diese noch nie kennen gelernt haben. Das erscheint zwar wenig wahrscheinlich und der Schutz der eigenen Raumschiffe ist auf dieser Ebene nicht vorhanden. Aber alle Versuche, diese Vorgehensweise nachhaltig zu logisch darzustellen, laufen irgendwie ins Nichts. Auch die Sperrung der Waffenkammer auf einem sich in einem militärischen Einsatz befindlichen Kriegsschiff wirkt nicht überzeugend. Später stürmt das terranische Einsatzkommando die Kommandozentrale. Da sich das Schiff im Einsatz befindet, werden die einzelnen Stationen durch individuelle Schirme gesondert geschützt. Das Kommando versucht die Schirme durch Punktbeschuss zum Einsturz zu bringen. Es ist schon erstaunlich, dass die Kommandozentrale von innen heraus geschützt ist, nach außen nicht. Wieder greift der Fürsorger ein und sorgt dafür, dass diese Mission zu keinem Desaster wird. Es ist schade, dass die vielleicht heute nicht mehr so antiquiert wie in den neunziger Jahren erscheinende Idee der Kommandounternehmen Scheers, welche ja den militärisch nicht immer auf Linie gebrachten Reiz der alten Serie in David gegen Goliath Manier ausmachten, durch ominöse Kräfte wie den Fürsorger unterminiert werden. Auch die Flucht – wieder durch das Wassersystem direkt zu den Fluchtkapseln – wird vom Wunsch als Vater des Gedanken motiviert. Im Vergleich zur Haupthandlungsebene – Chetzkel ist der Verbindungspunkt – wirkt das Kommandounternehmen sehr stark bemüht. Selbst Rainer Schorms Fähigkeit, das Unwahrscheinlich zumindest packend zu beschreiben, erreicht in einigen Szenen seine Grenzen.

In einem Punkt hat sich allerdings die Rhodan „Neo“ Serie deutlich weiter entwickelt. Im Vergleich zu den ersten unerträglichen Auftritten Julian Tifflors wirkt die Figur reifer und nuancierter beschrieben. Mit Chetzkel verfügen die Arkoniden weiterhin über einen perfekten Antagonisten, der vielleicht endlich seine Bremse lösen könnte, um zu den imperialen Besatzern aufzuschließen, die Rhodan stellvertretend für die Leser im Herzen des arkonidischen Reichs kennen lernen musste. Auf der anderen Seite wirkt der Einsatz von Figuren wie den Fürsorger und in diesem Fall seine Computerprogramme kontraproduktiv, da der Mission zu schnell die Spannung genommen wird. Wenn die „Neo“ Autoren mit Frank Borsch an der Spitze wenigstens einmal den Mut haben könnten, eine derartig von „außen“ indirekt begleitete Mission komplett scheitern und die Männer sterben zu lassen. Dann wäre der Glaube der Leser ein wenig erschüttert und man könnte die nächsten Abenteuer aus einer differenzierten Warte aus betrachtet. Bis dahin präsentiert sich Rainer Schorms Roman als solide Unterhaltung, die auf der einen Handlungsebene durch Dynamik überzeugen kann, während der andere Spannungsbogen um Tifflor leider eine große Enttäuschung darstellt, weil „Deus Ex Machina“ zu sehr regiert.

     

Taschenheft, 160 Seiten

Pabel Verlag

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