Cotton Reloaded 30 "Tatort London"

Mit dem kleinen und deswegen deutlich längeren Jubiläumsband 30 hat Peter Mennigen gleichzeitig einen seiner besten Beiträge zur Serie geschrieben.

Der Beginn ist ein wenig holprig, aber anschließend erzählt er seinen Plot nicht nur mit einem hohen Tempo, sondern zeigt, dass der sich weiterhin auf Extratouren befindliche Jeremiah Cotton nicht immer sofort durchsetzen kann. Mir High, Decker und Cotton kommen aus den USA zu einer Sicherheitskonferenz der Geheimdienstchefs nach London. Gleich am Flughafen Heathrow detoniert eine Autobombe, der aufmerksame Cotton kann seine Kollegin und den Chef in letzter Sekunde warnen.  Anschließend wird er wegen einer Respektlosigkeit den britischen Kollegen gegenüber zurecht gewiesen. Bedenkt man, das Mr. High ein gerechter Mann ist und Cotton ihm gerade im Gegensatz zu den britischen Ordnungskräften das Leben gerettet hat, wirkt diese Reaktion übertrieben und passt nicht. In den folgenden Tagen ist Mr. High auf der Konferenz und seine Kollegin von einem britischen Agenten so sehr fasziniert, dass sie dem Charme des Empire zu erliegen droht. Cotton streift durch die Stadt und gerät in eine Demonstration on Guy Fauwkes Anhängern, die schnell ausartet und von der Polizei unterdrückt werden muss. Dabei lernt er auch eine junge Frau kennen. Wer jetzt das übliche Szenario der Ermittlung durch die Hintertür erwartet, muss sich ein wenig gedulden, denn innerhalb weniger Stunden sterben zwei britische Geheimagenten, während alle Spuren auf einen gigantischen perfiden Anschlag auf das britische Parlament hindeuten. Auf die Idee, dass das eigentliche Ziel wo anders liegt und die mit einem Schiff transportierte Bombe ein geschicktes Ablenkungsmanöver sein könnte, kommt niemand. 

In den letzten Romanen hat sich Peter Mennigen mehr und mehr mit dem Verhältnis zwischen Decker und Cotton beschäftigt. Auch dieser Band beinhaltet die „sie konnten zueinander nicht kommen“ Komponente mit einem eifersüchtigen Cotton und einer verblüfften Decker. Die kann nicht glauben, dass Cotton sich mit der attraktiven, aber auch reich verwitweten Sicherheitschefin duzt und sogar ein Date hatte. Cotton dagegen ist verblüfft, als sich Decker in den Harem eines typischen britischen Geheimagenten mit Sex Appeal einzureihen droht. Eine dieser beiden Begegnungen wird um den Ernst der Lage zu unterstreichen relativ schnell beseitigt, während die andere Verbindung von den Ereignissen überrollt wird. Aber das beständige gegenseitige Reizen und Aufstacheln ist vor allem mit den unterkühlten Kommentaren des ein wenig einseitig gezeichneten Mr. Highs gut in die Handlung eingebaut. 

Zusätzlich funktioniert der Plot vor allem in der ersten Hälfte des Romans ausgesprochen gut.  Wechselnde so typisch britische Schauplätze und möglicherweise ein Verräter in der Organisation. Eine Wasserleiche, eine Autobombe. Obwohl Cotton Ermittlungsarbeit eigentlich verboten worden sind und seine eigenwilligen Touren inklusiv der Teilnahme am Schlag gegen die Terroristen immer am Rande der Übertreibung sich abspielen, erzeugt Peter Mennigen auch aufgrund des bislang nicht genutzten ausländischen Hintergrunds Spannung. Mit der Mitte des Buches und dem zweiten Teil der Verschwörung sinkt diese aber ab. Immer wenn eine der wichtigsten Hauptfiguren in tödliche Gefahr gebracht wird, weiß der Leser, dass aufgrund des Serienkonzepts bislang keine Hauptfigur wirklich gestorben ist. James  Bond hat mit der letzten „M“ bewiesen, dass es auch anders geht, aber „Cotton Reloaded“ ist nicht so weit. Während Cotton in der ersten Hälfte gegen alle Beschränkungen auch agieren konnte, bleibt ihm nur zusammen mit Decker die Reaktion auf die Aktionen der Terroristen. Dadurch wirkt die zweite Hälfte schwächer, wenn auch das von Action dominierte Ende versöhnt. Auffällig ist, dass Peter Mennigen anscheinend aufgrund der Länge dieses Jubiläumsbandes ein wenig der Eindruck hinterlässt, als hätte er zwei unterschiedliche Ideen kurzfristig in einer Geschichte miteinander verbunden. Auf der zwischenmenschlichen Ebene hilft diese inhaltliche Verlängerung sehr gut, denn der Leser kann sich auch auf die gut gezeichneten Protagonisten einstellen. Davon haben in letzter Zeit eine Reihe von „Cotton Reloaded“ Romanen profitiert.  Zusammengefasst ein lesenswerter kleiner Jubiläumsband mit einer nur anfänglich überraschenden, aber außerhalb der USA spielenden Handlung.