Michael Moorcock Fiction, Fantasy and the World’s Pain

Michael Moorcock Fiction, Fantasy and the World’s Pain
Mark Scroggins

Michael Moorcock gehört wie der Autor Mark Scroggins auch am Ende feststellt zu den einflussreichsten phantastischen Autoren des 20. Jahrhunderts, der allerdings im 21. Jahrhundert auch mit seinen Meanstreamromanen für Furore gesorgt hat.  Sein Multiversum mit der Chronik des Ewigen Helden könnte man wie John Clute mehrfach anspricht als einen gigantischen Roman bestehend aus unzähligen einzeln veröffentlichten Teilen ansehen. Immer wieder wird betont, wie sehr sich Michael Moorcock vor allem im späteren Mittelabschnitt seiner literarischen Karriere sich bemüht hat, die einzelnen Zyklen zusammenzufassen. Sei es durch Umbennenung einzelner Protagonisten, Änderung von Plotverläufen und/ oder gänzlich neuen eingeordneten Werken. Der Autor dieses ansonsten sehr gut zu lesenden sekundärliterarischen Werkes hebt Moorcock dabei aus dem Genre heraus, ohne zu erwähnen, das diese vor allem rückwirkende Verbindung einzelner Werke kein Einzelfall ist. Robert A. Heinlein hat in seinen letzten umfangreichen Werken seine "Future History" ebenso abgeschlossen wie Isaac Asimov fast alle seine wichtigsten Werke von der "Foundation" über die "Robotergeschichten bis zu bislang isoliert veröffentlichten Romanen teilweise auf extrem konstruierte Art und Weise eben auch zu einem großen Ganzen zusammengefasst hat. In beiden Fällen kann der Leser von den Chroniken der Menschheit sprechen, während Moorcock allerdings viele Universen mit einem eher widerwilligen Champion in den unterschiedlichen Inkarnationen hinsichtlich des Kampfes gegen das Chaos, aber nicht gegen das Böse auf eine rückblickend Tour de Force geschickt hat. Da es zwei umfangreiche fast zeitgleich publizierte Werksausgaben – eine in Großbritannien, die andere in den USA erschienen -  gibt, fällt es Moorcock zusammen mit seinen beiden Herausgebern natürlich leichter, den Kosmos zu ordnen und die nicht selten schnell heruntergeschriebenen Romane liebevoll ein wenig zu modernisieren, ohne das ihr Flair verloren geht. Daher muss Scroggins im Grunde auf zwei Zeitebenen arbeiten.  Einmal die ursprünglichen Veröffentlichungen und ihren Gehalt abschätzen, dann im nächsten Schritt die Veränderungen durch die Werksausgabe gewichten. 

 Es ist wie der Autor in seinem Vorwort erwähnt nicht leicht, sich Moorcock und seinem Werk zu nähern.  Oder ganz leicht, da der Interessent fast von jeder Seite einsteigen und sich hinsichtlich der Veröffentlichungsreihenfolge in beide Seiten vor- oder zurückarbeiten kann.  Ein Widerspruch in Moorcocks langer Karriere ist wahrscheinlich seine Herausgeberschaft von „New Worlds“ in Kombination mit den gleichzeitig schnell heruntergeschriebenen, einfachen Sword & Sorcery Fantasy Geschichten. Von diesem Geld hat Moorcock wieder gelebt und das Magazin am Leben erhalten, in dem er den New Wave der Science Fiction „personifizierte“.  Wer aber angesichts der Fülle von Veröffentlichungen über fast fünfzig Jahren und den vielen Themen in seinem umfangreichen Werk einen Schritt zurücktritt, wird Überraschendes und eher Pragmatisches finden.  Tief verwurzelt nicht in Tolkiens einflussreichem Werk, sondern ein Fan von Edgar Rice Burroughs  phantastischen Geschichten kommt bei ihm die Erzählung immer vor dem Hintergrund seiner Welten. Auch wenn das Multiversum auf der einen Seite phantastisch und dreidimensional erscheint, ist es bei näherer Betrachtung eher durch seine exzentrischen Charaktere gekennzeichnet  als zum Beispiel exotische Hintergründe. Nicht selten extrapoliert Moorcock irdische Sphären.

Mark Scroggins entwickelt in seiner Einleitung die grundsätzlichen Regeln, an denen er Moorcocks Werks werten, messen und vielleicht gewichten möchte.  

Moorcocks „Eternal Champion“  ist weniger ein Protagonist als eine Idee. Er kann in verschiedenen Inkarnationen von Jerry Cornelius des Swinging London über den melancholischen widerwilligen Elric von Melnibone bis schließlich den klassischen Helden wie Corum auftreten.  Immer wieder hat Moorcock betont, dass es sich im Grunde um die gleiche Person handelt, die wie das Multiversum in verschiedenen Inkarnationen auftreten kann. Scroggins arbeitet sehr überzeugend heraus, woran der Leser diesen ewigen Helden – im Grunde sind es ja Antihelden, die Moorcock entwickelt hat – erkennen kann und wie die auf den ersten Blick konträren Charaktere viel mehr miteinander zu tun haben als es vor allem die Erstveröffentlichungen seiner Bücher und weniger die zusammengefassten und überarbeiteten Sammelbände implizieren.  Scroggins muss auch entgegen seinen Absichten eine chronologische Betrachtung von Moorcocks Werk aufgeben, da dessen Exkurse in die Welt der Literatur beginnend mit seine Peake Hommage „Gloriana“ nicht unbedingt zielführend sind und Moorcock vor allem im 21. Jahrhundert alleine um sich von der schweren Kost seiner Mainstreamliteratur zu erholen immer wieder mit deutlich offensichtlicheren semibiographischen Bezügen insbesondere zu Elric zurück gekehrt ist. Es ist allerdings auf der anderen Seite vermessen, jeden zu offensichtlichen Versuch, alleinstehende Geschichten alleine durch Umbenennung der handelnden Charaktere oder Hintergründe diesem Zyklus zuzufügen. Dem Leser wird deutlich, dass Moorock auf der einen Seite um sich vielleicht auch von der normalen Fantasy abzuheben mit Elric von Melnibone den Prototyp des Antihelden erschaffen hat. Aus heutiger Sicht steht er nicht alleine da, denn Scroggins verweist zwar immer wieder auf andere Autoren beginnend mit Robert E. Howard und seinen Conan Geschichten, Lin Carter oder Terry Brooks, er ignoriert aber einen inzwischen auch umfangreichen Zyklus, der Moorcocks Antihelden und vor allem seinen ambivalenten Welten am nächsten steht. Die Chroniken von Thomas, dem Zweifler. Interessant ist bei beiden Werken, dass Vergewaltigung als Ausdruck von Frustration eine relevante Rolle zu Beginn der Serie steht, während Moorcock ja in seinem Zwitterwerk – literarisch Fantasy – „Gloriana“ die Königin in der ursprünglichen Fassung ihren ersten Orgasmus während einer Vergewaltigung erleben ließ.  Auch wenn Scroggins vielen Arbeiten Moorcocks alleine einen ohne Frage vorhandenen Unterhaltungsfaktor zugesteht und logische Brüche aufgrund des Herunterschreibens der Texte eher ignorant behandelt, geht der Autor mit dem Objekt seiner Untersuchungen manchmal vor allem bei der Gestaltung der Helden zu milde um.

Der zweite rote Faden ist das Multiversum, das Moorcock vor allem nicht nur in zahlreichen seiner Bücher und Kurzgeschichten, sondern selbst im Medium Comics aktiv wie bei der Zusammenarbeit mit Howard Chaykin oder passiv durch das Verkaufen der Rechte   gewesen ist. Die Visualisierung seiner Arbeiten beginnend mit den allerdings eher stereotypen, aber effektiven Frazetta Bildern hat Moorock erstaunlicherweise nicht selten anderen überlassen. Erst durch die Zusammenfassung der einzelnen Trilogien wird deutlich, dass Moorcock ein intensiver Erzähler, aber nicht wie zum Beispiel Tolkien oder George R.R. Martin ein World Builder ist.   Interessant ist es, dass Moorcock in einigen seiner Werke historische Ausgangspunkte wie zum Beispiel den dreißigjährigen Krieg nimmt oder Mainstream alleine durch die Erwähnung eines bestimmten Ortes mit den reinen Fantasy Werken verbindet. Die Idee des Multiversums mit seinen verschiedenen Avataren ermöglicht es Moorcock aber auch, Parallelwelten zu entwickeln und teilweise politisch provokant wie interessant zu spekulieren. Das Multiversum muss im Gegensatz zu seinem Ewigen Champion nicht wieder „zusammen geführt“ werden, sondern ist als eine Art Taschenuniversum zu verstehen, dessen Grundidee schon in seinen ersten reinen Science Fiction Romanen basierend weniger auf extrapolierter Technik,  sondern  viel Phantasie und Improvisation angelegt worden ist. Diese Romane passen nur rückwirkend betrachtend bedingt in den Gesamtkosmos, werden aber assimiliert.

Das dritte, eher inhaltliche Standbein nach Protagonist und Hintergrund ist die Idee eines kontinuierlichen Kampfes zwischen Chaos und Ordnung. Nicht wie in vielen anderen Fantasy Büchern zwischen „gut“ und „böse. Moorcock ist vor allem auch in seinen teilweise sehr realistischen Romanen der Ansicht, dass die beiden Seiten immer im Gleichgewicht stehen müssen und das Ordnung nicht ohne Chaos sein kann.  Wenn seine Protagonisten wie im Zyklus um „Die Tänzer am Ende der Zeit“ diesem Gleichgewicht wie auch dem Ende der Welt zu entkommen suchen, dann endet diese Quest in einer Farce. In den im Ullstein Verlag veröffentlichten Büchern sind die Protagonisten wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ gefangen in ihrer eigenen Lösung.  Interessant ist diese sekundärliterarische Arbeit als Ganzes betrachtend wie tief Scroggins vor allem in die geschichtlich historischen Hintergründe eindringt und aus auf den ersten Blick eher zweitrangigen Werken sehr viele Informationen herausholt. Da Moorcocks Werk - wie der Autor in seinem Nachwort auch zugibt – noch im Fluss ist und die neusten Arbeiten noch mehr mit einem Augenzwinkern Moorcocks verklärte Erinnerungen mit phantastischen Inhalten verbinden, verbietet sich eine abschließende Beurteilung. Interessant ist, dass er mit der Pyatt Tetralogie im Grunde einen zynischen desillusionierenden Schelmenroman geschrieben hat, der absichtlich im Jahre 1900 mit der Geburt eines klassischen, vielleicht überzeichneten Rassisten beginnt und dessen Leben durch die Wirren nicht nur der russischen Revolution, sondern auch des Zweiten Weltkriegs bis zum vorhersehbaren, eher der „Twillight Zone“ entsprechenden Endes verfolgt. Selten ist der Leser einem unsympathischeren und vor allem auch nicht zuverlässigen Erzähler begegnet.  Aber das ist auch eine der Stärken Moorcocks, wie Scroggins nachhaltig überzeugend herausarbeitet.  

Aber auf diesen drei Fundamenten-  Eternal Champion, Multiversum sowie Ordnung & Chaos -   aufbauend dringt der Autor erstaunlich tief in Moorocks so melancholisches und doch verspieltes Werk ein. Im Gegensatz zu vielen anderen Studien folgt Scroggins der Maxime seiner Vorlage, dessen umfangreiches Werk komplizierter – nicht negativ gemeint – und verschachtelter für Außenstehende erscheint als es positiv gesprochen in Wirklichkeit ist. Kurze inhaltliche Zusammenfassungen im Kombination vor allem mit einigen nicht erdrückenden Hinweisen auf Moorcocks Leben – immer reflektiert an seinem Werk – sowie seiner Tätigkeit als Herausgeber vor allem für „New Worlds“ entsteht eine vielleicht nicht unbedingt in der Tiefe sehr kritische, aber jederzeit nicht nur lesenswerte, sondern den Horizont seiner Anhänger auch literarisch erweiternde, umfassende interessante und vielschichtige Studie. Vor allem wer immer nur kurz Moorocks Werk in den letzten dreißig Jahren gestreift hat, wird überrascht sein, wie stark sich der Brite verändert und doch seinen Wurzeln treu geblieben ist.  

Mac Farlands Books

Print ISBN: 978-1-4766-6307-4
Ebook ISBN: 978-1-4766-2417-4
appendix, notes, bibliography, index
212pp. softcover (6 x 9) 2016

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