Hakonwulf von Thule

Hanns Kneifel

Hanns Kneifel gehört nicht zuletzt dank seiner ATLAN Zeitabenteuer zu den immer noch beliebtesten Autoren der Perry Rhodan Serie. In ihnen hat er den Einsamen der Zeit nicht nur die irdische Geschichte bereisen und beeinflussen lassen, sondern fast spielerisch den Leser interessante Informationen, spannende Geschichten und mehr als einmal eine gelungene Mischung aus Fiktion und Fakten präsentiert. Als die Perry Rhodan Planetenromane schließlich eingestellt worden sind, verlagerte Kneifel seine literarische Ambition mehr und mehr auf umfangreiche, historische Romane, die in allen gängigen und wichtigen Verlagen erschienen sind. Mit „Hakonwulf von Thule“ präsentiert der inzwischen siebzigjährige Kneifel nach „Ich, Sir Francis Drake“ im Heyne- Verlag eine Art mystischen Ritterroman mit Anspielungen auf die legendären Nordmänner, Camelot und schließlich auch die sagenumwobene Insel Thule. Als schöner Hardcover mit knappen zweihundertachtzig Seiten ist der Band im Verlag der ehemaligen Perry Rhodan Autorin Uschi Zietsch mit einem stimmungsvollen Titelbild von Jan Balaz veröffentlicht worden.

Die Schwierigkeiten dieses Buches liegen weniger in seinen historischen Details und der Verknüpfung von – auf den ersten Blick - konträren historischen Ideen, sondern in Kneifels hölzernem Stil und leider zumindest in diesem Fall fehlender Eigenständigkeit der Handlung. In den letzten Jahren hat sich Kneifel zumindest stilistisch eher zurückgebildet, seinen Büchern fehlen trotz aller Versuche kantige Persönlichkeiten, dreidimensional vor einer historischen Kulisse beschrieben, wie Menschen in ihrer Zeit agierend und vor allem stilistisch in naturalistischen Dialogen unterstützt. Gleich von Beginn an distanziert der Autor den Leser vom Geschehen, obwohl er die Verschwörung gegen die beliebten Herrscher der Halbinsel im eisigen Norden einführt. Der Schwenk zu Prinz Hakonwulf, dem Thronfolger in spe, der sich auf seine spätere Aufgabe durch das erlernen und herunterbeten der ritterlichen Tugenden vorbereitet, ist weniger krass, aber desillusionierend. Schnell erkennt ein aufmerksamer Leser, dass Kneifel im Grunde dem Grundkonzept Hal Fosters und seines herausragenden Comics „Prinz Eisenherz“ folgt. Ganz bewusst Reihen sich Klischees aneinander: die Verschwörung gegen den beliebten König, der Aufstand, der Kampf um den Thron, die Flucht aus dem Land nach Britannien, der Aufstieg zum erfolgreichen Jäger, der Reifeprozess zu einem jungen Mann und schließlich der Traum, dem britischen König zu begegnen und an der runden Tafel auf der legendären Festung Camelot zu sitzen. Fast wie am Fließband sehr geradlinig spult Kneifel diese einzelnen Elemente routiniert ab. Schnell beginnt der Leser zu ahnen, welche Richtung das Buch – wahrscheinlich das erste einer ganzen Serie – nehmen wird. Langeweile tut sich auf, Langeweile auch in Hinblick auf die steife, distanzierte und vor allem wenig emotionale Erzählweise. Natürlich ist es insbesondere für Autoren, die sich gerne mit den historischen Details auseinander setzen, ein Vorteil, einen bekannten Plot zu präsentieren, um den Leser nicht unnötig von der oft erdrückenden Faktensammlung abzulenken. Kneifels Informationen sind zwar akkurat, wahrscheinlich in jahrelanger, mühevoller Kleinarbeit recherchiert, dem Autor fehlt aber der Schwung, aus diesen einzelnen Fragmenten einen interessanten Roman zu gestalten. Insbesondere im Vergleich zu Poul Andersons im Norden spielenden Fantasy- artigen Sagen wirkt der Text steif und unnahbar. Es ist schade, dass sich der Autor nicht wenigstens bemüht, aus dem bekannten Muster auszubrechen und einige überraschende Handlungselemente zu integrieren. Insbesondere im Mittelteil des Buches – nach der Umsiedlung von Thule nach Britannien – findet der Stoff keine Richtung. Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als wenn Kneifel zu diesem Zeitpunkt seine originäre Idee inzwischen erzählt hat. Er kann sich selbst nicht entscheiden, in welche Richtung er die Handlung wirklich weiterentwickeln möchte und bleibt viel zu sehr an den jungen Jahren Hakonwulfs hängen. Das vorausschauende Ende suggeriert nicht nur eine Fortsetzung, der Leser fühlt sich nach dem Abschluss der Lektüre leer und vor allem nicht abschließend gut unterhalten.

Was für den Roman spricht, ist nach Ria Beinhölzl romantisch- mystischer Rittergeschichte eine weitere im Mittelalter der Menschheit spielende Geschichte. Wer anfangs an einen wilden Nordmannroman denkt, wird schnell in andere Bahnen gelenkt. Zwar hätte das raue und in den letzten Jahren von den Autoren gänzlich vernachlässigte Thule einen besseren, einen originelleren und vor allem einen farbenprächtigeren Hintergrund für einen klassischen Entwicklungsroman gebildet, Kneifels Rittergeschichte lebt zumindest an den genretypischen Grenzen entlang. Im Vergleich zu einigen anderen Autoren ist Kneifel auch routiniert genug, seine Hintergrundinformationen dezent und nicht belehrend zu präsentieren. In der zweiten Hälfte des Buches konzentriert er sich auf einen zumindest interessant dargebotenen Subplot und löst sich vom bis dato zu engen und zu vorhersehbaren Handlungskorsett. Für einen aufmerksamen Leser stellt sich auch die Frage, ob es nicht sinnvollere gewesen wäre, die lineare Handlung komplett aufzulösen und den Roman zu einem späteren Zeitpunkt in Hakonwulfs Ausbildung beginnen zu lassen. Mit einigen wenigen, aber prägnanten Rückblenden hätte Hanns Kneifel die Vorgeschichte sehr kompakt erzählen können und im Vordergrund eine originelle, spannende, vielleicht auch ein wenig phantastisch angehauchte Episode aus den Lehrjahren eines Ritters zu erzählen. So nimmt er sich auf Ende des Handlungsbogens den Raum.

„Hakonwulf von Thule“ ist in vielerlei Hinsicht – positiv wie negativ – ein klassischer Kneifel. Eine über weite Strecken bekannte, aber zumindest unterhaltsam zu lesende klassische Entwicklungsgeschichte. Eine saubere Arbeit in Bezug auf Recherche und Hintergrundinformationen. Oft in dieser Form mehr eine angedeutete historische Abhandlung als eigenständige literarische Arbeit. Hölzerne, sehr distanziert beschriebene Charaktere. Eine blumige Dialogsprache, die leider nicht diese Zeit im Herzen des Lesers wieder beleben kann. Kaum Überraschungen in Bezug auf den Plot und leider eine sehr starke Anlehnung an Hal Fosters Geschichte – sowohl historisch als auch handlungstechnisch. Als Auftaktband einer potentiellen Reihe leidet das Buch unter diesen Schwächen sehr stark. Es wird sich zeigen, ob weitere Bände die inzwischen deutlich gesunkenen Erwartungen in Kneifels Werke erfüllen können. Bis dahin reiht sich „Hakonwulf von Thule“ in die letzten, unauffälligen Arbeiten des seit vielen Jahren unterhaltsam schreibenden, aber selten wirklich brillanten Autoren ein. Leider.

Hanns Kneifel: "Hakonwulf von Thule"
Roman, Hardcover, 279 Seiten
Fabylon- Verlag 2006

ISBN 3-9270-7116-1

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