Perry Rhodan Illustrator Johnny Bruck

Frank G. Gerigk

Frank G. Gerigks wunderschön bebilderte Studie zum Leben und teilweisen Werk - bei mehr als 4000 Titelbildern und unzähligen Graphiken kann nur ein Bruchteil wieder gegeben werden - ist ein Teil der Renaissance, die Bruck momentan erfährt. Bei A1 Medien erscheinen Klebealben mit seinen Bildern und der Bildband “Herr über 3000 Welten” erreicht antiquarisch neue Höchstpreise. Gerigk hat sich schon mit den technischen Vorbildern wie Flugzeugen oder Panzern auf Brucks Titelbildern in einer mehrteiligen Artikelreihe in der Zeitschrift “SOL” auseinandergesetzt. Das bereitet der Leser aber nur spärlich auf die unzähligen Hinweise und eingehenden Analysen vor, die ihn im wichtigsten Teil dieser in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Bildbandes erwarten.

 

 Nach Abschluss der Lektüre dieses Bildbands aber hat der Autor gleichzeitig eine Hommage an den Hobbyjäger zusammengestellt und das Denkmal von seine Sockel gestoßen. Das Herzstück ist die eingehende Analyse der ersten einhundert Titelbilder der “Perry Rhodan” Serie und die zahlreichen Interpretationen/ Variationen und Ableitungen, die unter Zeitdruck genommen worden oder entstanden sind. Das Johnny Bruck sich von anderen Künstlern hat inspirieren lassen, ist kein Verbrechen. Seine Collagentechnik war überdurchschnittlich und die Idee, lebende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Hoover auf die Titelbilder zu bahnen,  ironische Kommentierung eines irrwitzigren Zeitgeschehens. Das Bruck aber derartig bei seinen Kompositionen - niemals findet sich ein einziges entliehenes Element auf einem Titelbild und keines der Bilder ist wirklich ohne Vorlage entstanden (!!!) - von insbesondere amerikanischen Titelbildzeichnern abgekupfert hat und das selbst der berühmte Rhodanhelm auf Band 19 nicht von ihm, sondern von Ed Eshwiller stammt, stimmt nachdenklich. Am Ende dieses Buches steht ein großes Fragezeichen bei einem ohne Frage eigenwilligen Künstler, der das Aussehen der „Rhodan“ Serie visuell im Alleingang gestaltet hat. Aus den Vorwörtern sowie den Erinnerungen unter andere von Marianne Sydow, Arndt Ellmer oder Fans wie Robert Vogel und Rüdiger Schäfer wird deutlich, dass Bruck ein einzigartiger Mensch mit vielen Ecken und Kanten, aber auch einem großen Herz gewesen ist. So sollte er auch in den Herzen der Fans bleiben.  Wenn an allerdings kritisch betrachtet - und da helfen auch nicht Gerigks Bemerkungen, das sich fast alle Künstler unter Zeitdruck von den Kollegen haben inspirieren lassen -, was Bruck insbesondere in der ersten Entstehungsphase der Rhodan Serie von verschiedenen Künstlern übernommen hat, dann bleibt ein zwiespältiger Eindruck zurück. Das Spektrum reicht von ganzen Figuren in ihren individuellen Posen - überwiegend Soldaten aus den amerikanischen “Man´s agazine” über Rauschiffe bis hin zu den Anzügen oder gar die verzerrten Perspektiven, die seine Titelbilder so interessant gemacht haben. Ohne Frage hätte Johnny Bruck im Internetzeitalter mit den verschiedenen Suchfunktionen nicht mehr als dreitausend Titelbilder für die deutschen Verlage gestalten können. Zu offensichtlich sind die Ähnlichkeiten, zu dreist in manchen Fällen der Diebstahl. Die naiven sechziger Jahre haben ihm eine Plattform geboten, auf der er sich austoben konnte. Vielleicht liegt Johnny Brucks Fähigkeit – das er malen und zeichnen konnte, zeigen die Abbildungen seiner Jagdbilder oder die wenigen Aktzeichnungen aus dem Zeichenkunst, den er trotz seiner Bemerkung, ein Autodiktat zu sein, besucht hat – in der Komposition bekannter Elemente zu neuen, einzigartigen und faszinierenden Bildern. Alleine für das Auge, frech unterschiedliche Dinge zu kombinieren, wird ihm ein Platz im Pantheon der „Perry Rhodan“ Helden sicher sein. Wenn ein Thomas Gottschalk zitiert wird, dass er die Rhodanserie in erster Linie wegen der Titelbilder gesammelt hat, dann liegt er nahe an der damaligen Realität. Erst die Analyse von Frank Gerigk macht deutlich, dass man Brucks Werk nicht hinterfragen, sondern im Grunde in seiner bildstarken Bruck Authentizität genießen muss. Der Autor weißt auf viele Details hin, welche den Fans der ersten bis vielleicht vierten Stunde, die in den sechziger und siebziger Jahren mit dem Leser angefangen haben, vielleicht nur unbewusst aufgefallen sind. Raumanzüge mit Westen drüben. Coltholster, die in den Western passen. Körperhaltungen, die weniger mit dem Hintergrund verschmelzen und schließlich die teilweise nur minutiös futuristisch gestalteten Exzesse der in erster Linie amerikanischen Militärmenagerie nicht nur aus dem Zweiten Weltkrieg. Hinzu kommen als wichtigster Kritikpunkte aber die verzerrten Perspektiven, die Eshwillers Werk so einzigartig machen. Vor einigen Jahren erschien in den USA ein wunderschöner Bildband inklusiv einer detaillierten Biographie zum Werk der Eheleute Eshwiller – er beeinflusst als Coverkünstler noch heute ganze Generationen und sie gehört zu den interessantesten Kurzgeschichtenautorinnen des Genres - , der eine hervorragende, aber wie schon angesprochen auch traurig stimmende Ergänzung zur vorliegenden Johnny Bruck Arbeit darstellt. Gerigk listet im Hauptteil seiner Arbeit die einzelnen Fakten sachlich auf. Neben den im leichten Überformat dargestellten Titelbildern finden sich die Vorlagen und Reinterpretationen. In sachlicher Form, vielleicht manchmal ein wenig zu erzwungen neutral, listet er die Ähnlichkeiten auf und beweist sie nachdrücklich mit entsprechenden Originalabbildungen. Die Druckqualität dieser Bildbandausgabe ist dabei so bestechend gut, dass selbst die Details der deutlich kleineren Vorlagen auffällig sind. Erstaunlich ist die minutiöse Arbeit, die sich Gerigk gemacht hat, um die vielen Vorlagen, aber auch späteren Variationen – nicht nur von Bruck, der ebenfalls mehrfach kopiert oder besser variiert worden ist – herauszufinden und hier gegenüber zu stellen. So wird „Perry Rhodan Illustrator Johnny Bruck“ auch zu einem Ausflug in die Welt der Heftromane und Leihbücher, die in den fünfziger und sechziger Jahren ganze Generationen von Lesern fasziniert haben. Es geht dabei ausschließlich um die visuelle Eindruckskraft der Titelbilder und weniger um den Inhalt der vielleicht manchmal auch fragwürdigen „Soldatengeschichten“.   

Bis zu diesem süßsauren Fazit ist es aber ein weiter Weg, den Gerigk mit einem Blick hinter die Kulissen so weit es die vergangene Zeit noch zulässt gut einläutet. Nach dem Tod Johnny Brucks musste seine Witwe das gemeinsame Haus aufgeben und hat viele Sachen ihres Mannes verschenkt oder weg geschmissen. Viele Originalbilder Brucks sind von den Verlagen anfänglich vernichtet worden. Erst mit dem Eintritt von Klaus N. Frick kam es zu einer sachgerechteren Lagerung der vielen Titelbilder im Verlagshaus. Gerigk wirft einen Blick über den Arbeitsplatz des Workaholics hinaus auf die bevorzugten Malutensilien, seine Werkzeuge und Techniken bis zu der engen Verbundenheit des passionierten Jägers mit der Natur, die einen Blick über die SF Titelbilder hinaus ermöglicht. Bruck war – wenn er Zeit hatte – ein guter bis überdurchschnittlicher Maler, der sein Herz in seine Arbeiten verlieren musste. Die zahlreichen Beispiele in diesem einleitenden, aber sehr gut zu lesenden Kapitel legen ein bebildertes Zeugnis ab. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem Blick Brucks auf sich selbst, der mehr sagt als tausend Worte.

Bevor Gerigk zur kritischen Analyse der ersten einhundert Rhodan Titelbilder allerdings übergeht, schlägt die Statistik zu. Und diese ist eindrucksvoll. Einen Überblick über dessen Gesamtwerk gibt es immer noch nicht. Nur Hochrechnungen und Mutmaßungen und diese stellt der Autor aus verschiedenen Perspektiven an. Am Ende fließt auch die Häufigkeit einzelner Motivaspekte in diese Datensammlung ein. Was auf den ersten Blick befremdlich erscheint, erhält seine Bedeutung in dem mehrfach angesprochenen abschließenden Analyseteil. Zusammen bilden diese beiden Kapitel das Herz der Sammlung und verlocken nicht nur zu einem Durchblättern, sondern zu einer über die Rhodan Serie hinausgehenden Lektüre manch längst vergessenen Utopia „Klassikers“.

Den Abschluss bilden die Epigonen und diese kommen auf den ersten Blick „schlechter“ weg. Nach Johnny Brucks Tod teilte der Verlag die Arbeit auf drei Graphiker auf. Der Tenor der Aufteilung liegt auf dem Schwerpunkt, dass ein Bruck nicht durch einen Künstler zu ersetzen ist. Das ist richtig und falsch zu gleich. Da die Zeichner wie Ralph Voltz oder Kelsner ihre Bilder von Grund auf entwickelt und schließlich umgesetzt haben, brauchten sie mehr Zeit als Brucks teilweise fragwürdige „Copy and Paste“ Methode, die er vor dem Internet zu einer Perfektion gebracht hat. Das niemand im Verlag die Ähnlichkeiten zu eingekauften Titelbildern aufgefallen sind, mag man nicht glauben. Viel mehr war Bruck eine wichtige Persönlichkeit für die Rhodanserie und Kritik wurde unter den Teppich gekehrt. Brucks Epigonen sind trotz mancher Kritik des Wegbereiters – zumindest an Kelsners Werk ließ Bruck ohne überzeugende Begründungen kein gutes Haar – eigene Wege gegangen und haben den optischen Stil der Serie für das späte 20. und vor allem das 21. Jahrhundert eindrucksvoll gestaltet.

Zurück bleibt mit dem vorliegenden prächtigen Bildband das Portrait eines Künstlers und einer Persönlichkeit, die heute sich nicht mehr so hätte entfalten können. Wie die Zeit mehrfach beweißt, fallen Versatzstücke Zufalls bedingt unter optimalen Bedingungen zusammen und schaffen etwas Großartiges. Auf der schriftstellerischen Seite haben K.H. Scheer und Walter Ernsting die Rhodanserie zu einer Zeit geprägt, als der Markt diesen Stoff sehnsüchtig erwartete. Johnny Bruck hat mit seinen imaginären Titelbildern viele Leser auf die Serie aufmerksam gemacht. Aus heutiger Sicht entschuldigt der Erfolg die Art und Weise. In dieser Hinsicht ist Frank G. Gerigks durchaus ambivalent entschuldigend kritische, aber stets objektiv faire, vielleicht manchmal ein wenig aus verständlichen Gründen distanzierte Studie des umfangreichen Werks Johnny Brucks – der meistgedruckte Künstler des Universums – ein guter Schlussstrich unter eine Ära und eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Bruck per se.          

  • Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
  • Verlag: Marlon Verlag; Auflage: 1. (7. Januar 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 394317218X
  • ISBN-13: 978-3943172188
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