Perry Rhodan Neo 50- Rhodans Weg

Frank Borsch

Der erste kleine Jubiläumsband aus der Feder Frank Borschs präsentiert sich zweigeteilt. Auf der einen Seite wird die Mutantenhandlungsebene vorangetrieben, auf der anderen Seite versucht Frank Borsch in J.J. Abrams „Star Trek“ Manier Perry Rhodan einen griffigen Hintergrund zu geben und nicht die Handlung mit der Landung auf dem Mond beginnen zu lassen. Die Qualität der beiden Handlungsebenen ist unterschiedlich. Die Vermenschlichung eines Mythos ist immer kein leichtes Unterfangen. Die Erwartungshaltung an diese literarischen Überfiguren ist deutlich größer als es eine realistische Textfassung leisten kann.

Erschwerend kommt zusätzlich hinzu, dass insbesondere Frank Borsch und sein Autorenteam erst in den letzten Bänden erfasst haben, dass Perry Rhodan eine wichtige Komponente der Handlung ist und dessen zögerliches Verhalten gegen verhaltenes „Anführertum“ ausgetauscht haben. In Episoden beschreibt Frank Borsch, wie Perry Rhodan mit sechs Jahren ausgerissen ist, mit elf Jahren seine Schwester beim Fummeln mit einem örtlichen Rowdy erwischt oder mit dreizehn Jahren die seltsamen Computer seines Onkels Karl untersucht hat.

Ein wichtiger Aspekt ist der Sankt Georgs- Anhänger, der Rhodan um den Hals seines Onkels auffällt. Bei verschiedenen eher der Propaganda dienenden Tests fällt Rhodans Talent als Astronaut auf. Schwere Schicksalsschläge – beide Schwester sterben an Drogenüberdosen – verbindet ihn schließlich mit seinem zukünftigen Mitastronauten Reginald Bull. Während eines Schaufluges beweist Rhodan schließlich seine Fähigkeit als Sofortumschalter, kann die Kapsel retten und verliert durch einen parallel auf der Erde stattfindenden Brand seinen Onkel Karl.

Dabei gibt es eine unheilvolle Verbindung. Auch das Ende des Romans suggeriert, dass Perry Rhodan absichtlich von „Es“ ausgesucht und von einem als Menschen agierenden Carfesch angeleitet worden ist. So sehr sich Frank Borsch auch bemüht, seine Absichten bleiben im Dunkel. Natürlich erfährt der Leser ein wenig mehr über Rhodans Hintergrund, aber sehr viele Überraschungen kann er nicht anbieten. Er hat eine harte Kindheit gehabt. Sein Vater ist relativ früh gestorben, seine Mutter hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Er hat sich an seine zwei Jahre ältere Schwester geklammert, die lange Zeit bester Kumpel und im Grunde Mutterersatz zugleich gewesen ist.

Rhodan ist kontinuierlich den strengen Regeln des Elternhauses ausgewichen und hat versucht, einen eigenen Weg zu gehen. Während Perry Rhodan in der Originalserie von Beginn an der charismatische Anführer mit einer positiven Version für die ganze Menschheit und indirekt für das ganze zu befriedende Universum gewesen ist, bemühen sich die “Neo“ Autoren um eine kontinuierliche Erdung dieses Überhelden, die im vorliegenden langweilig geschriebenen Roman gipfelt. Wer unbedingt alles über seine Helden erfahren muss oder will, der wird ohne Frage solide unterhalten. Zwischen den Zeilen steht die Formung eines potentiellen „Retters“ des Universums durch Es, der von Beginn an überzeugt ist, das Rhodan einen Weg gehen wird, der zumindest momentan noch nicht ablesbar ist.

Mit diesen Implikationen verschiebt sich im Kern der ganze Fokus der Serie. Während insbesondere die Scheer/ Darlton Ära von einem unbändigen Vorwärtsdrang der Mensch inklusiv der Begegnung mit zahlreichen Wundern (zu denen Wanderer und Es ohne Frage gehören) geprägt worden ist, wirkt vieles im „Neo“ Universum von langer Hand konstruiert und geplant. Da kann ein Ernst Ellert in die Zukunft sehen, da prägt Es im Grunde einen zukünftigen Helden und da gibt es Paralleluniversen, in denen die Lösungen für verschiedene Probleme – in erster Linie bislang die Mutantenerkrankung – quasi auf dem Silbertablett präsentiert werden. Der Leser hat das Gefühl, als suche Frank Borsch im Gegensatz zum Zwiebelschalenmodell der späteren Erstauflage von Beginn an seinen teilweise zu mystischen Kosmos mit intergalaktischen Vorbestimmungen, der eher an verschiedene DC oder Marvel Comicserien der sich selbst erfindenden siebziger und achtziger Jahre erinnert.

Wer Bodenständigkeit von Pery Rhodan „Neo“ erwartet, wird spätestens mit dem vorliegenden fünfzigsten Roman endgültig enttäuscht. Es bleibt abzuwarten, ob diese mystischen und mysteriösen, aber nicht sonderlich packenden Vorbestimmungshandlungen Fluchttüren für die teilweise wenig spannenden Handlungsarme darstellt oder ob Frank Borsch diese esoterische Grundidee pragmatisch in den roten Faden einarbeiten kann. „Rhodans Weg“ ist bis auf die Hintergrundmanipulation und zahlreiche Andeutungen hinsichtlich des seltsamen Anhängers eher eine Aneinanderreihung von Plattitüden, die vergleichbar Abrams „Star Trek“ oberflächlich unterhalten, aber wie Fastfood nicht befriedigen.

Die zweite Handlungsebene des vorliegenden Romans betrifft die Mutanten und folgt den „X-Men“ Handlungssträngen. Die Mutanten in Lakeside werden angesichts ihrer Umgebung nicht unberechtigt immer paranoider und sind der festen Überzeugung, das die normalen Menschen sie töten wollen. Anstatt diese Idee weiter auszuarbeiten, bemerken mehrere Mutanten schattenhafte Existenzen. Diese Identität ist Perry Rhodan als Greis, womit der Bogenschlag zum Ende des letzten Romans abgeschlossen worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob es sich dabei um einen Exkurs in das mehrfach angesprochene Paralleluniversum handelt oder der noch nicht unsterbliche Rhodan tatsächlich altern darf. Sollte letztere Variante stimmen, wäre es tatsächlich einmal eine originale Progression im Rhodan Universum. Die Wahrscheinlichkeit auf eine weitere Überlappung mit dem Paralleluniversum ist allerdings größer.

Ignoriert der Leser diesen eher bemühten Cliffhangar, dann gehört der Konflikt zwischen den erkrankten Mutanten und den normalen Menschen zu den besseren Aspekten des eher enttäuschenden kleinen Jubiläumsbandes. Konsequent baut Frank Borsch das Konfliktpotential zwischen den ihre Kräfte immer schwieriger kontrollierenden Mutanten und den Menschen aus. Der durch eine Paraexplosion zerstörte Bundeswehrairbus – damit wissen die Leser, das EADS bzw. Airbus auch in der Zukunft noch produziert – nachdem die an Bord befindlichen acht Mutanten aus ihrem Narkoseschlaf geweckt worden ist, zeigt die Orientierungslosigkeit der Parabefähigten, während der Versuch von Reginald Bull und Novaal – zumindest in der „Neo“ Serie darf Bull agieren und muss nicht immer stoisch auf seinen kontinuierlich Kompromisse suchenden Kameraden und Freund Rhodan hören – das Institut zu stürmen, abgeblockt wird.

Wie schon angesprochen folgen die Verhaltensmustern einigen Episoden der „X- Men“ Serie, so dass auch hier die Originalität zu wünschen übrig lässt. Viel schlimmer ist, dass das heilende Wundermittel tatsächlich aus einem parallelen Universum mittels eines Briefes hinüber transportiert wird. Der ganze Wortlaut des Briefes wird von Frank Borsch abgedruckt und bildet den Tiefpunkt einer Subplots, der so viel versprechend in „der König von Chittagong“ angefangen hat. Auf der emotionalen Ebene wird deutlich, dass Frank Borsch in der jetzigen Form – meilenweit von seinen wirklich originellen Anfangsromanen entfernt – insbesondere überfordert erscheint. Während zum Beispiel Allan Merchant – eine anfänglich sehr gut entwickelte Figur, die inzwischen zu einer Art Stichwortgeber verkommen ist – die Mutanten um Kooperation bittet, versucht der gerade frisch mit bislang latent vorhandenen Mutantenfähigkeiten ausgestatte John Marshall die Kräfte der Mutanten gegen die Menschen zu organisieren.

Auch John Marshall gehörte zu den positiven Überraschungen der ersten Romane. Mit bislang eher rudimentäre beschriebenen Mutantenfähigkeiten ausgestattet entfernt er sich im Grunde unnötig von der seine „Kinder“ behütenden Xavierinterpretation. Warum ihm Mutantenfähigkeiten geben? Wäre es nicht viel interessanter gewesen, wenn er sich als Mensch vielleicht ein wenig betriebsblind auf die Seite seiner Mutanten gegen die Menschen gestellt hätte. Wenn er nicht glauben könnte, das eine Krankheit die Wesensveränderungen auslöst?

Und vor allem, das es keine Rettung aus einem anderen Universum gibt, in das Andre Noir seine wichtigsten Freunde in der Realität der ersten Erde als Mord aussehen gebracht hat. Vielleicht wäre der Austausch des Expokraten ein Befreiungsschlag für die „Neo“ Serie. Sie entfernt sich auf der einen Seite positiv mehr und mehr von der ohne Frage erdrückenden Originalserie, auf der anderen Seite ist Frank Borsch als Exposeautor zu schwach, zu einfallslos, um „Neo“ einen überzeugenden Stempel aufzudrücken. Dabei reicht das Spektrum seiner Fehler von kleinen Details, die unsauber herausgearbeitet worden sind, bis zu unspektakulären und vor allem für Leser, die älter as fünfzehn Jahre sind, bekannten Spannungsbögen, die wenig durchdacht und eher improvisiert erscheinen. „Rhodans Weg“ ist ein klassisches Beispiel dafür. Vielleicht im direkten Vergleich mit dem Abschluss der „Regentenjagd“ ein etwas besserer Roman, aber plottechnisch ein Wirrwahr ohne Esprit und vor allem auch ohne Elan.

Pabel Verlag, Taschenheft 160 Seiten +  Autorenportraits

Erschienen im August 2013

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