Seminola

Originaltitel: 
Seminola
Land: 
USA
Laufzeit: 
83 min
Regie: 
Budd Boetticher
Drehbuch: 
Charles K. Peck Jr.
Darsteller: 
Rock Hudson, Barbara Hale, Anthony Quinn
Kinostart: 
04.12.53

Mit „Seminola“ setzt Koch Media seine Reihe von klassischen Western fort. In diesem Fall handelt es sich aber eher um eine Indianergeschichte, denn einen Western. Die Geschichte spielt in Florida, in den Everglades des Jahres 1835 und damit im Südosten der USA. Es ist aber nicht das einzige Novum dieses Films. Wie „Der gebrochene Pfeil“ bemüht sich das Drehbuch, ein möglichst authentisches – was die Kultur und die Ausstattung angeht- und sympathisches Bild – selbst der indianische Hitzkopf erhält am Ende des Films einen Auftritt, welcher den roten Mann als ideologisch dem weißen Soldaten überlegen zeigt – der Indianer und ihrem verzweifelten Versuch, der Verdrängung durch den weißen Mann zu entkommen.


Filmkritik:
von Thomas Harbach

Mit „Seminola“ setzt Koch Media seine Reihe von klassischen Western fort. In diesem Fall handelt es sich aber eher um eine Indianergeschichte, denn einen Western. Die Geschichte spielt in Florida, in den Everglades des Jahres 1835 und damit im Südosten der USA. Es ist aber nicht das einzige Novum dieses Films. Wie „Der gebrochene Pfeil“ bemüht sich das Drehbuch, ein möglichst authentisches – was die Kultur und die Ausstattung angeht- und sympathisches Bild – selbst der indianische Hitzkopf erhält am Ende des Films einen Auftritt, welcher den roten Mann als ideologisch dem weißen Soldaten überlegen zeigt – der Indianer und ihrem verzweifelten Versuch, der Verdrängung durch den weißen Mann zu entkommen. Im Gegensatz zu dem herausragenden James Stewart Western geht das Drehbuch aber einen kleinen Kompromiss ein. Ein Halbblut ist das Verbindungsglied zwischen Weißen und Indianern. James Stewart dagegen hat die Ureinwohner Amerikas erst kennen gelernt, nach dem einem jungen Krieger geholfen hat.

Für den Hollywoodregisseur Budd Boetticher stellte der Film handlungstechnisch sicherlich eine Herausforderung dar. Er basiert auf einem Roman Charles K. Pecks, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Im Gegensatz zu den sechs kurz darauf mit Randolph Scott in der Hauptrolle von ihm inszenierten Western des „Ranown“ Zyklus ist „Seminola“ humorlos, vom Ablauf der Ereignisse zwar stringent, aber unrhythmisch und zum Teil allerdings platt psychologisch manipuliert. Der Film beginnt mit einem jungen Rock Hudson vor dem Kriegsgericht der amerikanischen Armee. Dem jungen Leutnant und gerade nach Florida zurückversetzten Kundschafter Lance Caldwell wird Verrat und Mord vorgeworfen. Seine einzige Möglichkeit der Verteidigung sieht er in einer Rekapitulation der Ereignisse für das Kriegsgericht und damit den Zuschauer. Die Rückblende beginnt. Über weite Strecken bemüht sich Boetticher auch, diese eingeschränkte Erzählperspektive zu strukturieren und durchzuziehen.

Nur an einigen Stellen steckt er im Dilemma zwischen Kontinuität und der Notwendigkeit, den Zuschauer aufzuklären fest. Hier wäre es sinnvoller gewesen, die Rückblende für einen kurzen Moment aufzuheben, wichtige Szenen von anderen überlebenden Protagonisten – insbesondere Lee Marvin der Rolle eines erfahrenen Soldaten, der seinen Verstand nicht an der Forttür abgegeben hat – erzahlen zu lassen und den Spannungsbogen zu erhalten. Boetticher hat sich aufgrund der kompakten, sehr intensiven Handlung entschlossen, die Geschichte nach der Rahmenhandlung nicht weiter zu unterbrechen. Die Fehler lassen sich aber in Hinblick auf das gesamte Produkt verschmerzen.

Einen Film über das einzige Indianervolk zu drehen, das die weiße Armee in drei verlustreichen Kriegen nicht zuletzt aufgrund der schwierigen klimatischen Bedingungen in den Sümpfen der Everglades nicht besiegen konnte, ist von Beginn an ein schwieriges Unternehmen. Wenn das Drehbuch dann auch noch der unfähigen Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte in der Tradition von Bogarts „Die Caine war ihr Schicksal“ Kommandant als eitlen, arroganten Theoretiker entlarvt, der immer wieder die eigenen Leistungen hervorhebt, obwohl er im gleichen Atmzug behauptet, die Lehrbücher der Armee auswendig zu kennen, ist die Fokussierung eindeutig vorgegeben. Ein kleiner General Custer mit der Einstellung, dass Lehrbücher Lebenserfahrung ersetzen und das alles eine Frage des Willens ist. Ein solcher Charakter muss früher oder später von alleine scheitern – der Film bezieht seine Spannung aus der Erwartungshaltung der Zuschauer, wann der Hochmut vor dem Fall zu Ende ist.


Mit Anthony Quinn und Rock Hudson stehen sich zwei Vollblutschauspieler gegenüber. Oder besser, obwohl sie seit ihrer Jugend Freunde sind, begegnen sie sich als Charaktere nur zweimal im ganzen Film. Einmal ist Rock Hudson schwer verwundet und wird von den Medizinmännern der Seminolen gesund gepflegt. Die zweite Begegnung findet im Fort statt. Nachdem Quinn sich geweigert hat, den einseitigen Unterwerfungsvertrag der amerikanischen Armee zu unterschreiben, wird er geschlagen und einsperrt. Hier besucht ihn Hudson und versucht ihm bei einem Mordanschlag des hitzköpfigen jungen Indianerkriegers vergeblich das Leben zu retten.

Rock Hudson hat als eher naiver junger Mann, der seine idealisierte und unrealistische Vorstellung der amerikanischen Armee ausgerechnet in seiner Heimat über Bord werfen muss, den schwereren Stand. Er sieht gut aus, bemüht sich, dem verstockten Kommandanten auch die Position der Indianer zu vermitteln und ihn vor seinem eigenen Verderben zu bewahren, aber er wirkt in dieser Rolle manchmal ein wenig zu unbekümmert und jungenhaft. Alleine wenn Quinn aus dem Halbschatten heraus mit dem verletzten Hudson spricht, erdrückt er ihn fast mit seiner Persönlichkeit. Anthony Quinn trägt die Last der Verantwortung für seinen Stamm. Er ist ein ruhiger, abwägender Charakter, der das persönliche Glück zurückstellt. In diesem Fall ist das persönliche Glück seine Liebe zu Barbara Hale, die auch Rock Hudson liebt.

Jeder wichtige Vertreter dieses Films steht zwischen mindestens zwei Stühlen: Hudson zwischen der Armee und den Indianern, Hale zwischen zwei sehr unterschiedlichen Männern, Quinn zwischen seinem Volk und seiner eigenen Überzeugung, der Anführer der amerikanischen Truppen zwischen der Realität und seinem undurchführbaren Auftrag. Selbst Lee Marvin in seiner kleinen, aber wichtigen Rolle muss sich am Ende zwischen der Armee und dem ihm sehr sympathischen Rock Hudson entscheiden. Ohne psychologisch zu überziehen oder den einzelnen Protagonisten zu eindimensionale Züge zu geben, verfolgt der Zuschauer gebannt die einzelnen Schicksale.

Das sich am Ende die Dreiecksbeziehung zwischen Hudson/Quinn und Hale dem Klischee des amerikanischen Films entsprechend auflöst, ist einer der wenigen Kompromisse, die „Seminola“ macht. Wenn die Indianer schließlich am Ende Rock Hudson vor dem Erschießungskommando retten, dann geschieht es nicht aufgrund der Prämisse, ein Fehlurteil aufzuheben, sondern nur aus dem Stolz heraus, dass sich niemand mit falschen Federn schmücken könnte. Insbesondere am Ende des Films ist das Timing allerdings unglücklich. So müssten die Offiziere des Kriegsgerichts entweder ins Fort reisen oder Hudson dorthin gebracht werden. Es erscheint unwahrscheinlich, das die Leiche Quinns über diesen längeren Zeitraum bei der Hitze in einem Holzsarg im Fort liegen geblieben wäre. Es wäre effektiver gewesen, die Indianer nur wegen der eigenen Ehre zurückgekommen zu lassen. Dem Film wäre zwar eine rührende, mit einer christlichen Botschaft versehene Schlusssequenz erspart oder vorenthalten geblieben, aber der innere Ablauf der Geschehnisse wäre plausibler.


Die Botschaft des Films ist weiterhin aktuell. Er übt Kritik an der Arroganz und Ignoranz der Menschen ihren Mitvölkern gegenüber. Er prangert im Grunde in erster Linie die Kriege an, die durch Dummheit herbeigeführt und genährt werden. Was „Seminola“ aber noch heute zu einem sehenswerten Film macht, ist die Opposition in beiden Lagern. Sowohl die Weißen als auch die Indianer sind bis auf ihren Anführer – Quinn- oder den mit dem Halbblut aufgewachsenen Hudson nicht in der Lage, die Vergangenheit ruhen zu lassen und neue Wege für die Zukunft zu suchen. Ganz bewusst enthält sich der Film über weite Strecken einer Bewertung. Er zeigt eine Anhäufung von Missverständnissen und Fehlern direkt und ungeschönt. Quinns Opfer durchbricht den tödlichen Kreislauf der Gewalt, die charakterliche Wandlung seines größten Antagonisten unter den Indianern im Schnellverfahren ist allerdings wenig überzeugend. Auch wirkt das Ende des Streifens unnötig auf beschwichtigend und zu euphorisch.


Es sind aber nicht nur die ungewöhnliche Handlung – mit Einschränkungen – und die sehr guten Schauspieler, die eine Wiederentdeckung von „Seminola“ empfehlenswert machen. Boetticher hat zu Beginn des Films an einigen Stellen anscheinend aus Dokumentarfilmen authentische Szenen der Flora und Fauna in den Film geschnitten. Ansonsten ist das Fort laut dem kurzweilig zu lesenden Booklet von Steffen Wulf auf dem Studiogelände nachgebaut worden. Um die Everglades darzustellen, haben acht Spezialfahrzeuge die einzigartigen Bäume nach Los Angeles transportiert. In dieser künstlichen Dschungellandschaft hat Boetticher bis auf einen einzigen Blick auf die aufgehende Sonne vor einer beeindruckenden Wolkebank auf den Himmel verzichtet. Viele Szenen spielen nachts. Oder im schwer zu durchdringenden Dschungel. Es fehlen jegliche Panoramaaufnahmen oder weite Kameraschwenks. Immer wieder nähert sich Boettichers Kamera sehr nah den einzelnen Protagonisten, verstärkt damit das Gefühl von Enge. Alles wirkt feucht, faulend. Mit der Schaffung einer intensiven und vor allem überzeugenden Atmosphäre schließt sich der Kreis für einen sehr ungewöhnlichen Western, denn die Kritiker in den fünfziger Jahren nicht akzeptieren wollten, im Grunde kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch nicht akzeptieren konnten. Wer lässt sich schon gerne sagen, dass die sieg- und glorreiche amerikanische Armee sich mit ihrer aggressiven Provokationspolitik auf dem falschen Weg befunden hat und aus heutiger Sicht immer noch befindet?


Koch Media hat der DVD den Originalkinotrailer in einem guten Zustand und eine umfangreiche Bildergalerie hinzugefügt. Neben Ausgangsfotos umfasst sie verschiedene Filmplakate und diverse Filmprogramme. Auf einigen der Bilder sind die Farben falsch und gekünstelt. Ob das an den Vorlagen oder der Digitalisierung liegt, lässt sich nicht beurteilen. Das Material ist zufrieden stellend, es wäre allerdings schön, wenn man zumindest ein Archivfoto vom Regisseur beifügen könnte. Das Bildformat 4:3 ist nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Weitwinkelaufnahmen akzeptabel. Die Farben sind kräftig, die Bildschärfe akzeptabel.

Wie bei den anderen Teilen der „Classic Western Collection“ sieht man dem Film erst auf den zweiten Blick sein Alter an. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass im Vergleich zu den ganz bewusst sehr realistisch gedrehten Neowestern wie „Der weite Ritt“ das Studio auf eine gewisse Künstlichkeit wert gelegt hat und niemand die Einschränkungen des Originals verbessern kann. Im Gegensatz zu anderen Filmen der Reihe ist „Seminola“ niemals bearbeitet oder gekürzt worden. Der Zuschauer hat die Wahl zwischen der überwiegend guten deutschen Synchronisation – die Stimme des Kommandanten des Forts wirkt auf die Dauer zu hoch, zu quietschend und nimmt ihm sehr viel seiner Persönlichkeit – und dem gut zu verstehenden Originalton. Aus atmosphärischen Gründen empfiehlt es sich, auf die englische Tonspur mit den gut leserlichen deutschen Untertiteln zurückzugreifen.

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